Wohnen anno dazumal
So ein Plumpsklo war komfortabel – wenn es sich im Haus befand statt draußen vor der Tür. Im Leverkusener Kolonie-Museum lässt sich entdecken, was noch alles vor etwa hundert Jahren zu Wohnverhältnissen gehörte, die damals als modern galten.
WIESDORF Das Chemiewerk inWuppertal Anfang des 20. Jahrhunderts – ein paar Arbeitsjahre nur reichten aus, um Theodor Feusers Lunge krank zu machen. Als er die neue Stelle als Pförtner im Bayer-Kasino in Wiesdorf antrat, muss ihm das als große Erleichterung vorgekommen sein. Erst recht, als er und seine Frau, die Heimtextilarbeiterin Elise, das neue Haus, Baujahr 1904, zu sehen bekamen, in das die Familie mit ihren vier Kindern – es sollten noch vier weitere kommen – einziehen durften. Ein stolzer, für damalige Verhältnisse geräumiger Neubau. Dazu ein günstiges Mietanbot seines ebenso großzügigen wie fortschrittlichen Arbeitgebers, der Bayer-Werke.
118 Jahre später ist das Haus ein Museum. Das Kolonie-Museum in der Bayer-Kolonie zeigt, wie die Menschen damals gewohnt haben. „Das war damals modern“, sagt Elke Kersten vom Freundesund Förderverein des Kolonie-Museums. Und zeigt auf das Plumpsklo, das sich nicht mehr im Garten, sondern bereits hinter einer Tür im Haus befand.
Modern war auch die Waschküche, in dem sich heute noch ein Waschzuber mit Kupferkessel auf einer Feuerstelle befindet. Aus heutiger Sicht war der gesamte Waschvorgang umständlich und zweitraubend. Noch vor dem Waschtag wurde das Feuer vorbereitet, die Wäsche eingeweicht. Am Waschtag selbst machte die Hausfrau das Feuer an und kochte die Schmutzsachen. „Auf Waschbrettern wurde geschrubbt und gestampft, und was nicht sauber war, wurde mit Zitronensaft beträufelt und zum Bleichen raus auf die Wiese gelegt“, sagt Museumsfrau Kersten. Später wurde ausgewaschen, gemangelt und schließlich gebügelt. Kersten: „Das brauchte einen ganzen Tag, und die Kinder mussten helfen.“
Wäsche gab es reichlich, denn Wegwerf-Windeln oder -binden waren noch nicht erfunden. Weil gerade die Bettwäsche besonders aufwendig zu waschen war, hieß es: Sparen, wo man kann. So war die weiße Betthaube aus Leinen ein
zwar wenig lustvoll wirkendes Stück der Zeit, tat aber im ehelichen Doppelbett bei Mann und Frau gute und schonende Dienste für Kissen und Bettbezüge.
Ein weiterer „Luxus“der Zeit: Im Haus gab es elektrischen Strom für die Deckenbeleuchtung. Steckdosen allerdings noch nicht. Wozu auch? Elektrische Küchenhilfen –
Fehlanzeige. Kein Mixer, kein Kühlschrank und erst Recht kein Radio, kein Fernseher, keine Mikrowelle. Der „Kühlschrank“war ein alter Holzschrank mit Fliegengitter im Keller. Wer es sich leisten konnte, ließ dann und wann mal einen Eisblock kommen, den er im Keller ablegte.
Im Winter wurde es kalt im Haus,
denn die Kohleöfen waren die einzige Heizquelle. Auch das Badewasser musste im Kessel über dem Holzfeuer erwärmt werden. Am „Badetag“stieg dann erst er Vater in die heiße Wanne, die schon nicht mehr so heiß war, als ihm erst seine Frau, dann die Kinder der Reihe nach folgen durften. Der Kopf wurde zünftig mit Kernseife gewaschen und ledig
lich mit dem Handtuch abgerubbelt, weil es den Föhn noch nicht gab.
„Die Frauen formten sich Locken mit Brennscheren“, berichtet Elke Kersten.„Am Anfang musste immer ein Zeitungsstück herhalten, damit man sich die Haare nicht versengte.“So hatte auch damals schon Schönheit ihren Preis, und wenn die Braut wohlhabend war, erhöhte das ihre
Attraktivität. Davon zeugen sogenannte Aussteuerbändchen, die über einer Kleiderschranktür hängen. Mit den Stoffbändchen wurden etwa die akkurat gefaltetenWäschestücke zusammengebunden, die bis zur Hochzeit in der Aussteuertruhe verschwanden.
Ein Luxus des Bayer-Koloniehauses war damals auch der Garten, berichtet Kersten weiter. Eine Zugabe mit hohem Nutzwert für die große und somit stets hungrige Familie. Dort wurden fast ausschließlich Obst und Gemüse angepflanzt. „Die Menschen der damaligen Zeit waren arm“, sagt die Museumsführerin, „nicht wenige haben gehungert“. In fast jedem Garten habe ein kleiner Stall gestanden, mit Kaninchen, Ziegen oder Schafen.