Nato rechnet mit jahrelangem Krieg
Russland konzentriert seine Offensive im Donbass und rückt wieder auf Charkiw vor.
KIEW/BERLIN (rtr) Der Krieg in der Ukraine könnte nach Einschätzung der Nato noch Jahre dauern. Darauf müsse man sich vorbereiten, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg der „Bild am Sonntag“. „Wir dürfen nicht nachlassen, die Ukraine zu unterstützen.“Auch wenn die Kosten hoch seien, „nicht nur für die militärische Unterstützung, auch wegen der steigenden Energie- und Lebensmittelpreise“, so Stoltenberg. Das sei aber kein Vergleich zu dem Preis, den die Ukrainer jeden Tag mit vielen Menschenleben zahlen müssten. Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin aus diesem Krieg die Lehre ziehe, dass er so weitermachen könne wie nach dem Georgien-Krieg 2008 und der Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim 2014, „dann bezahlen wir einen viel höheren Preis“.
Auch nach der Einschätzung von Boris Johnson muss sich der Westen auf einen langen Krieg einstellen. Dies bedeute sicherzustellen, dass „die Ukraine schneller Waffen, Ausrüstung, Munition und Ausbildung erhält als der Eindringling“, schrieb der britische Premierminister in einem Gastbeitrag für die Londoner „Sunday Times“. „Zeit ist der entscheidende Faktor“, heißt es darin weiter. „Alles wird davon abhängen, ob die Ukraine ihre Fähigkeit, ihr Territorium zu verteidigen, schneller stärken kann, als Russland seine Angriffsfähigkeit erneuern kann.“
Die russischen Truppen haben derweil ihre Angriffe im Osten der Ukraine verstärkt. So lag die Industriestadt Sjewjerodonezk nach Angaben des ukrainischen Militärs unter schwerem Artillerie- und Raketenbeschuss. „Der Kampf um die vollständige Kontrolle über die Stadt geht weiter“, erklärte der Generalstab. Das Asot-Chemiewerk, in dem Hunderte Menschen ausharren, sei zweimal getroffen worden. Die Stadt liegt in der Region Luhansk, die mit der Region Donezk den Donbass bildet. Dort konzentriert Russland seine Offensive. Die russischen Truppen versuchten dem ukrainischen
Innenministerium zufolge aber auch, auf Charkiw vorzurücken und die Stadt erneut zu bombardieren. Die Lage nördlich von Charkiw sei ziemlich schwierig, sagte Wadym Denysenko, ein Berater des Ministeriums, im ukrainischen Fernsehen: „Russland versucht, Charkiw zu einer Stadt an vorderster Front zu machen.“
Nach Angaben desVerteidigungsministeriums in Moskau haben die russischen Truppen in Charkiw ein Panzer-Reparaturwerk mit Iskander-Raketen beschossen. Zudem seien in Mykolajiw zehn Haubitzen und bis zu 20 Militärfahrzeuge zerstört worden. Dieses Kriegsgerät sei in den vergangenen zehn Tagen von westlichen Ländern an die Ukraine geliefert worden.