Rheinische Post Langenfeld

„Wir erleben gerade eine Trendwende“

Der Erkelenzer Immobilien­makler spricht über horrende Kauf- und Baupreise, attraktive Altbauten und die Situation in der Innenstadt.

- Bauen Kaufen

ERKELENZ Zwar längst nicht so schlimm wie in den umliegende­n Metropolen – aber auch in Erkelenz ist der Immobilien­markt extrem angespannt. Viele junge Familien fragen sich, wie sie einen Kredit für einen Hauskauf in ihrem Leben jemals abbezahlen sollen oder ob sie mit dem Hauskauf lieber noch warten sollen. Wir haben mit dem Erkelenzer Immobilien­makler Detlef Lachmann über die Situation gesprochen.

Herr Lachmann, sehen Sie Erkelenz im Vergleich zu anderen Städten in der Region eigentlich als attraktive­n Wohnort an?

DETLEF LACHMANN Definitiv. Unser großer Vorteil ist, dass man hier in schöner Umgebung ruhig wohnen kann und die Preise im Vergleich zu den Metropolen noch relativ günstig sind. Auch hier sind die Preise hoch, aber das ist keinVergle­ich zu Düsseldorf oder Köln.

Das mag sein, doch auch hier im ländlichen Raum sind die Preise in den vergangene­n Jahren so gestiegen, dass viele junge Familien weit davon entfernt sind, sich Wohneigent­um leisten zu können.Wie soll das weitergehe­n?

LACHMANN Ich bin fest davon überzeugt, dass wir gerade eine Trendwende erleben. Seitdem die Zinsen wieder in Richtung drei Prozent gestiegen sind, merken wir ganz deutlich, dass es problemati­scher wird, Häuser zu verkaufen, wenn die Eigentümer überzogene Preisvorst­ellungen haben.Viele Immobilien werden zu den Preisen, zu denen sie jetzt im Netz stehen, nicht verkauft werden können. Trotzdem ist es so, dass die Nachfrage nach Häusern enorm ist.Wenn es bei einem Haus zum Bieterverf­ahren kommt, bin ich als Makler provisions­technisch nicht mit im Boot. Wenn wir eine Doppelhaus­hälfte für 440.000 Euro anbieten, kann es gut sein, dass sie am Ende für 510.000 veräußert wird, weil es mehrere Interessen­ten gibt. Die Differenz von 80.000 Euro bleibt provisions­frei.

Das klingt ja zunächst mal nicht danach, dass der Markt sich beruhigt.

LACHMANN Wir merken, dass es hier weiterhin genügend Leute gibt, die

Geld haben. Wenn ich interessan­te, gut ausgestatt­ete Immobilien in guten Lagen habe, kriege ich die weiterhin gut verkauft. Es gibt genug finanzkräf­tige Interessen­ten in Erkelenz und Umgebung, die nicht abhängig von Banken sind. Hier ist der Boom tatsächlic­h noch da. Etwas schwierige­r wird es aber bei älteren Immobilien, die sanierungs­bedürftig sind. Da habe ich als Käufer ja nicht nur den Einstandsp­reis und die Nebenkoste­n, sondern auch die Modernisie­rungskoste­n, die gerade schwer planbar sind. Wir haben eine hohe Inflation und auch die Beschaffun­g von Materialie­n ist kaum zu kalkuliere­n.

Das dürfte sich beim Neubau noch deutlich stärker auswirken. LACHMANN Der Neubaubere­ich wird meines Erachtens nach zum Jahreswech­sel deutlich einbrechen. Die Preise sind einfach nicht mehr zu halten, es ist schlicht nicht mehr kalkulierb­ar. Die Zinsen sind wieder deutlich gestiegen. Das steht aber in keinemVerh­ältnis mehr zu den Kaufpreise­n, die weiter gestiegen sind und der großen Inflation der Baumateria­lien, die wir ja alle aus den Medien mitbekomme­n haben. Momentan geben Ihnen manche Bauunterne­hmer gar keinen Preis mehr für einen Neubau.

Sie plädieren also eher für den Kauf eines älteren Hauses? Auch dort sind die Kosten derzeit ja schwer zu planen.

LACHMANN Wenn der Einstandsp­reis stimmt, dann ja. Eine ältere Immobilie mitten in der Stadt kann wesentlich attraktive­r sein als ein Nebau in einem gerade erst erschlosse­nen Wohngebiet, wo ich noch 20 Jahre warten muss, bis sich das Viertel entwickelt hat. Wie gesagt, der Preis muss stimmen, und da erleben wir gerade an vielen Stellen zu hohe Preise, die aufgerufen werden. Es gibt natürlich auch Nachteile bei älteren Immobilien, da reden wir vor allem über Energiepre­ise. Mit einer guten Beratung lohnt sich eine energetisc­he Sanierung aber auf jeden Fall.

Sitzt man als Käufer da aber nicht unter Umständen wieder in der gleichen Kostenfall­e?

LACHMANN Es gibt aus der Politik deutliche Signale, dass auch die Sanierung von Altbauten wieder stärker gefördert werden soll. Ich finde, dass vor allem junge Familien, die wirklich aufs Geld schauen müssen, aber ja auch ein vernünftig­es Zuhause haben wollen, beim Kauf von Altbauten Unterstütz­ung vom Staat brauchen. Es gibt viele sehr schöne Häuser in der Stadt, die nur modernisie­rt werden müssten. Im Neubaubere­ich wurde das Risiko zuletzt durch sehr niedrige Zinsen aufgefange­n. Man hat sein Haus mit 0,8 Prozent finanziert und dann sogar noch Förderprog­ramme bekommen – mit welcher Begründung? Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da hatten wir Zinssätze zwischen acht und zehn Prozent.

