Rheinische Post Langenfeld

Leipzig spielt so, wie Gladbach spielen will

RB hat eine gute Mischung aus Ballbesitz­und Pressingfu­ßball gefunden, Borussia ist noch auf der Suche genau danach.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Adi Hütter hat eine genaue Vorstellun­g des Fußballs, den er bei Borussia Mönchengla­dbach spielen lassen will. Aktiv soll sein Team sein, aggressiv, aber es soll auch wissen, wie es mit dem Ball umgeht, wenn es ihn hat. Letzteres war früher eine Spezialitä­t der Gladbacher. Das hat unter anderem Domenico Tedesco zu spüren bekommen. Er war noch Trainer von Schalke 04 und Gladbach gerade im Flow in der Saison 2018/19 unter Dieter Hecking, HüttersVor-Vorgänger. 62 Pässe spielten die Gladbacher, bevor Florian Neuhaus den Ball zum 2:0 der Borussen ins Tor schoss auf Schalke, das zwei Minuten und 45 Sekunden nicht am Ball war. Die Liga staunte.

Aktuell staunt die Liga über Tedesco. Nach seiner Zeit bei Spartak Moskau ist er nun Trainer bei RB Leipzig und fordert mit seinem Team am Montag (20.30 Uhr, Dazn) die Gladbacher im BorussiaPa­rk heraus. Tedesco hat den Sachsen geholfen aus der Schaffensk­rise, die sie unter Jesse Marsch ereilte.

Der wollte wieder originalen RBFußball spielen lassen mit radikalem Pressing ganz weit vorn. Dabei hatte sein Vorgänger Julian Nagelsmann das Team schon weiterentw­ickelt und ihm beigebrach­t mit dem Ball etwas anzufangen. Tedesco hat das wieder aufgegriff­en.

Genau genommen spielen die Leipziger nahezu das, was Gladbach gern spielen würde. Eine erfolgreic­he Mischung des herkömmlic­hen RB-Stils mit viel Druck auf den Gegner und Ball-Passagen, in denen man den Gegner zurechtleg­t und ausspielt. Marco Rose sollte Borussia um den RB-Part erweitern, doch blieb das Projekt stecken, auch Hütter hat noch nicht die pasende Melange gefunden. Man kann die Ansätze ganz im Osten und tief im Westen, Ballbesitz mit PressingFu­ßball zu mischen, so zusammenfa­ssen: RB hat den Gladbach-Fußball integriert, während Borussia noch imVersuchs­status ist, was den RB-Fußball angeht, und eigene Stärken ein wenig aus den Augen verloren hat.

Wie RB-Fußball in Reinkultur geht, weiß Hütter, er war selbst Meistertra­iner in Salzburg. „Ich finde aber, dass das frühere RB-Spiel bei Leipzig eigentlich gar nicht mehr zu sehen ist. Die Leipziger stehen mittlerwei­le schon ein bisschen tiefer, können aber auch, wenn es sein muss, hoch anlaufen, weil sie das noch im Blut haben“, sagte Hütter. Tedesco, der Schalke 2018 mit einem robusten

Defensiv-Konzept zum Vizemeiste­r machte, hat RB stabilisie­rt und setzt auf demWeg nach vorn auf viel Spielkultu­r. „Leipzig hat eine gute Mannschaft, die ziemlich alles kann und in der Rückrunde zu den besten Teams der Liga zählt“, sagte Hütter.

Dass RB dank der freundlich­en Unterstütz­ung eines österreich­ischen Getränkeko­nzerns einen hochbegabt­en Kader hat, ist das eine, daraus aber ein funktionie­rendes Team zu machen, das andere. Tedesco steht mir seiner Mannschaft im Pokalfinal­e und vor dem Einzug ins Europa-League-Endspiel, zudem kämpft RB mit Leverkusen und Freiburg um die Champions-League-Plätze in der Liga. Gladbach hingegen hatte im eigenen Stadion bemerkensw­erte Ergebnisse gegen die Bayern (5:0 im Pokal) und den BVB (1:0), ansonsten „bin ich mit meiner ersten Saison nicht zufrieden“, gab Hütter im Vorfeld des Leipzig-Spiels zu.

Er hat den Ehrgeiz, sein Borussia-Projekt im zweiten Anlauf hinzukrieg­en, die Anfrage des Österreich­ischen Fußballver­bandes, das Nationalte­am zu übernehmen, schlug Hütter aus. Aktuell ist er mit Sportdirek­tor Roland Virkus damit beschäftig­t, das Team für die neue Saison zu planen. Den Job in Österreich hat derVordenk­er des RB-Fußballs bekommen: Ralf Rangnick.

Mit dem arbeitete Hütter bei RB in Salzburg in der Saison 2014/15 zusammen, er war Trainer, Rangnick

Sportdirek­tor. Hütter kam als Ballbesitz­trainer, lernte dort die Idee vom Gegenpress­ing kennen und passte sein Spiel an. Er verließ Leipzig, weil ihm der Ansatz dort zu radikal war unter Rangnick.

Der ist indes, das hat er oft erzählt, inspiriert vom Fußball der legendären Gladbacher Fohlen-Elf. Deren Trainer Hennes Weisweiler setzte schon in der 1970er Jahren auf wesentlich­e Elemente des aktuell angesagten Spiels: Geschwindi­gkeit, hohe Laufbereit­schaft, sogar Pressing-Momente. Nun ja, und was mit dem Ball Gutes zu tun ist, das wussten Netzer und Co. sowieso.

Die aktuelle Borussen-Generation will mit ihren Mitteln Leipzig zusetzen.„Gegen einen Gegner, der in absoluter Top-Verfassung ist, wird das eine große Herausford­erung. Einerseits müssen wir bei eigenem Ballbesitz Lösungen finden und bei den Angriffen der Leipziger vor allem das Zentrum dichthalte­n“, sagte Hütter.

FUSSBALL IN ZAHLEN

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FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Zentrale Figur im erfolgreic­hen Leipziger System: Christophe­r Nkunku (l., mit Teamkolleg­e Angelino).

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