Rheinische Post Langenfeld

Forsche Töne alter Stars

Mit einer stark in die Jahre gekommenen Stammelf spaziert Real Madrid in Spanien überrasche­nd locker zum 35. Liga-Titel.

- VON EMILIO RAPPOLD

MADRID (dpa) Zum Abschluss der Meisterpar­ty am Cibeles-Brunnen im Zentrum Madrids brachte Carlo Ancelotti die 150.000 Real-Fans noch einmal zum Jubeln. Forsch gab der frühere Bayern-Trainer, sonst ein eher stiller Vertreter, direkt den Angriff auf den nächsten großen Titel aus. „Jetzt holen wir uns City!“, rief der 62-Jährige den Anhängern zu. „A por el City!“, sangen diese noch bis zum frühen Morgen.

Als erster Trainer holte Ancelotti vier Spieltage vor Saisonende durch das 4:0 gegen Espanyol Barcelona die Meistersch­aft in den Top-FünfLigen Europas, nun soll der vierte Triumph in der Champions League folgen. Das Team um Ex-Weltmeiste­r Toni Kroos, der bei der Feier im Hintergrun­d blieb, will am Mittwoch im Halbfinal-Rückspiel gegen Manchester City das 3:4 wettmachen. Und wenn einer Grund hatte, optimistis­ch und etwas großspurig aufzutrete­n, dann war es Ancelotti.

Der 62-Jährige komplettie­rte seine Titelsamml­ung: Nach Meistersch­aften in Italien mit dem AC Mailand, England mit dem FC Chelsea, Frankreich mit Paris Saint-Germain und Deutschlan­d mit dem FC Bayern München gewann Don Carlo nun auch die Primera División. Ein Titel, der ihm während seiner ersten Amtszeit bei Real Madrid von 2013 bis 2015 noch versagt geblieben war.

„Ich bin sehr bewegt“, sagte der Mann aus Oberitalie­n, der sein Erfolgsrez­ept bereits vor einigen Jahren in seiner Biographie „Quiet Leadership“verriet. Er gilt als Meister der Menschen- und Gruppenfüh­rung und gewann als Trainer unter anderem mit AC Mailand (2003 und 2007) sowie 2014 mit Real schon drei Mal die Königsklas­se. „Mit Real Madrid Titel zu gewinnen, ist etwas ganz Besonderes. Und ich will mehr holen“, versichert­e er am Samstag.

Der jüngste Titelgewin­n ist dabei keine Selbstvers­tändlichke­it. Die Lage des spanischen Rekordmeis­ters in der Primera División ist mit der des deutschen Pendants FC Bayern München, der zehn Mal in Serie die Bundesliga gewann, nicht zu vergleiche­n. Die „Weißen“gewannen in den vergangene­n 25 Jahren sieben Mal die Liga. Und diese Saison war Madrid ohne namhafte Verstärkun­gen und mit einer stark in die Jahre gekommenen Stammelf ins Rennen gegangen.

Die meisten Leistungst­räger wie Karim Benzema (34), Luka Modric (36), Kroos (32), Dani Carvajal (30), Casemiro (30), Thibaut Courtois (29), Marcelo (33) und den ExMünchner David Abala (29) sind alle bereits im reiferen Fußballer-Alter. Nur wenige Jüngere konnten Akzente setzen: Militao (24), Federico Valverde (23), Vinicius (21) und Rodrygo (21), der vorwiegend als Joker eingesetzt wird.

Vielleicht waren auch deshalb, weil der lockere Spaziergan­g zum Titel vor Saisonbegi­nn nicht erwartet worden war und eine große Aufgabe bevorsteht, am Cibeles-Platz so viele Fans wie selten zuvor bei einer Titelfeier. So früh wie jetzt hatte Real einen Liga-Titel zuletzt 1990 gewonnen.

Nach der Fahrt im offenen Bus

durch die Hauptstadt legte Kapitän Marcelo der Statue der griechisch­en Königin Kybele der Tradition folgend eine Clubfahne um den Hals und einen Real-Schal um den Kopf. Zu den Klängen von „We are the Champions“bekam„La Cibeles“vom Brasiliane­r - der seinen 24. Titel mit dem Verein gewann und damit Gento als erfolgreic­hsten Profi der Club-Geschichte übertraf - auch einen Kuss auf die Wange. „Campeonísi­mo“(Supermeist­er), titelte die Zeitung „AS“am Sonntag auf Seite eins - und forderte gleich „europäisch­en Nachschlag“.

Marcelo, Kroos, der auf Instagram mit „So proud of the whole team! Outstandin­g season!“schrieb, Benzema & Co. wissen: „In Madrid dauern die Erfolge so lange wie die Fahrt vom Bernabéu zum CibelesPla­tz“, wie „AS“schrieb. Knapp 15 Minuten benötigt derWagen für die fünf Kilometer. Die Ansprüche von Fans, Clubführun­g und Medien sind so hoch wie kaum wo anders. Das machte auch Clubboss Florentino Pérez klar: „In der Jahresplan­ung waren der Liga-Titel und der Gewinn der Champions League programmie­rt“. Das sei man den „Milliarden von Real-Fans weltweit“schuldig, betonte er. Die 14. Königsklas­senpokal muss her.

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FOTO: PAUL WHITE/AP Losgelöst: Real Madrids Kapitän Marcelo feiert oben auf dem Cibeles-Brunnen den Meistertit­el.

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