Die expressive Kraft fragiler Welten
In Lüttich eröffnete im März 2020 ein besonderes Museum, das Trinkhall. Es enthält mehr als 3500 Werke geistig behinderter Künstler aus aller Welt.
Lüttich ist bekannt für seine vielen originellen Museen. Am Parc d’Avroy im Lütticher Zentrum eröffnete im März 2020 ein neues Museum, das in Erstaunen versetzt. Es sieht aus wie ein gelandetes Raumschiff oder eine Polarstation. Umso kurioser der deutsch klingende Name Trinkhall. Mit seiner runden Opalfassade glitzert und glänzt es von weitem.
Der Name des Museums geht auf die Trinkhall aus dem Jahr 1880 zurück, ein Café im maurischen Stil mit Tanzsaal und Billard. Das Wort leitet sich von der deutschen Trinkhalle ab, ursprünglich ein Verkaufsstand für Wasser und nichtalkoholische Getränke.
Die Sammlung mit mehr als 3500 Werken geistig behinderter Künstler aus aller Welt ist jedoch die gleiche geblieben. Sie stammen vom ehemaligen MADmusée, das genau an dieser Stelle stand. Das Konzept wird als „art situé“bezeichnet, situierte Kunst. Im Mittelpunkt steht die expressive Kraft fragiler Welten. Die Kunstwerke sind in Ateliers und nicht in Behindertenwerkstätten oder Therapiezentren entstanden.
Die Architekten haben versucht, die alte Struktur des MADmusée behutsam weiterzuentwickeln. Damit die Erinnerung an die Sixties nicht in Vergessenheit gerät, wurden die mit Molton gepolsterten
Mauern beibehalten. Das Innere dieses modernen Kokons ist von sanftem und diffusem Licht erfüllt. Man kann sich so beim Anschauen der Werke oder auch beim Betrachten des Lebens draußen im Park gut treiben lassen. Letzteres ermöglichen die riesigen Glasfenster.
Ob der Tanz der Enten auf dem Teich, die vorbeilaufenden Jogger oder spielende Kinder – all das gehört zur besonderen Poesie dieses Ortes. Und wenn der Abend anbricht, erscheint das Gebäude wie ein riesiger Leuchtkäfer.