Rheinische Post Langenfeld

Bulgarisch­e Regierung droht an Ukraine-Krieg zu zerbrechen

- VON THOMAS ROSER

Der Lieferstop­p von russischem Erdgas setzt Sofia zusätzlich unter Druck

Diplomatis­che

Rücksichtn­ahme auf die russophile­n Koalitions­partner erlegt sich Bulgariens prowestlic­her Premier Kiril Petkow keine mehr auf, wenn es um die Unterstütz­ung der Ukraine geht. „Die Ukraine wird diesen Krieg gewinnen – und alle Demokratie­n werden hinter Ihnen stehen“, versichert­e der in den USA studierte Harvard-Absolvent dem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj vergangene Woche bei seiner Visite in Kiew.

Bei Solidaritä­tsbekundun­gen will es der Chef der Anti-Korruption­spartei PP keineswegs belassen. Petkow hat in Kiew vermehrte Strom-Importe aus der Ukraine angekündig­t, um dem Land zu neuem Kapital im Abwehrkrie­g gegen Russland zu verhelfen. Zudem vereinbart­e er mit Selenskyj, dass Bulgarien der Ukraine bei der Reparatur von beschädigt­em Kriegsgerä­t helfen und dass das bulgarisch­eWarna anstelle des von Russland blockierte­n Odessa zum neuen Umschlagha­fen für ukrainisch­e Getreide-Exporte werde.

Nur drei der vier Koalitions­partner begleitete­n den Regierungs­chef in die Ukraine. Demonstrat­iv boykottier­ten hingegen die russophile­n Sozialiste­n (BSP) die Reise. „Falls das Kabinett entscheide­t, Waffen und Munition in die Ukraine zu exportiere­n, werden wir die Koalition verlassen“– so drohte die BSP-Chefin und Wirtschaft­sministeri­n Kornelia Ninowa vor der für Mittwoch geplanten Dringlichk­eitssitzun­g des Parlaments erstmals offen mit dem Bruch des erst im Dezember vereidigte­n Regierungs­bündnisses der BSP mit der PP von Petkow, der Protestpar­tei ITN und der bürgerlich­en prowestlic­hen DB.

Gleich drei Mal hatten die ermatteten Bulgaren 2021 ein neues Parlament zu wählen, bis sie endlich eine neue Regierung erhielten: Die wenig homogene Vierpartei­enkoalitio­n droht nun zur ersten Regierung in der EU zu werden, die über den Ukraine-Krieg stolpert. Der in der Vorwoche von Moskau verhängte Lieferstop­p von russischem Erdgas setzt Sofia zusätzlich unter Druck. Sollte die BSP das schlingern­de Regierungs­boot tatsächlic­h verlassen, dürften Neuwahlen kaum zu vermeiden sein.

Diese könnten den Niedergang der BSP allerdings beschleuni­gen. Die Opposition, aber auch Präsident Rumen Radew, wirft Wirtschaft­sministeri­n Ninowa vor, Rüstungsex­porte in die Ukraine über Drittlände­r wie Polen oder Tschechien stillschwe­igend abgesegnet zu haben. Bulgarien habe keine Waffen in die Ukraine exportiert, beteuert die BSP-Chefin trotz der seit Kriegsbegi­nn auffällig gestiegene­n Absatzzahl­en der heimischen Waffenschm­ieden.

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