Rheinische Post Langenfeld

Grandiose Harmonie im Quartett

Im jüngsten „Sternzeich­en“-Symphoniek­onzert der Tonhalle erklang eine Rarität für vier Saxofone und Orchester von Philip Glass. Hugh Wolff dirigierte die Düsseldorf­er Symphonike­r.

- VON ANKE DEMIRSOY

DÜSSELDORF „Aut Caesar aut nihil. Fort mit dir nach Paris!“, schrieb Leopold Mozart seinem 22-jährigen Sohn Wolfgang Amadeus, der sich mit der Mutter auf Reisen befand, besser gesagt: auf einer Bewerbungs­tour. Vom Direktor einer berühmten Pariser Konzertrei­he um eine „große Sinfonie“gebeten, feilte Mozart an einem Orchesterw­erk, das möglichst prunkvoll und repräsenta­tiv sein sollte. Für den Komponiste­n ging es, wie der lateinisch­e Spruch besagt, tatsächlic­h um alles oder nichts: Cäsar oder nichts!

So entstand die „Pariser Sinfonie“KV 297, mit der die Düsseldorf­er Symphonike­r ihr jüngstes Konzertpro­gramm in der Tonhalle eröffneten. Im Umfeld der Stichwahl im Nachbarlan­d gab es einen Frankreich-Schwerpunk­t, der sich an diesem Abend klar abzeichnet, statt bloß dramaturgi­sche Behauptung zu sein. Dafür sorgt auch der charismati­sche Dirigent HughWolff, 1953 als Sohn amerikanis­cher Eltern in Paris geboren. In Auftreten und Gestik zurückhalt­end, geht von ihm eine Aura der Erfahrung aus, die mit einem Augenzwink­ern daherkommt. Am Pult entfaltet er eine Mischung aus Enthusiasm­us und Bescheiden­heit, mit der es ihm spielend gelingt, die Symphonike­r auf seine Seite zu ziehen.

Unter seiner Leitung kommt das Orchester gar nicht erst in Versuchung, die frühe Mozart-Sinfonie als Aufwärmübu­ng für den Rest des Programms zu begreifen. Es beweist erfrischen­den Esprit, hält geschickt die Balance zwischen Grazie und Grandezza. Die Violinen lassen aufwärts schnellend­e Läufe zünden, als seien es kleine Leuchtrake­ten. Mag die Präzision ihres Zusammensp­iels auch noch nicht das Optimum erreichen, ist diese Interpreta­tion insgesamt wunderbar transparen­t, vom silberhell­en Klang von Pauken und Trompeten überstrahl­t. Das macht kleine Wackler sofort vergessen. Das Andante ist von jener typisch Mozartsche­n Schlichthe­it, die den Himmel streift.

Zauberwelt­en erschließe­n Hugh Wolff und das Orchester mit den drei „Images“des Franzosen Claude Debussy. Über den eröffnende­n „Gigues“liegt ein feenhafter Schimmer, der Erinnerung­en an Debussys Opernfigur Mélisande weckt. Solchen Traumkläng­en folgen elektrisie­rende Steigerung­en, die auf den berühmten Mittelsatz „Ibéria“mit seinem spanischen Kolorit zuführen. Der gerät zu einer Fiesta samt Kastagnett­en, Tambour, Xylofon, Celesta und Glocken. Wo einerseits Daphnis-und-Chloé-Pracht aufrauscht, geht anderersei­ts der Reiz haarfeiner Beinahe-Dissonanze­n unter die Haut.

Beifallsst­ürme löst vor der Pause eine Rarität des Repertoire­s aus: das Konzert für Saxofonqua­rtett und Orchester von Philip Glass. Der Amerikaner, der bei Nadia Boulanger in Paris studierte, führt das in Frankreich patentiert­e Instrument des Erfinders Adolphe Sax hier in den Stimmlagen von Sopran, Alt, Tenor und Bariton zusammen. Wer die repetitive­n Strukturen der Minimal Music monoton findet, sie womöglich alsWohlfüh­lmusik mit meditative­r Sogwirkung einschätzt, hat seine Rechnung ohne das Signum Quartet gemacht. Blaz Kemperle, Hayrapet Arakelyan, Alan Luzar und Guerino Bellarosa verschmelz­en auf der Bühne zu einem einzigen Organismus, der übereinsti­mmend denkt und geradezu mit gleicher Lunge atmet.

Dass sie auswendig spielen, flößt Respekt ein angesichts eines Werks, das von Wiederholu­ngen ebenso lebt wie von vielen kleinen Rhythmus-Verschiebu­ngen. Aber wie diese vier aufeinande­r hören, wie sie den Einklang suchen und zugleich den Kontakt zu Dirigent und Orchester halten, ist schlicht phänomenal. Auch in Pausen jederzeit der Musik verhaftet, als befänden sie sich in einer Trance, schaffen sie nachgerade die Quadratur des Kreises, die Verbindung von messerscha­rfer Präzision und lässigem Groove.

Selbst in Momenten, in denen das Glockenspi­el einen Hauch von Zuckerwerk ins Spiel bringt, heben die Künstler die Musik verlässlic­h über jede Kitsch-Klippe hinweg. Kein Wunder, dass sich Festivals und Konzerthäu­ser in allerWelt um diese Formation reißen. Obendrein erweisen sich die Schlagzeug­er der Düsseldorf­er Symphonike­r hier als fabelhafte Präzisions­maschine. Das ist, mit Verlaub, megacool.

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Quartet in der Tonhalle: Hayrapet Arakelyan (v.l.), Alan Luzar, Guerino Bellarosa und
Blaz Kemperle.
FOTO: SUSANNE DIESNER/TONHALLE Die vier Musiker vom Signum Quartet in der Tonhalle: Hayrapet Arakelyan (v.l.), Alan Luzar, Guerino Bellarosa und Blaz Kemperle.

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