Wie es allen gefällt
Eine Uraufführung am Düsseldorfer Schauspielhaus: „Making of Shakespeare“heißt das Stück, in dem Laien und Profis ein kunterbuntes Spiel treiben. Es ist ein unterhaltsames Experiment geworden.
DÜSSELDORF Im Grunde ist dieses Bühnenprojekt nach nicht einmal 15 Minuten schon am Ende. Schlichtweg gescheitert. Die sogenannten gestandenen Schauspieler haben nämlich die Nase gestrichen voll von all diesem kreativen Miteinander von Jung und Alt, von Profi und Amateur. Ganz besonders Minna Wündrich. Das Ensemblemitglied lässt seinen Ärger freien Lauf und zielt auf den erst zwölfjährigen Mitspieler Gustaf Steindorf. Was der zu hören kriegt? „Ich hasse Jugendliche auf der Bühne“, schreit sie überaus glaubwürdig. „Und ich hasse die, die für Jugendliche spielen“, womit sie zweifelsfrei jene vom Jungen Schauspiel meint. Schließlich: „Und ich hasse alle meine Kolleg*innen, die im Zuschauerraum sich jetzt einen Ast ablachen, weil sie nicht bei dieser beschissenen Produktion mitmachen mussten.“
Auch Schauspieler Jonas Friedrich Leonhardi hatte versucht, seine Teilnahme am Projekt nach Leibeskräften mit einer Krankmeldung abzuwenden. Jede Rolltreppe habe er abgeleckt und bei der letzten Premierenfeier von jedem Glas genippt – nichts. Auf Corona sei kein Verlass mehr. Auch bleibt Hanna Werths inständiger Wunsch, in einem Stück einmal nicht singen zu müssen, unerfüllt. Alles zurück auf Anfang:„Making of Shakespeare“ist ein Theaterversuch, mit dem eigentlich auch eine Intendanz beginnen könnte. Indem man nämlich dem Publikum zeigt, was man so alles an Bühnenzauber und Mimenvolk zu bieten hat. In diesem Fall sind das neben drei Schauspielern des Ensembles und zwei Mitgliedern des Jungen Schauspiels auch sieben spielfreudige Jugendliche, die beim Stadtkollektiv mitmachen, also jenem Spielangebot für alle Bürgerinnen und Bürger, das aus der Bürgerbühne hervorgegangen ist.
Unterm Strich heißt das: drei Sparten, drei Programme, drei Ensembles mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und Schauspielfähigkeiten – das alles kommt in dem von Joanna Praml inszenierten Stück irgendwie zusammen. Und zwar bunt, anarchisch und witzig, weshalb man sich für Spielidee und Motive auch bei jenem Theatertitanen bediente, der genau dies im Sinn hatte:William Shakespeare.
Wir erleben die kunterbunte Entstehungsgeschichte erst über Hass und dann über Liebe mit etlichen Paargeschichten aus dem bei Shakespeare fast unerschöpflichen Liebespaar-Repertoire. Besonders von Miranda und Ferdinand aus Shakespeares letztem Drama „Der Sturm“. Dieses Stück liefert bei aller Anarchie des Abends das Handlungsgerüst der Aufführung, zu der Jugendliche und Profis dann doch verzaubert und ihre Identität suchend zueinanderfinden. DieWindmaschine entfacht einen Sturm, ein Teil der Bühnendeko geht zu Bruch, die Truppe strandet auf einer Insel, einem abgeschlossenen Raum, auf dem die Fantasie erwacht und das Spielen beginnen kann.
„Making of Shakespeare“ist vor allem ein Experiment. Ein Theaterstück übers Theater, ein Spiel darüber, wie ein Spiel entstehen kann, alles öffentlich, fürs Publikum und mit dem Publikum – auch wenn Leonhardis anfängliche Idee eines „Get Together“auf der Bühne mit Fragen aus dem Publikum ins Leere läuft. Es mutet wie ein Prolog zu irgendetwas an.Vielleicht zu dem, was unter dem Stichwort „partizipatives Theater“herumgeistert und den Weg in die Zukunft des Theaters weisen soll. Wobei die Botschaft dieses Making-of eine denkbar nahe liegende und einfache, für die Macht und die Möglichkeit der Bühne aber eine zu oberflächliche ist. Die Beschwörung der Fantasie, der Glaube an die Kraft von Liebe und Gemeinsamkeit als wirksames Gegengift einer auch coronabedingten Vereinsamung – das sind Botschaften, die auf sehr hohe Zustimmungsquoten treffen dürften. Theater ist aber immer mehr als nur ein Vergewisserungsort von Gleichmeinenden.
So gesehen wäre der experimentelle Abend eine ziemlich langweilige Angelegenheit, würden sich die Spieler und ihr Spiel nicht auch selbst hinterfragen und auf die Schüppe nehmen. Die Ironie beschert dem Stück eine Leichtigkeit, die Lust aufs Theater macht. Wenn etwa Jonathan Gyles nach dem Kontakt mit Shakespeares berühmt-berüchtigten Liebestropfen als Erstes das Publikum erblickt. Fortan gibt er alles, um diesem zu gefallen – und genau in dieser Reihenfolge: an der Gitarre, am Klavier, mit dem Saxofon. Allerdings gehört die Aufmerksamkeit zu oft doch anderen. Etwa Minna Wündrich, die ebenfalls von Liebestropfen infiziert wurde, aber aus ihrer tiefen Kenntnis des Shakespeareschen Werkes um die Folgen einer solchen Verzauberung weiß. Mit einer Augenbinde tappt sie nur noch auf der Bühne herum, und als sie diese endlich lüftet, erblickt sie ausgerechnet einen der Jugendlichen: „Jetzt haben die Idioten den Esel mit einem 15-Jährigen besetzt.“„Making of Shakespeare“ist so etwas wie eine unterhaltsame, theatralische Absichtserklärung. Kein Modell für die Zukunft. Ein Stück, das mehr Botschaft als These sein will. Zum Schluss noch die Einladung zur Premierenfeier. Mit Wein. Und Limo natürlich.