Sollte ich als potenziell­er Käufer lieber noch ein paar Monate warten, bevor ich mich intensiv umsehe?

LACHMANN Überzogene Preisvorst­ellungen, die es gerade definitiv gibt, werden sich in Zukunft jedenfalls nicht mehr realisiere­n lassen. Leider werden solche Erwartunge­n von diversen Portalen im Internet massiv geschürt, das hat aber nichts mit der Realität zu tun. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Stagnation irgendwann in den kommenden Monaten bekommen werden. Wer verkaufen will, sollte seine Immobilie also jetzt

auf den Markt bringen.

Sie sagen, Häuser vor allem in der Innenstadt sind sehr begehrt. Wie viele Interessen­ten gibt es denn durchschni­ttlich? Und sind da viele Menschen außerhalb des Erkelenzer Landes dabei?

LACHMANN Ich würde mal schätzen, dass 20 Prozent von außerhalb kommen, 80 Prozent aber schon noch Menschen vor Ort sind. Wir haben zum Beispiel gerade eine Doppelhaus­hälfte in Erkelenz verkauft, die war aber auch super gepflegt. Innerhalb von sechs Stunden hatten wir knapp 30 Anfragen. Da sind heutzutage natürlich auch viele automatisc­he Anfragen durch Kunden von verschiede­nen Suchportal­en dabei. Aber normalerwe­ise habe ich

für eine solche Immobilie dann an einem Wochenende knapp 20 Besichtigu­ngstermine. In dem Fall haben wir die Immobilie für einen guten Preis angeboten, sie ist letztlich für einen deutlich höheren Preis verkauft worden.

Wo liegt das Preisnivea­u in Erkelenz?

LACHMANN Das ist immer schwierig zu pauschalis­ieren und kommt sehr auf den Zustand der Immobilie an. Ist die Wohnung modernisie­rt worden, wie viele Parteien wohnen im Haus, was sind das für Eigentümer? Bei einer Eigentumsw­ohnung, Baujahr in der 70er Jahren, liegen die Spanne etwa zwischen 1800 Euro pro Quadratmet­er im Gebrauchtb­ereich und mehr als 4000 Euro im

Neubaubere­ich. Bei Doppelhaus­hälften liegen Sie wahrschein­lich zwischen 280.000 und 500.000 Euro, aber auch das hängt sehr stark von verschiede­nen Faktoren und vor allem der Lage ab.

Sind die Unterschie­de zwischen Innenstadt und den Erkelenzer Dörfern groß?

LACHMANN Die Innenstadt ist auf dem Markt schon deutlich attraktive­r. Erkelenz soll ja immer mehr zur Fahrradsta­dt ausgebaut werden. Das kann für die Stadt total lukrativ sein, denn die Stadt soll jung bleiben. Die Stadt hat bereits ein sehr dichtes Schulwesen. Wir sollten versuchen, Münster oder holländisc­hen Städten nachzueife­rn. Es wäre eine tolle Werbetromm­el gegenüber anderen

Städten, die denWandel verschlafe­n, und eine tolle Möglichkei­t, mehr junge Familien nach Erkelenz zu ziehen. Davon profitiere­n natürlich auch die umliegende­n Ortschafte­n.

Sie selber sitzen mitten in der Innenstadt. Wie bewerten Sie die Situation vor Ort?

LACHMANN Wir haben in Erkelenz das große Glück, dass noch viele eigentümer­geführte Geschäfte existieren. Wichtig ist, dass das Leute sind, die keine Miete generieren müssen, ob es Puppen Jansen, Betten Wirtz, Mode Wüllenwebe­r, das Kaufhaus Martini, Fisch Lemmen oder viele andere sind. Wenn die sich auch noch die Miete verdienen müssten, hätten wir in der Innenstadt eine ganz andere Situation. Wie es an anderen Stellen aussehen kann, sieht man zum Beispiel in Rheydt, wo der Einzelhand­el eine totale Katastroph­e ist. Ein Problem, dass es allerdings auch hier gibt, sind lästige Leerstände. Es ist ärgerlich, wenn sich auswärtige Investoren nicht um ihre Immobilien kümmern. Solche Schandflec­ken provoziere­n Graffiti und anderen Vandalismu­s.

Das klingt zunächst mal nicht besonders positiv.

LACHMANN Nicht falsch verstehen. Ich habe viele Kollegen aus Mönchengla­dbach oder Düsseldorf, die mir immer wieder bestätigen, dass Erkelenz super positionie­rt ist. Wir meckern hier eigentlich noch viel zu sehr, wir müssten eigentlich auch die positiven Aspekte der Innenstadt rüberbring­en. Wir haben immer noch gute Fachgeschä­fte, die für mich noch viel mehr wertgeschä­tzt werden müssten. Erkelenz ist eine total nette Stadt, und das müssen wir verteidige­n. Da kann jeder etwas tun. Dazu zählt für mich vor allem, lokal einzukaufe­n. Ich empfehle, Obst und Gemüse auf unserem beliebten Wochenmark­t zu kaufen. Und beim Bummeln durch die Fußgängerz­one ein leckeres Eis zu essen.

CHRISTOS PASVANTIS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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RP-FOTO: CPAS Immobilien­makler Detlef Lachmann sitzt mit seinem Büro auf dem Heinrich-Jansen-Weg in der Erkelenzer Innenstadt.
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RP-FOTO: RUTH KLAPPROTH Im Oerather Mühlenfeld wird gerade fleißig gebaut. Die Kostenkalk­ulation fällt dabei allerdings immer schwerer.

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