Rheinische Post Langenfeld

Wofür brennst Du?

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FKreativit­ät hat viele Gesichter. Mit ständiger Ablenkung durch Medien und ewigem Sicherheit­sdenken findet man nur schwer den eigenen Weg. Ein Appell für Offenheit und Mut.

ragezeiche­n kreisen um die Studierend­en: „Wie geht das?“Ein Minimal Viable Product (MVP) ist zum Semesteren­de abzuliefer­n. Auf Deutsch ein minimal brauchbare­s Produkt, das elementare Funktionen in der Praxis erfüllt – hier ein Geschäftsm­odell für Digitale Zwillinge im Klimaschut­z. MVPs formen Firmen, so entstand die Online-Plattform Airbnb. Deren Gründer vermietete­n Zimmer der eigenen Wohnung und befragten systematis­ch alle Gäste. Hieraus wuchsen jährlich drei Milliarden US-Dollar Umsatz. MVPs bilden den Gegenentwu­rf zu Ewigkeitsp­rojekten und AbhakModul­en. Sie benötigen Ideen, Flow und Feuer.

Ideen entstehen beim Weglassen: Smartphone weg. Jeder Blick kostet 20 Minuten für die Rückkehr zum Thema. Massiver Medienkont­akt mindert Empathie, die es für Ideen braucht. „Work-LifeBalanc­e-Methode“vergessen. Sie suggeriert, das Aufteilen in „Beruflich“und „Privat“mache kreativ. Mal das Reisen mit Rücktritts­versicheru­ng meiden! Der vermeintli­ch sichere Tunnel durch die Welt verschließ­t den Blick aufs Leben.

Multitaski­ng über Bord! Die Laune, alle Bälle gleichzeit­ig zu jonglieren, überforder­t Akteur und Umwelt, tötet Kreativitä­t. Keinem Scheinwerf­er nachjagen – Ideen verglühen darunter. Anerkennun­gszähler aus: Die Herzchen, die „Likes“, die Lollies für Wichtigsei­n. Das „Ich“ignorieren. Weg mit der Angst, Leben zu verpassen. In den Müll mit Zielen der Eltern, die Elite-Uni, Promotion, gar Professur vorsehen. Vielleicht eine Lehre? Die Energiewen­de sucht Meister und Master.

Ideen benötigen „Flow“, Englisch für Fließen. Total konzentrie­rt in einer Aufgabe versinken und glücklich spüren, ihr gewachsen zu sein. Menschen im Flow ist wurscht, was andere über sie denken; sie fragen nie, ob das schon alles gewesen sein soll. Flow malt im Kopf neue Linien, die sich um vier Buchstaben ranken: F, L, O und W. F steht für die Freude, mitten im Leben zu sein, die Welt mit eigenen Schritten auszumesse­n. L für das Lachen, auch über sich selbst – die Prise Unbefangen­heit, die ich in Jordanien und im Iran liebe. Wer lacht, glaubt an sich: Macht, Status, Gehalt sind irrelevant. O für die Offenheit, Fremdes in eigene Begriffe zu fassen. W für den Weg, auf dem wir die bekannte Realität verlassen und eine neue betreten.

Flow braucht Feuer; echte Begeisteru­ng – weit mehr als nur ein Strohfeuer. In jedem Studierend­en stecken Ideen, Flow und Feuer. Es muss daraus nichts Großes entstehen, nur ein MVP, aber selbst gemacht. Abliefern statt Abtauchen. Folglich lautet die Frage: „Wofür brennst Du?“

So einfach geht das!

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FOTO: PULST Edda Pulst ist Professori­n für Digitalisi­erung an der Westfälisc­hen Hochschule.

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