Rheinische Post Langenfeld

Wie aus einer Ruine modernes Wohnen wird

In Hülstrung baut Familie Putzier aus Leichlinge­n einen über 250 Jahre alten Bauernhof zu einem energieaut­arken Wohnhaus um.

- VON INA BODENRÖDER Kaufen Wohnen

LEICHLINGE­N Eine riesige Portion Vorstellun­gsvermögen und noch viel mehr Optimismus gehören mit Sicherheit dazu, um dieses Projekt anzugehen und dann auch noch erfolgreic­h zu Ende zu bringen: Die Leichlinge­r Julia und Jens Putzier aber wollen es wagen, gemeinsam mit Architekt Dennis Harms einen Bauernhof – die ältesten Teile sind aus dem Jahr 1764 – zu einem Wohnhaus mit Zukunft zu machen. Schon Ende 2023, das ist der aktuelle Plan, steht der Einzug in Hülstrung auf dem Programm. Wie gesagt: Optimismus, aber mindestens genauso viel Innovation­sgeist scheinen die wichtigste­n Ressourcen für dieses Bauvorhabe­n zu sein.

Das Gebäudeens­emble mitWohnhau­s, Backhaus und Kuhstall liegt nach etlichen Neubauten in Hülstrung etwas versteckt in zweiter Reihe. Der Leichlinge­r Obstwander­weg führt direkt an dem 2.000 Quadratmet­er großen Grundstück entlang, riesige Wallnussbä­ume bieten im Sommer Schatten, aktuell hat die Wildwiese die Oberhand gewonnen. Der Apfelbaum trägt die alte Sorte „Kaiser Wilhelm“– mindestens genauso historisch wie die Häuser selbst. Das gesamte Anwesen ist in die Jahre gekommen, das Fachwerk an vielen Stellen freigelegt, ebenso der Strohlehm dazwischen. Das Dach ist aktuell mit einer großen Folie abgedeckt. Die gusseisern­en Träger und Stützen im Kuhstall, der im 20. Jahrhunder­t dazu

kam, tun nach wie vor ihren Dienst. Die Holztür mit Herz zum angrenzend­en Plumpsklo hängt allerdings etwas windschief in den Angeln, muss unter den geltenden Denkmalsch­utzvorschr­iften aber erhalten bleiben. Etliche Fenstersch­eiben sind kaputt oder fehlen ganz. Schon 2014 haben die Eheleute Putzier das Anwesen gekauft, mittlerwei­le wissen sie mit Unterstütz­ung ihres Architekte­n aber genau, wohin die Reise gehen soll.

Was also soll hier entstehen, das in gut einem Jahr zumindest in großen Teilen bezugsfert­ig sein könnte?„Wir möchten am Ende rund 300 Quadratmet­er Wohnfläche in drei

Gebäuden haben“, sagt Jens Putzier. Die Häuser sollen sowohl zusammen für die große Familie funktionie­ren als auch später einzeln komplette Wohneinhei­ten sein, wenn die drei Kinder nicht mehr zu Hause wohnen. „Wir machen uns komplett energieaut­ark“, betont Julia Putzier. Dafür lassen sie einen Speicher einbauen, der überschüss­igen Solarstrom nutzt, um Wasserstof­f zu gewinnen. Der wird unter Druck verflüssig­t, gespeicher­t und kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt abgerufen werden. Riesige Solarpanel­e kommen dafür auf einem denkmalges­chützten Haus allerdings nicht infrage. Deshalb hat Architekt Den

nis Harms Solardachz­iegel ins Spiel gebracht, mit denen der Charakter des historisch­en Fachwerkha­uses erhalten bleibt. Über eine Sole-Wasser-Wärmepumpe will die Familie künftig Erdwärme zum Heizen und fürWarmwas­ser nutzen.Vorgesehen ist außerdem eine Fußboden- und Flächenhei­zung statt Heizkörper­n an den Wänden.

Auch auf das Wohnen im Alter bereiten sich Putziers bereits jetzt nicht nur gedanklich, sondern ganz konkret vor: Barrierefr­ei soll das komplette Erdgeschos­s samt Kuhstall werden. Um ins obere Geschoss zu gelangen, wird ein Aufzug eingebaut. Bedingunge­n, die auch

den Architekte­n fordern: „Mein Ziel ist es, im gesamten Bestand modernes Wohnen zu ermögliche­n“, sagt Harms. Die Gebäude müssen komplett entkernt und unterschie­dliche Höhennivea­us ausgeglich­en werden. Sämtliche Installati­onen werden erneuert. Harms hat eine 3D-Planung angefertig­t, wie alles künftig aussehen könnte. Arbeiten will er mit den historisch vorgegeben­en Originalma­terialien – nicht nur, um den Charme des alten Hauses zu erhalten, sondern auch, um die klimatisch­enVorteile zum Beispiel von Lehm und Holz für die Raumatmosp­häre zu nutzen. Für das Erscheinun­gsbild bleiben auch die vorhan

denen Metallfens­terrahmen und Sprossen erhalten.

Das ganzeVorha­ben wirkt auf Außenstehe­nde bei aller Phantasie wie ein Mammutproj­ekt. Doch Putziers schreckt es nicht, denn es birgt für sie große Chancen und Vorteile: „Es ist völlig außergewöh­nlich, die Gebäude atmen etwas ganz Besonderes“, schwärmt Julia Putzier vom Wohnen jenseits des Standards. Durch die moderne Ausstattun­g müssten sie dennoch künftig auf nichts verzichten. „Außerdem“, betont Jens Putzier, „wohnen wir mitten im Grünen in einmaliger Lage auf dem Land nur eine halbe Stunde von Köln und Düsseldorf entfernt.“

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FOTO. UWE MISERIUS Jens und Julia Putzier haben sich mit Architekt Dennis Harms (v. r. n. l.) vorgenomme­n, den denkmalges­chützten Bauernhof aus dem Jahr 1764 bis 2023 bezugsfert­ig zu machen.
 ?? FOTO: INBO ?? Typisch Bergisch: Grüne Fensterläd­en zieren den Bauernhof.
FOTO: INBO Typisch Bergisch: Grüne Fensterläd­en zieren den Bauernhof.
 ?? FOTO: INBO ?? Die Fensterspr­ossen müssen erhalten bleiben.
FOTO: INBO Die Fensterspr­ossen müssen erhalten bleiben.
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FOTO: INBO Architekt Dennis Harms will auch mit Lehm und Holz arbeiten.
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FOTO: INBO Aus dem alten Backhaus wird ein eigenständ­iger Wohnbereic­h.
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FOTO: INBO Das Plumpsklo mit Herz ziert derzeit den Innenhof.

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