„Wir wünschen uns eine Long-Covid-Ambulanz“
An diesem Dienstag ist Welt-Asthma-Tag. Dr. Claudia MünksLederer, Chefärztin am Rheinisch-Bergischen Lungenzentrum, Remigius-Krankenhaus Opladen, über die Fortschritte bei der Behandlung chronischer Lungenerkrankungen.
Es heißt, Chronische Lungenkrankheiten nehmen zu. Trifft das auf Asthma oder auch Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) zu?
MÜNKS-LEDERER Auf beides. Asthma ist ja eher eine Erkrankung des jüngeren Menschen und in der Regel unabhängig vom Rauchen, hat oft, aber nicht nur mit Allergien zu tun. Es gibt seltenere, schwerere Asthmaformen mit Zunahme ab dem 40. Lebensjahr, bei denen wir in den letzten Jahren erhebliche therapeutische Fortschritte gemacht haben. COPD ist bei uns nach wie vor primär raucher-assoziiert. Es gibt wenige genetisch bedingte Formen, zum Beispiel den Alpha-1-Antitrypsin-Mangel.
Aber es wird doch inzwischen weniger geraucht als etwa in den 70er oder 80er Jahren. MÜNKS-LEDERER COPD entwickelt sich oft, wenn man über 20 Jahre etwa eine Schachtel am Tag geraucht hat. Wenn man das Rauch-EintrittsAlter bedenkt, das in Deutschland schon einmal bei 11,3 Jahren gelegen hat, haben wir durchaus Patienten, die vor Jahrzehnten mit dem Rauchen begonnen haben und circa ab dem 40. Lebensjahr mit der Diagnose COPD konfrontiert werden. Zum Glück ist das Gesundheitsbewusstsein bei jüngeren Menschen gestiegen, die langsam weniger rauchen.
Gibt es bei Asthma eigentlich mehr die Patienten mit der allergischen oder der nicht-allergischem Form? MÜNKS-LEDERER Im Kinder- und Jugendlichenbereich dominieren die allergischen Formen. Die klassischen Allergien, zum Beispiel gegen Pollen, Hausstaubmilben oder Katzenhaare, sind ja in der Regel früh bekannt. Je älter der Patient wird, desto öfter beobachten wir nichtallergische Formen.
Gibt es weitere Trigger, die die Entstehung von Asthma fördern? MÜNKS-LEDERER Je mehr Trigger, die einen Anfall auslösen können, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass das Asthma symptomatisch wird. Beim Asthma handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung der Atemwegs-Schleimhaut ohne bakteriellen oder viralen Auslöser. 20 bis 25 Prozent der Menschen haben eine Überempfindlichkeit der Bronchialschleimhaut, leiden aber noch nicht unbedingt an Asthma. Das entsteht, wenn dann irgendein Faktor dazukommt. Das können Pollen und Tierhaare sein oder zum Beispiel eine Belastung des Bronchialsystems bei Leistungssportlern. Manche Trigger sind vielen Patienten gar nicht bewusst, zum Beispiel Kälte, Bratendünste, Deos, aber auch Aufregung.
Gehören dazu auch die derzeit im Alltag ständig genutzten Desinfektionsmittel?
MÜNKS-LEDERER Wenn man sich nur die Finger desinfiziert, eigentlich nicht. Alles, was gesprüht wird und zu Aerosolen führt, die man dann einatmet, kann aber sicherlich im Einzelfall einen Anfall hervorrufen.
Was hat sich bei der Behandlung in den letzten Jahren getan? MÜNKS-LEDERER Für schwere Sonderformen von Asthma, zum Beispiel dem eosinophilen Asthma, steht heute eine spezielle Antikörper-Therapie zur Verfügung. Dabei wird eine Spritze subkutan gegeben. Für die Betroffenen ist das ein Segen, weil sie dadurch so stabil sind, wie wir das früher nie kannten. Diese Antikörper wirken auch bei Komorbiditäten, wenn Patienten zusätzlich zum Asthma etwa eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung oder eine Dermatitis haben.
Und bei den übrigen Formen? MÜNKS-LEDERER Die Basis ist immer noch eine Entzündungshemmung mit einem Kortison zum Inhalieren. Geändert hat sich, dass man Patienten nun mit einem Kombinationspräparat aus Kortison und rasch wirksamem Öffner, also einem Bronchodilatator, behandelt. Diese Behandlung setzt man bei leichten Formen nur bei Bedarf ein. Früher haben Patienten oft nur den Öffner inhaliert. Das ist gefährlich. Je nach Schweregrad steigert sich die Kontinuität der Einnahmen und Zahl der Mittel. Im Grunde ist Asthma leicht zu behandeln, weil man viel mit Inhalativa arbeitet. Das Tückische ist, dass manche Patienten in beschwerdefreien Zeiten ihr Spray vergessen und es dann im Bedarfsfall nicht zur
Hand haben. Man muss sich aber über eines im Klaren sein: Man kann mit Asthma 100 Jahre alt werden, im schlimmsten Falle aber auch an einem Anfall sterben.
Das Lungenzentrum am St. Remigius Krankenhaus bietet eine ambulante Lungen-Reha an. Wie funktioniert die? MÜNKS-LEDERER Es gibt nicht viele Einheiten in Deutschland, die so etwas anbieten. Der Patient kommt über meist zwei bis vier Wochen morgens und geht abends wieder nach Hause. In Frage kommen sowohl COPD-Patienten, von schwerem Asthma Betroffene, Patienten mit einer Lungenfibrose – und inzwischen auch mit Long-CovidSyndrom. Zum auf den Patienten abgestimmten Programm gehören Inhalationstechniken, Informationen über die Erkrankung und Kraftund Ausdauerübungen auf der Matte, mit Bällen oder an Geräten. Ein
Trainer überwacht alles und zeigt auch, wie man alltägliche Belastungen mit der richtigen Atemtechnik verbinden kann. Die Patienten lernen die Lippenbremse, das richtige Husten und atemerleichternde Körperhaltungen. Die Resultate sind eindrucksvoll. Manche Patienten stehen mitTränen in den Augen vor uns und sagen: Ich hätte nie gedacht, dass ich das alles schaffen kann.
Sie haben es kurz angesprochen – welche Rolle spielt Long-Covid in Ihrem Berufsalltag? MÜNKS-LEDERER Ich habe gerade den Antrag gestellt, eine Post-und Long-Covid-Ambulanz zu eröffnen. Das ist mir eine Herzensangelegenheit, weil es eine große Belastung für die Menschen ist. Jeden Tag gehen in meinem Sekretariat fünf bis zehn Anrufe ein von Hilfesuchenden.