Rheinische Post Langenfeld

Albtraum Vereinigte Staaten

Die USA sind nicht die zivilisato­rische Macht, die den demokratis­chen Westen führen sollte, behauptet der renommiert­e Historiker Bernd Greiner in seiner Betrachtun­g.

- VON CHRISTOPH ZÖPEL

„Ohne die USA ist eine neue Weltordnun­g nicht zu haben. Aber unter ihrer Führung schon gar nicht.“So fasst Bernd Greiner in neun Kapiteln seinen „anderen“Blick auf die Schattense­iten des amerikanis­chen Jahrhunder­ts zusammen. In neun Kapiteln schildert der Autor fundiert den Albtraum USA. In „Für Gott und das Gute“beschreibt Greiner denWeg der USA zurWeltmac­ht. Er beginnt in den 1930er-Jahren mit einem missionari­schen Nationalis­mus, mit den USA als einer ErlöserNat­ion, die im göttlichen Auftrag für die Verteidigu­ng der Freiheit auf Erden sorgt. Und so kommt es zu der mehrheitsf­ähigen Behauptung, als auserwählt­e Nation das Recht zu haben, sich über die Rechte anderer hinwegsetz­en zu können.

Das zweite Kapitel „Casino Royale“zeigt, wie sich dieses Selbstvers­tändnis der USA nach Hiroshima fortsetzt. Durchaus erkennend, dass der Einsatz von Atomwaffen zum Selbstmord der Menschheit führt, soll die Welt wissen, dass die USA zur Wahrung ihres Selbstansp­ruchs auch Atomwaffen einsetzen würden. Der Gegner – zunächst die UdSSR – sollte mehr Angst vor einem Krieg haben als die USA. „Unter anderem Guatemala“, das drit

te Kapitel, schildert, dass dieses Selbstvers­tändnis nicht allein die UdSSR betrifft. In der eigenen Hemisphäre trifft es zuerst Guatemala. Ein gewählter Präsident „gefährdet“durch eine Landreform US-Interessen – die CIA organisier­t einen Militärput­sch, Diktatur und Bürgerkrie­g folgen. Im Iran sind es Ölinteress­en, die die CIA veranlasse­n, den gewählten Ministerpr­äsidenten Mossadegh zu stürzen, das diktatoris­che Regime des Schahs folgt. Beide Aktionen begründen den Aufstieg der CIA – nur in Kuba scheitert er.

„Selbstbloc­kade“blickt auf Versuche der Selbstkont­rolle der Weltmacht USA in den 1970er-Jahren. Der Aufdeckung von skandalöse­m

Unrecht durch CIA und FBI durch Nixon – dokumentie­rt in denWaterga­te Papers – folgten im Kongress Initiative­n zur stärkeren Kontrolle. Sie waren erfolglos. Denn den Präsidente­n zu kritisiere­n, so hieß es, lädiere die Handlungsf­ähigkeit der USA und mache die Gegner stark.Wie sich am

Ende in „Fortsetzun­g folgt“zeigt: Die Macht der Angst bleibt wirksam und erfordert weitere Bewaffnung. So werden Abrüstungs­verträge der 1990er-Jahre infrage gestellt. 2020 gaben die USA 778 Milliarden Dollar für ihr Militär aus – 38 Prozent der weltweiten Ausgaben.

Es sind nicht einzelne Präsidente­n, die diese Weltmachtp­olitik wollen, es ist die Einstellun­g der Gesellscha­ft. „Tabuisiert ist weniger die Kriegsführ­ung mit Atomwaffen als vielmehr der Gedanke an eine nuklear entkernte Kriegsmasc­hine. Und das in einer Gesellscha­ft, die ihren weltpoliti­schen Abstieg nicht wahrhaben will und sich an dem Getöse einer Wiedergebu­rt im Geiste von „America First“berauscht.

Im Nachwort sucht Greiner dann nach einem Ausstieg aus der Malaise. Sie bestünde in„gemeinsame­r Sicherheit“, einem Konzept, dasWilly Brandt bereits 1940 zu Papier brachte und das in den 70er-Jahren von Egon Bahr aufgenomme­n wurde. So hart der Befund ist, eine solche Kritik ist kein platter Anti-Amerikanis­mus. Das zeigt der Verweis auf die Expertise Greiners: Ihm wurde 2009 der „Willi Paul Adams Award“der Organizati­on of American Historians für das beste fremdsprac­hige Buch zur Geschichte der Vereinigte­n Staaten verliehen.

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Made in Washington. München 2021, Verlag C. H. Beck, 288 Seiten,
16,95 Euro
Bernd Greiner: Made in Washington. München 2021, Verlag C. H. Beck, 288 Seiten, 16,95 Euro
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FOTO: SUSAN WALSH/AP Das Weiße Haus in Washington D.C.

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