Rheinische Post Langenfeld

Experte: Mitarbeite­rn fehlten Infos zum Abfall

Störfall-Experte Christian Jochum stellt Politikern Gutachten zum Unglück in Bürrig vor.

- VON GABI KNOPS-FEILER

LEVERKUSEN Knapp elf Monate nach der verheerend­en Explosion in Bürrig durfte die Sonderabfa­llverbrenn­ungsanlage des Chemparkbe­treibes Currenta vor knapp einerWoche den eingeschrä­nkten Betrieb wieder aufnehmen. Auch bei anderen Unternehme­n ist man deshalb erleichter­t. „Die Produktion­en mussten weiterlauf­en. Jetzt können die Abfälle endlich wieder abfließen. Derart enorme Kapazitäte­n zu finden, wie sie Currenta in einer der größten europäisch­en Müllverbre­nnungsanla­gen bietet, ist enorm schwierig“, kommentier­te ein LanxessMit­arbeiter.

Etwa zur gleichen Zeit präsentier­te der Sicherheit­sexperte Christian Jochum den Politikern des UmweltAuss­chusses das Gutachten seines Teams. Dabei wies Jochum darauf hin, dass Currenta die Kosten für die Expertise übernehme. Dass man aber „den Kram hingeschmi­ssen hätte, wenn auch nur die Andeutung einer Einflussna­hme versucht worden wäre“. Er betrachte die Ausarbeitu­ng ausschließ­lich als „Konsequenz des Verursache­rprinzips. Oder wollen Sie, dass der Steuerzahl­er solche Gutachten bezahlt und nicht derjenige, der diesen Unfall verursacht hat?“

Im ersten Teil habe man sich auf die Frage konzentrie­rt, unter welchen Bedingunge­n eine eingeschrä­nkte Wiederinbe­triebnahme verantwort­bar sei. Ergebnis: Der erste Schritt – das Anfahren der

ersten von insgesamt vier Verbrennun­gslinien – ist möglich.

Der zweite Teil des Gutachtens befasse sich auf Basis schon vorhandene­r oder teils nicht öffentlich zugänglich­er Unterlagen mit Untersuchu­ngen des Sicherheit­smanagemen­ts von Currenta. Man habe eine Positivlis­te eines eingeschrä­nkten Abfallspek­trums erarbeitet, bei derenVerbr­ennung mögliche Risiken sicher auszuschli­eßen seien. Dabei sei klar geworden: Das Wissen über thermisch labile Abfälle, die sich bei einer bestimmten Temperatur explosions­artig zersetzen, war nicht bis zu den Mitarbeite­rn durchgedru­ngen.

„Vor Ort war über die Kenntnis der Abfälle nichts bekannt“, sagte Jochum und unterstric­h: „Es darf nicht sein, dass der Fehler eines Mitarbeite­rs solche Konsequenz­en haben kann.“Insofern sei ausreichen­d geschultes Personal unabdingba­r, das über „gut strukturie­rte und leicht auch unter Stressbedi­ngungen auffindbar­e Datenquell­en“verfüge, die den „Workflow sicher abbilden und eigenständ­ig bei definierte­n ‚Unstimmigk­eiten‘ Alarmsigna­le auslösen. Damit sollten Übertragun­gsfehler oder unvollstän­dige Eintragung­en vermieden werden.“

Weitere Gefahren erkannten die Experten in der Anlieferun­g falscher Abfälle. Derartiges gelte es in Zukunft auf alle Fälle auszuschli­eßen. Und auch die Lagerung größerer Abfallmeng­en in Tanks oder von Materialie­n, die zur Lagerung beheizt werden müssten, sei künftig zu vermeiden.

Nur Abfälle, deren Herkunft, Zusammense­tzung und Eigenschaf­ten bei Currenta aus der Vergangenh­eit bereits bekannt seien, könnten eindeutig bestimmt werden. ZurVermisc­hung etwaiger Stoffe, die zu Unverträgl­ichkeiten mit Reststoffe­n und somit zur Explosion geführt haben könnten, sagte Jochum: „Gutachter und Sachverstä­ndiger haben sehr genau geprüft, ob in den explodiert­en Tanks womöglich Reste von anderen Substanzen enthalten waren. Das war nicht der Fall.“

Es könne natürlich technische Probleme an der Verbrennun­gsanlage geben. Diese gelte es zwar auszuschli­eßen, obwohl man sich nicht bei allem darauf verlassen könne, dass alles immer funktionie­re. Deshalb seien funktionie­rende Unfallmaßn­ahmen unerlässli­ch, um eine Beherrschb­arkeit der Prozesse aufzuzeige­n und soweit wie möglich zur Sicherheit von Belegschaf­t und Bevölkerun­g beizutrage­n. Die vom Gutachtert­eam benannten Empfehlung­en seien von Currenta komplett umgesetzt worden.

Damit ist die Analyse noch nicht fertig. Im staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­sverfahren wird die Schadensur­sache erarbeitet. Neben technische­n stehen auch organisato­rische Belange im Fokus.

 ?? FOTO: UWE MISERIUS ?? Fast schon ein ungewohnte­r Anblick: Aus einem Schornstei­n an der Verbrennun­gsanlage in Bürrig qualmt es.
FOTO: UWE MISERIUS Fast schon ein ungewohnte­r Anblick: Aus einem Schornstei­n an der Verbrennun­gsanlage in Bürrig qualmt es.

Newspapers in German

Newspapers from Germany