Wirtschaft gegen exogene Schocks robuster machen
Covid-19 und der Kriegsausbruch in Osteuropa bedrohen die Ökonomie und damit die Existenz vieler Unternehmen. Wirtschafts- und Rechtsexperte Prof. Dr. Sven-Joachim Otto empfiehlt Unternehmen und Politik, entsprechend strategisch zu reagieren.
Die Pandemie und erst recht der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine haben das Prinzip „Wandel durch Handel“infrage gestellt. Für den Rechtsanwalt und Partner der Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft EY Law Prof. Dr. Sven-Joachim Otto besteht seit dem 24. Februar 2022, dem Beginn des Ukraine-Krieges, eine neue Weltordnung. „Dies ist ein Rückfall in die Zeit des Kalten Krieges vor 1989.“Der Experte gibt zu bedenken, dass die zuletzt oft zitierte Zeitenwende für das globale Wirtschaftssystem drastische Konsequenzen haben werde. Die Entkopplung von Russland mit den damit verbundenen Sanktionen gegenüber dem Aggressor, das künftige Verhältnis des Westens gegenüber der Großmacht China und die US-amerikanische Politik werden seiner Einschätzung nach auch bei vielen Unternehmen hierzulande eine entscheidende Rolle für deren Zukunft spielen. „Die momentane Krisensituation dürfte bei vielen Unternehmen für die kommenden fünf bis zehn Jahre zum Normalzustand werden“, sagt Otto.
Die Firmen müssen ihm zufolge verschiedene Szenarien durchspielen, um deren Widerstandsfähigkeit in der Krise bestmöglich zu stärken. Dies gelte vor allem für Faktoren wie Rohstoffbeschaffung, Energieversorgung, Automobilwirtschaft, Absatzmarkt, Personal oder Logistik: „Unternehmen müssen auf die Disruption der Zeitenwende strategisch reagieren“, so der Jurist und studierte Kaufmann. Auch wenn die Globalisierung der vergangenen 30 Jahre mit der Pandemie und dem Krieg nicht völlig aus dem Gleichgewicht geraten sei: Die weltweite Wertschöpfungskette werde auch in den kommenden Jahren von externen Schocks wie Pandemie und geopolitischen Konflikten nicht verschont bleiben.
„Die Unternehmen sollten jetzt unbedingt ihre Hausaufgaben machen und verschiedene Szenarien betrachten“, unterstreicht Otto. Es gilt also, die Wertschöpfungskette bei der Rohstoff- und Energiebeschaffung und in der Logistikkette unter die Lupe zu nehmen. So kommen die internationalen Handelshäfen im Zuge der Pandemie und des Ukraine-Krieges mit dem Umschlag nicht mehr hinterher. DerWarentransfer ist nicht mehr in dem Maße wie in den vergangenen Jahren möglich. Allein im weltgrößten Hafen Shanghai dauert die Rückkehr zum Normalbetrieb aufgrund des Lockdowns an.
Die Krise bietet laut Otto aber auch Chancen. Als Beispiel nennt er die Baustoffbranche und neue Fördermöglichkeiten für Kies, Sand oder Metalle in der heimischen Region. Der Experte verweist zudem auf eine Studie von EY, die untersucht, wie hierzulande die Dekarbonisierung der Infrastruktur in den nächsten 30 Jahren auf demWeg in die Klimaneutralität gelingen kann. Dabei haben die Fachleute von EY den Markt des rohstoffproduzierenden Sektors analysiert. Einen Ausweg bieten demnach Ressourcen, die noch nicht erschlossen sind.
Unternehmen müssen auf die Disruption der Zeitenwende strategisch reagieren
„Entlang des Rheins befinden sich zum Beispiel größere Mengen an Lithium, die man zutage fördern kann“, erläutert Otto. Das Leichtmetall wird für den Bau von wieder aufladbaren Lithiumakkus benötigt, die vor allem bei Elektrofahrzeugen als nachhaltige Antriebstechnologie der Zukunft gelten. „Wichtig ist hierbei, dass nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Politik auf die Zeichen unserer Zeit reagiert und den rechtlichen Rahmen dafür ebnet. Wir haben uns intensiv mit der Rohstoffpolitik befasst. Ein wichtiges Thema ist hierbei auch die Wiederverwertung“, betont Otto. Unternehmen bräuchten Rechtssicherheit und Verlässlichkeit. „So können wir die Wirtschaft gegen exogene Schocks robuster machen. Eine wichtige Frage ist auch am Ende, wie sich ökonomische und ökologische Risiken reduzieren lassen.“Für ihn ist es spätestens jetzt an der Zeit, sich auf die Gegebenheiten der regionalen und globalen Märkte einzustellen, um sich gegen Dauerkrisen wappnen zu können.