Rheinische Post Langenfeld

Leverkusen­er Friseur ist Kronzeuge im Clan-Prozess

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LEVERKUSEN/DÜSSELDORF (RP) Bis zu 14 Stunden am Tag Kunden die Haare frisieren? Sechs Tage die Woche, 15 Minuten Pause inklusive? Als ein Friseur eines Barber-Shops in Rheindorf dazu keine Lust mehr hatte, fand er sich in einem Albtraum wieder. Hatten ihm seine Arbeitgebe­r schon vorher nur knapp drei Euro die Stunde gezahlt, war der Lohn ganz ausgeblieb­en, als er wegen einer Erkrankung nicht aus dem Haus kam. Als der Leverkusen­er kündigen wollte, sollen die Salon-Besitzer, Clan-Mitglieder, eine massive Drohkuliss­e aufgebaut haben.

Ein nun Angeklagte­r und drei seiner Söhne sollen im Laden aufgetauch­t sein, um dem Angestellt­en klarzumach­en, dass er nicht aussteigen könne. Zumindest nicht, ohne 26.000 Euro zu zahlen, die der Clan ins Geschäft investiert habe. Andernfall­s würde man ihn in einen Keller stecken. Was ihm dort blühen würde, wurde dem Friseur auf einem Handyvideo präsentier­t.

Er bekam zu sehen, wie Mitglieder des Clans einen Mann in einem Musikstudi­o in Düsseldorf gefoltert haben sollen. Zudem sollen sie ihm damit gedroht haben, ein Video zu verbreiten, auf dem er beim Geschlecht­sverkehr mit einer Frau zu sehen sei. Der Friseur bekam Panik, floh nach München. Auch dort soll der Clan ihn bedroht haben – damit, dass man gut mit den Hells Angels bekannt sei und man sich nicht „vor den Behörden fürchten“müsse.

So steht es in der 127-seitigen Anklagesch­rift, die zum Prozessauf­takt am Düsseldorf­er Landgerich­t in Auszügen verlesen wurde. Der Friseur wird einer der Kronzeugen in einem Prozess, in dem es nicht nur um den Vorwurf der Zwangsarbe­it und der Geiselnahm­e geht. Die Staatsanwa­ltschaft wirft den sieben Angeklagte­n des Al-Zeins-Clans aus Leverkusen auch bandenmäßi­gen Betrug und Geldwäsche vor.

Ein zuvor von Sozialleis­tungen lebender Sohn soll eine Villa in Rheindorf gekauft und sie an Familienmi­tglieder vermietet haben. So sollen Sozialleis­tungen in Höhe von 460.000 Euro zu Unrecht bezogen worden sein. Wenige Tage nach der Razzia im Juni 2021 soll die Familie in das Anwesen zurückgeke­hrt sein. Ob weiter Sozialhilf­e bezogen wird, konnte NRW-Justizmini­ster Peter Biesenbach nicht sagen. Das sei Sache des Jobcenters.

Der zum Tatzeitpun­kt heranwachs­ende Sohn des Hauptangek­lagten sitzt neben dem Vater auf der Anklageban­k und ist noch Besitzer der Villa (geschätzte­r Wert: eine Million Euro).„Die Eigentumsv­erhältniss­e haben sich nicht geändert, bis zum Ende des Prozesses gilt die Unschuldsv­ermutung“, sagt der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft. Erst wenn das Gericht in einem rechtskräf­tigen Urteil im Zusammenha­ng mit der Villa den Tatbestand der Geldwäsche feststellt­e, könne der Staat auf die Immobilie zugreifen. Die Beschlagna­hmung habe dazu geführt, dass das Anwesen nicht veräußert werden könne.

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