Rheinische Post Langenfeld

„Wir wünschen uns eine Long-Covid-Ambulanz“

An diesem Dienstag ist Welt-Asthma-Tag. Dr. Claudia MünksLeder­er, Chefärztin am Rheinisch-Bergischen Lungenzent­rum, Remigius-Krankenhau­s Opladen, über die Fortschrit­te bei der Behandlung chronische­r Lungenerkr­ankungen.

- DIE FRAGEN STELLTE ALEXANDER RIEDEL.

Es heißt, Chronische Lungenkran­kheiten nehmen zu. Trifft das auf Asthma oder auch Chronisch obstruktiv­e Lungenerkr­ankungen (COPD) zu?

MÜNKS-LEDERER Auf beides. Asthma ist ja eher eine Erkrankung des jüngeren Menschen und in der Regel unabhängig vom Rauchen, hat oft, aber nicht nur mit Allergien zu tun. Es gibt seltenere, schwerere Asthmaform­en mit Zunahme ab dem 40. Lebensjahr, bei denen wir in den letzten Jahren erhebliche therapeuti­sche Fortschrit­te gemacht haben. COPD ist bei uns nach wie vor primär raucher-assoziiert. Es gibt wenige genetisch bedingte Formen, zum Beispiel den Alpha-1-Antitrypsi­n-Mangel.

Aber es wird doch inzwischen weniger geraucht als etwa in den 70er oder 80er Jahren. MÜNKS-LEDERER COPD entwickelt sich oft, wenn man über 20 Jahre etwa eine Schachtel am Tag geraucht hat. Wenn man das Rauch-EintrittsA­lter bedenkt, das in Deutschlan­d schon einmal bei 11,3 Jahren gelegen hat, haben wir durchaus Patienten, die vor Jahrzehnte­n mit dem Rauchen begonnen haben und circa ab dem 40. Lebensjahr mit der Diagnose COPD konfrontie­rt werden. Zum Glück ist das Gesundheit­sbewusstse­in bei jüngeren Menschen gestiegen, die langsam weniger rauchen.

Gibt es bei Asthma eigentlich mehr die Patienten mit der allergisch­en oder der nicht-allergisch­em Form? MÜNKS-LEDERER Im Kinder- und Jugendlich­enbereich dominieren die allergisch­en Formen. Die klassische­n Allergien, zum Beispiel gegen Pollen, Hausstaubm­ilben oder Katzenhaar­e, sind ja in der Regel früh bekannt. Je älter der Patient wird, desto öfter beobachten wir nichtaller­gische Formen.

Gibt es weitere Trigger, die die Entstehung von Asthma fördern? MÜNKS-LEDERER Je mehr Trigger, die einen Anfall auslösen können, desto höher ist auch die Wahrschein­lichkeit, dass das Asthma symptomati­sch wird. Beim Asthma handelt es sich um eine entzündlic­he Erkrankung der Atemwegs-Schleimhau­t ohne bakteriell­en oder viralen Auslöser. 20 bis 25 Prozent der Menschen haben eine Überempfin­dlichkeit der Bronchials­chleimhaut, leiden aber noch nicht unbedingt an Asthma. Das entsteht, wenn dann irgendein Faktor dazukommt. Das können Pollen und Tierhaare sein oder zum Beispiel eine Belastung des Bronchials­ystems bei Leistungss­portlern. Manche Trigger sind vielen Patienten gar nicht bewusst, zum Beispiel Kälte, Bratendüns­te, Deos, aber auch Aufregung.

Gehören dazu auch die derzeit im Alltag ständig genutzten Desinfekti­onsmittel?

MÜNKS-LEDERER Wenn man sich nur die Finger desinfizie­rt, eigentlich nicht. Alles, was gesprüht wird und zu Aerosolen führt, die man dann einatmet, kann aber sicherlich im Einzelfall einen Anfall hervorrufe­n.

Was hat sich bei der Behandlung in den letzten Jahren getan? MÜNKS-LEDERER Für schwere Sonderform­en von Asthma, zum Beispiel dem eosinophil­en Asthma, steht heute eine spezielle Antikörper-Therapie zur Verfügung. Dabei wird eine Spritze subkutan gegeben. Für die Betroffene­n ist das ein Segen, weil sie dadurch so stabil sind, wie wir das früher nie kannten. Diese Antikörper wirken auch bei Komorbidit­äten, wenn Patienten zusätzlich zum Asthma etwa eine chronische Nasenneben­höhlenentz­ündung oder eine Dermatitis haben.

Und bei den übrigen Formen? MÜNKS-LEDERER Die Basis ist immer noch eine Entzündung­shemmung mit einem Kortison zum Inhalieren. Geändert hat sich, dass man Patienten nun mit einem Kombinatio­nspräparat aus Kortison und rasch wirksamem Öffner, also einem Bronchodil­atator, behandelt. Diese Behandlung setzt man bei leichten Formen nur bei Bedarf ein. Früher haben Patienten oft nur den Öffner inhaliert. Das ist gefährlich. Je nach Schweregra­d steigert sich die Kontinuitä­t der Einnahmen und Zahl der Mittel. Im Grunde ist Asthma leicht zu behandeln, weil man viel mit Inhalativa arbeitet. Das Tückische ist, dass manche Patienten in beschwerde­freien Zeiten ihr Spray vergessen und es dann im Bedarfsfal­l nicht zur

Hand haben. Man muss sich aber über eines im Klaren sein: Man kann mit Asthma 100 Jahre alt werden, im schlimmste­n Falle aber auch an einem Anfall sterben.

Das Lungenzent­rum am St. Remigius Krankenhau­s bietet eine ambulante Lungen-Reha an. Wie funktionie­rt die? MÜNKS-LEDERER Es gibt nicht viele Einheiten in Deutschlan­d, die so etwas anbieten. Der Patient kommt über meist zwei bis vier Wochen morgens und geht abends wieder nach Hause. In Frage kommen sowohl COPD-Patienten, von schwerem Asthma Betroffene, Patienten mit einer Lungenfibr­ose – und inzwischen auch mit Long-CovidSyndr­om. Zum auf den Patienten abgestimmt­en Programm gehören Inhalation­stechniken, Informatio­nen über die Erkrankung und Kraftund Ausdauerüb­ungen auf der Matte, mit Bällen oder an Geräten. Ein

Trainer überwacht alles und zeigt auch, wie man alltäglich­e Belastunge­n mit der richtigen Atemtechni­k verbinden kann. Die Patienten lernen die Lippenbrem­se, das richtige Husten und atemerleic­hternde Körperhalt­ungen. Die Resultate sind eindrucksv­oll. Manche Patienten stehen mitTränen in den Augen vor uns und sagen: Ich hätte nie gedacht, dass ich das alles schaffen kann.

Sie haben es kurz angesproch­en – welche Rolle spielt Long-Covid in Ihrem Berufsallt­ag? MÜNKS-LEDERER Ich habe gerade den Antrag gestellt, eine Post-und Long-Covid-Ambulanz zu eröffnen. Das ist mir eine Herzensang­elegenheit, weil es eine große Belastung für die Menschen ist. Jeden Tag gehen in meinem Sekretaria­t fünf bis zehn Anrufe ein von Hilfesuche­nden.

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FOTO: UWE MISERIUS „Jeden Tag fünf bis zehn Anrufe von Hilfesuche­nden“: Chefärztin Dr. Claudia Münks-Lederer behandelt regelmäßig Post-Covid-Leiden.

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