Auch Firmen sollen Gas einsparen
Wirtschaftsminister Habeck will, dass Unternehmen eine Vergütung bekommen, wenn sie weniger verbrauchen. Mit Milliardenkrediten soll mehr Gas gekauft werden. Die NRW-Wirtschaft mahnt, die Produktion müsse weiterlaufen.
DÜSSELDORF Die Überlegungen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), dass auch deutsche Unternehmen wegen der aktuellen Knappheit Gas einsparen sollten, stoßen auf ein geteiltes Echo. „Wir begrüßen ausdrücklich den Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers, die Gasverstromung dort, wo keine Prozesswärme betroffen ist, herunterzufahren und die Lücke kurzfristig durch Kohlestrom zu ersetzen“, sagte Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer von Unternehmer NRW, unserer Redaktion. Gleichzeitig erklärte Pöttering, Produktionsstopps in der Industrie müssten unbedingt so weit wie möglich vermieden werden, „weil sonst massive Störungen in den Lieferketten und der Verlust einer Vielzahl von Arbeitsplätzen drohen“.
NRW ist als Industrieland maßgeblich von der Gasknappheit betroffen. Rund ein Drittel aller Umsätze der chemischen Industrie erwirtschaften nach Angaben des
Landeswirtschaftsministeriums Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen. Zudem ist die Rhein-Ruhr-Region die energieintensivste in NRW.
„Wir stärken weiter die Vorsorge und ergreifen zusätzliche Maßnahmen für weniger Gasverbrauch. Das heißt: Der Gasverbrauch muss weiter sinken, dafür muss mehr Gas in die Speicher, sonst wird es im Winter wirklich eng“, sagte Habeck am Sonntag. Zuletzt hatte der russische Lieferant Gazprom die Lieferungen deutlich verringert. Der Wirtschaftsminister will nun wegen der sich verschärfenden Gasknappheit an drei Stellschrauben drehen:
Erstens sollen über einen Kredit der bundeseigenen Kfw-Bank etwa 15 Milliarden Euro bereitgestellt werden, mit dem die Trading Hub Europe THE (Ratingen) weiteres Gas für die Befüllung der Speicher einkaufen soll. Diese sind bislang nur zu 56 Prozent voll, müssten es aber bis zum Winter zu 90 Prozent sein. Bei Preisen von bis zu 200 Euro für eine Megawattstunde könnte man, vereinfacht gerechnet, mit dem
Milliardenbetrag also mindestens 75 Millionen Megawattstunden einkaufen. Damit könnte man mehrere Millionen Haushalte für ein Jahr versorgen.
Zweitens soll es ein Modell geben, bei dem Industrieunternehmen, die auf einen Teil ihres Gasverbrauchs verzichten, die freiwerdenden Mengen gegen Entgelt abgeben können. Dieses Gas könnte dann zusätzlich in die Speicher fließen. Die Idee, über Ausschreibungen den Gasverbrauch zu verringern, begrüßt auch Karl Haeusgen, Präsident des Maschinenbauerverbandes VDMA: „Dies steuert die Reduzierung dorthin, wo der geringste Schaden entsteht.“
Drittens soll ein Teil des fehlenden Gases durch Kohlekraftwerke kompensiert werden. Das war schon seit Längerem geplant. Genutzt werden sollen solche Anlagen, die derzeit nur eingeschränkt verfügbar sind, demnächst stillgelegt würden oder sich in einer Reserve befinden. Ein entsprechendes Gesetz soll am 8. Juli vom Bundesrat beschlossen werden und dann zügig in Kraft treten. Parallel wird gegenwärtig eine notwendige Ministerverordnung vorbereitet.
Wie groß der Effekt der vom Minister jetzt ins Auge gefassten Maßnahmen sein könnte, ist noch offen. Auf die Industrie entfiel im vergangenen Jahr mehr als ein Drittel des Gasverbrauchs in Deutschland. Gleichzeitig wurden etwa 42 Prozent des Gases in Deutschland für die Stromproduktion genutzt. Bei diesem Teil ist, was die Firmen angeht, derVerbrauch wohl nur schwer zu verringern, weil er unmittelbar zu einer Verringerung der Produktion führen könnte.
Große und energieintensive Unternehmen selbst haben bereits einen Stopp jener Gaskraftwerke angeregt, in denen nur Strom erzeugt wird. In der aktuellen Situation müssten solche Anlagen „unverzüglich durch andere Kraftwerke aus den vorhandenen Reserven ersetzt werden“, hatte jüngst Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft, gesagt. Ein Henkel-Sprecher erklärte auf Anfrage, dass die Produktion des Konzerns „im Vergleich zu anderen Chemieunternehmen nicht sehr energieintensiv“sei. Dennoch sei die Versorgung mit Gas essenziell für die Produktion. Deshalb prüfe man, wie man die Fertigung auf alternative Energieträger umstelle.