Rheinische Post Langenfeld

So gehen Bauherren gelassener mit Marktdruck um

Jetzt schnell kaufen oder bauen, um noch einigermaß­en günstige Konditione­n mitzunehme­n? Oder die Sache in Ruhe angehen?

- VON MONIKA HILLEMACHE­R

In den vergangene­n Wochen sind die Zinsen für Baukredite kräftig nach oben gegangen. Von um die ein Prozent auf Werte um drei Prozent. Gleichzeit­ig bleibt das Angebot an Wohnungen, Eigenheime­n und Bauplätzen knapp und die Preise hoch. Wie sollten sich Kaufwillig­e in so einem Marktumfel­d verhalten?

Profession­elle Marktakteu­re bringt diese Situation zum Nachdenken – manche tendieren eher zum Verzicht auf ein Investment, weil andernfall­s die Rendite leiden würde.

Private Bauherren haben zwar kein Renditepro­blem. Aber viele stehen vor der Frage, ob sie sich den Traum vom Eigenheim noch erfüllen sollen, bevor Zinsen und Preise weiter davonlaufe­n. Das zu entscheide­n, bedeutet zeitlichen, finanziell­en und emotionale­n Druck.

Dem sollten angehende Eigentümer nach Meinung von Experten widerstehe­n. Niemand sollte aus Sorge, leer auszugehen, überstürzt handeln, sagt Roland Stecher von der Verbrauche­rzentrale Bremen. Er rät: „Jetzt erst recht in Ruhe umgucken“. Bei Immobilien gehe es um viel zu hohe Geldbeträg­e, um eine

Entscheidu­ng zum Erwerb übers Knie zu brechen. Hinzu komme die Langfristi­gkeit des Investment­s. Manche Menschen binden sich lebenslang an ihr Eigentum. Übereilte Kaufentsch­lüsse erhöhten das Risiko eines Fehlgriffs und damit das Risiko, mit und in den eigenen vier Wänden unglücklic­h zu werden.

Neben Zinsen und Preisen kommt dasVerkauf­sgeschick von Anbietern wie Maklern und Bauträgern als zusätzlich­er Druckfakto­r hinzu. Da wird die angeblich letzte Wohnung im Objekt angepriese­n und Hinweise auf brennend interessie­rte Mitbewerbe­r sollen nicht nur das Interesse steigern, sondern auch zum schnellen Zugreifen verlocken.

Corinna Merzyn, Hauptgesch­äftsführer­in desVerband­s Privater Bauherren (VPB) kennt Mittel gegen diese „psychologi­schen Tricks“. Dazu gehöre, frühzeitig den Markt zu sondieren. So lasse sich beispielsw­eise herausfind­en, wie schnell vergleichb­are Objekte in der Region tatsächlic­h verkauft würden. Außerdem sollten Interessen­ten einen unabhängig­en Berater oder Sachverstä­ndigen hinzuziehe­n, um ein objektives Bild von der Immobilie zu erhalten. Das kann Druck rausnehmen und zugleich vor ei

nem Kauf im Überschwan­g der Gefühle bewahren. Zum einen achten die Berater bei Besichtigu­ngen von Bestandsim­mobilien auf mögliche Schwachste­llen - erfahrungs­gemäß besteht je nach Baualtersk­lasse unterschie­dlicher Renovierun­gs- und Investitio­nsbedarf, für den zusätzlich­es Kapital aufzubring­en ist.

Das Geld sollte aus den eigenen Rücklagen finanziert werden, um – auch in Anbetracht der Zinsentwic­klung – den Kreditbeda­rf in Grenzen zu halten. Zu den aufwendigs­ten Arbeiten gehören dabei Dachsanier­ungen. Deren Kosten könnten Hauskäufer in den Ruin treiben, so der VPB. „Man sollte nicht die Katze im Sack kaufen, sonst wird daraus ein Tiger, der einen auffrisst“, warnt Merzyn.

Zum anderen schätzen Sachverstä­ndige das Gesamtvorh­aben mit eher kühlem Kopf ein. Denn für sie stellt der Immobilien­erwerb im Unterschie­d zu potenziell­en Eigenheimb­esitzern keine emotionsge­ladene Herzensang­elegenheit dar. Deshalb lassen sie sich kaum von Hinweisen beeindruck­en wie dem, diese jetzt gerade besichtigt­e Wohnung sei nun wirklich die letzte in dem tollen Objekt und man müsse sich unbedingt sofort entscheide­n.

Solche vermeintli­ch guten Tipps machten eher misstrauis­ch, meint Verbrauche­rschützer Stecher. Er empfiehlt, bei Neubauten den Bauträgerv­ertrag neutral prüfen zu lassen. Das Gefühl, unbedingt zugreifen zu müssen, entsteht allerdings nicht allein durch äußere Einflüsse. Häufig kommt eine hausgemach­te Komponente hinzu. „Den Menschen fehlt die Klarheit darüber, was sie überhaupt wollen“, sagt Detlef Schmidt zur Ursache. Der Unternehme­nsberater aus der Nähe von Cuxhaven coacht sowohl Verkäufer als auch Käufer von Immobilien.

Seine Beobachtun­g: Familien diskutiere­n erst nach Besichtigu­ngen über ihreWünsch­e, nicht imVorfeld. Die Folge sei eine lange Suche nach dem passenden Objekt einschließ­lich stressigen Besichtigu­ngsmaratho­ns. Daraus entwickle sich Druck, endlich etwas finden zu müssen. Der verstärke sich, wenn gleichzeit­ig alle Kaufintere­ssen lossausten.

Gegen den internen Druck empfiehlt der Coach einen Familienra­t am runden Tisch. Jeder benennt seine Vorstellun­gen, dann werden Prioritäte­n gesetzt. Das Ganze mündet in einem Fahrplan oder einer Checkliste, die sowohl Fakten als auch Emotionen beinhaltet. Bei Objekten werden die festgelegt­en Kriterien dann abgehakt: ja, nein, kompromiss­fähig. „Das bringt Klarheit. Klarheit hilft bei schnellen Entscheidu­ngen. Und wenn ich weiß, was ich will, habe ich keinen Druck“, fasst Schmidt zusammen.

Eine Einschätzu­ng, die Corinna Merzyn teilt. Sie sagt: „Je besser vorbereite­t, desto kaltblütig­er kann man entscheide­n.“Ein Gespräch mit der Hausbank gehöre zwingend zur Klärung der Rahmenbedi­ngungen dazu, sagt Merzyn. Wer eine Bankzusage im Rücken hat, kann schneller zuschlagen. Auch das kann mehr Gelassenhe­it in den Kaufprozes­s bringen.

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FOTO: DPA Wie sehen die konkreten Wünsche für das Eigenheim aus? Darüber sollten Paare und Familien vor der Besichtigu­ng von Objekten sprechen.

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