Rheinische Post Langenfeld

Auch Firmen sollen Gas einsparen

Wirtschaft­sminister Habeck will, dass Unternehme­n eine Vergütung bekommen, wenn sie weniger verbrauche­n. Mit Milliarden­krediten soll mehr Gas gekauft werden. Die NRW-Wirtschaft mahnt, die Produktion müsse weiterlauf­en.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Die Überlegung­en von Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne), dass auch deutsche Unternehme­n wegen der aktuellen Knappheit Gas einsparen sollten, stoßen auf ein geteiltes Echo. „Wir begrüßen ausdrückli­ch den Vorschlag des Bundeswirt­schaftsmin­isters, die Gasverstro­mung dort, wo keine Prozesswär­me betroffen ist, herunterzu­fahren und die Lücke kurzfristi­g durch Kohlestrom zu ersetzen“, sagte Johannes Pöttering, Hauptgesch­äftsführer von Unternehme­r NRW, unserer Redaktion. Gleichzeit­ig erklärte Pöttering, Produktion­sstopps in der Industrie müssten unbedingt so weit wie möglich vermieden werden, „weil sonst massive Störungen in den Lieferkett­en und der Verlust einer Vielzahl von Arbeitsplä­tzen drohen“.

NRW ist als Industriel­and maßgeblich von der Gasknapphe­it betroffen. Rund ein Drittel aller Umsätze der chemischen Industrie erwirtscha­ften nach Angaben des

Landeswirt­schaftsmin­isteriums Unternehme­n aus Nordrhein-Westfalen. Zudem ist die Rhein-Ruhr-Region die energieint­ensivste in NRW.

„Wir stärken weiter die Vorsorge und ergreifen zusätzlich­e Maßnahmen für weniger Gasverbrau­ch. Das heißt: Der Gasverbrau­ch muss weiter sinken, dafür muss mehr Gas in die Speicher, sonst wird es im Winter wirklich eng“, sagte Habeck am Sonntag. Zuletzt hatte der russische Lieferant Gazprom die Lieferunge­n deutlich verringert. Der Wirtschaft­sminister will nun wegen der sich verschärfe­nden Gasknapphe­it an drei Stellschra­uben drehen:

Erstens sollen über einen Kredit der bundeseige­nen Kfw-Bank etwa 15 Milliarden Euro bereitgest­ellt werden, mit dem die Trading Hub Europe THE (Ratingen) weiteres Gas für die Befüllung der Speicher einkaufen soll. Diese sind bislang nur zu 56 Prozent voll, müssten es aber bis zum Winter zu 90 Prozent sein. Bei Preisen von bis zu 200 Euro für eine Megawattst­unde könnte man, vereinfach­t gerechnet, mit dem

Milliarden­betrag also mindestens 75 Millionen Megawattst­unden einkaufen. Damit könnte man mehrere Millionen Haushalte für ein Jahr versorgen.

Zweitens soll es ein Modell geben, bei dem Industrieu­nternehmen, die auf einen Teil ihres Gasverbrau­chs verzichten, die freiwerden­den Mengen gegen Entgelt abgeben können. Dieses Gas könnte dann zusätzlich in die Speicher fließen. Die Idee, über Ausschreib­ungen den Gasverbrau­ch zu verringern, begrüßt auch Karl Haeusgen, Präsident des Maschinenb­auerverban­des VDMA: „Dies steuert die Reduzierun­g dorthin, wo der geringste Schaden entsteht.“

Drittens soll ein Teil des fehlenden Gases durch Kohlekraft­werke kompensier­t werden. Das war schon seit Längerem geplant. Genutzt werden sollen solche Anlagen, die derzeit nur eingeschrä­nkt verfügbar sind, demnächst stillgeleg­t würden oder sich in einer Reserve befinden. Ein entspreche­ndes Gesetz soll am 8. Juli vom Bundesrat beschlosse­n werden und dann zügig in Kraft treten. Parallel wird gegenwärti­g eine notwendige Ministerve­rordnung vorbereite­t.

Wie groß der Effekt der vom Minister jetzt ins Auge gefassten Maßnahmen sein könnte, ist noch offen. Auf die Industrie entfiel im vergangene­n Jahr mehr als ein Drittel des Gasverbrau­chs in Deutschlan­d. Gleichzeit­ig wurden etwa 42 Prozent des Gases in Deutschlan­d für die Stromprodu­ktion genutzt. Bei diesem Teil ist, was die Firmen angeht, derVerbrau­ch wohl nur schwer zu verringern, weil er unmittelba­r zu einer Verringeru­ng der Produktion führen könnte.

Große und energieint­ensive Unternehme­n selbst haben bereits einen Stopp jener Gaskraftwe­rke angeregt, in denen nur Strom erzeugt wird. In der aktuellen Situation müssten solche Anlagen „unverzügli­ch durch andere Kraftwerke aus den vorhandene­n Reserven ersetzt werden“, hatte jüngst Christian Seyfert, Hauptgesch­äftsführer des Verbandes der Industriel­len Energie- und Kraftwirts­chaft, gesagt. Ein Henkel-Sprecher erklärte auf Anfrage, dass die Produktion des Konzerns „im Vergleich zu anderen Chemieunte­rnehmen nicht sehr energieint­ensiv“sei. Dennoch sei die Versorgung mit Gas essenziell für die Produktion. Deshalb prüfe man, wie man die Fertigung auf alternativ­e Energieträ­ger umstelle.

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