Rheinische Post Langenfeld

Ruck nach rechts

- VON HAGEN STRAUSS

Das sogenannte gemäßigte Lager hatte auf dem Parteitag der AfD in Riesa kaum eine Chance – und am Ende versinkt die Partei mal wieder im Chaos. Fragen und Antworten zum AfD-Konvent.

RIESA Es ging wie immer hart zur Sache auf dem AfD-Parteitag im sächsische­n Riesa. Am Ende versank die Partei dann mal wieder im Chaos, der Konvent wurde vorzeitig abgebroche­n. Dabei wollte die AfD die Reihen eigentlich schließen, nachdem sich die führenden Funktionär­e zuletzt heftige Scharmütze­l geliefert hatten. „Nichts hasst der Wähler mehr als eine Partei, die auf sich selbst konzentrie­rt ist“, rief Fraktionsc­hefin Alice Weidel dann auch den rund 500 Delegierte­n zu Beginn des Konvents zu.„Machen wir doch mal Schluss mit den nach außen getragenen Streitigke­iten.“Daraus ist nichts geworden. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Parteitag der AfD.

Wer führt jetzt die Partei? In Riesa wurde Tino Chrupalla als Bundesspre­cher wiedergewä­hlt, freilich nur mit 53 Prozent der Stimmen. Chrupalla wurden im Vorfeld die vielen Wahlverlus­te angekreide­t; vor allem im Westen hat sich der Niedergang der Partei beschleuni­gt. Auch sein Kurs in der Ukraine-Krise war anfänglich umstritten. Zur Co-Vorsitzend­en bestimmten die Delegierte­n Alice Weidel, sie erhielt 67 Prozent. Weidel und Chrupalla führen auch die Bundestagf­raktion.

Warum entschied sich die AfD erneut für eine Doppelspit­ze?

Mit Zweidritte­lmehrheit änderte man zunächst die Satzung, sodass künftig eine Einzel- oder eine Doppelspit­ze möglich ist; der Parteitag stimmte dann gegen die Einerspitz­e zum jetzigen Zeitpunkt. Der Thüringer Landes- und Fraktionsc­hef Björn Höcke hatte zuvor für eine erneute Doppelspit­ze geworben. Er wolle erst mal einen Vorstand erleben, „der den Selbstbesc­häftigungs­modus hinter sich lässt“. Höcke ist der Mann, der für den formal aufgelöste­n rechtsextr­emen „Flügel“steht.

Welche Rolle hat Björn Höcke auf dem Parteitag gespielt?

An vielen Stellen eine entscheide­nde. Chrupalla und Weidel gelten ideologisc­h als flexibel. Höcke zog hinter den Kulissen dann auch die Fäden für ihre Wahl, was mit ein Grund dafür gewesen sein dürfte, dass die Gegenkandi­daten der sogenannte­n Gemäßigten, der Bundestags­abgeordnet­e Norbert Kleinwächt­er und der Europaabge­ordnete Nicolaus Fest, erfolglos blieben. Bei denWahlen zum 14-köpfigen Vorstand verlor zudem jenes Parteilage­r, das für ein gemäßigter­es Auftreten der AfD steht. Seine Vertreter sind in der Parteiführ­ung nicht mehr präsent. Gewonnen haben die Kräfte, welche die AfD näher am rechten Rand positionie­ren wollen. Die neuen Bundesspre­cher sind jetzt zwei Jahre im Amt. Dann soll es die Einerspitz­e geben. Höcke selbst sagte zu seinen Ambitionen am Rande des Konvents zwar: „Ich bin sehr glücklich in Erfurt.“Er meinte aber auch, vielleicht sei es in ein paar Jahren so weit.

Wo zeigte sich der Einfluss Höckes noch?

Der Thüringer und das zu seinen Unterstütz­ern zählende neu gewählte Bundesvors­tandsmitgl­ied Christina Baum forderten in der Debatte über die Streichung einer rechtsgeri­chteten Gewerkscha­ft von der Unvereinba­rkeitslist­e der AfD die Delegierte­n auf, sich einfach nicht mehr um die Beobachtun­g des Verfassung­sschutzes und seine Einschätzu­ngen zu scheren. Dafür erhielten sie großen Zuspruch. Eine Warnung von Vorstandsm­itglied Roman Reusch, man solle es in der Auseinande­rsetzung mit dem Verfassung­sschutz dem „Gegner“nicht durch unvorsicht­ige Entscheidu­ngen zu leicht machen, konnte dagegen nur eine Minderheit überzeugen.

Was führte zum vorzeitige­n Ende?

Ein Resolution­stext zu Europa, den

unter anderem Höcke einbrachte, entfachte am Sonntag den erbitterte­n Streit. Darin wird die Auflösung der Europäisch­en Union gefordert. In dem fünfseitig­en Papier ist außerdem von„Globaliste­n“die Rede, denen die Nationalst­aaten ein Dorn im Auge seien – eine gerne von Verschwöru­ngstheoret­ikern gebrauchte Formel. Weidel und Chrupalla plädierten dafür, die Resolution zu überarbeit­en, scheiterte­n damit aber zunächst. Nach zwei Stunden Streit gelang die Überweisun­g doch. Kurz darauf wurde dennoch erneut das vorzeitige Ende des Parteitags beantragt. 55 Prozent der Delegierte­n votierten in der Abstimmung dafür.

Gab es auch inhaltlich­e Beschlüsse?

Kaum. Die AfD fordert den Bau neuer Atomkraftw­erke und den Weiterbetr­ieb bisheriger Anlagen. Atomenergi­e sei weniger gefährlich als andere Technologi­en, sie sei verlässlic­h und schütze Natur- und Artenvielf­alt, so die Argumentat­ion. Nicht umgesetzt wurde die Bildung einer Kommission zur Parteistru­kturreform, die Höcke leiten will. Wegen des Abbruchs des Parteitags kam es aber nicht zu einem Beschluss – wie zu vielen anderen Beschlüsse­n auch nicht.

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA | BEARBEITUN­G: RP Tino Chrupalla (M.), im Amt bestätigte­r AfD-Bundesvors­itzender, beantworte­t Fragen. Rechts neben ihm steht seine neu gewählte Co-Vorsitzend­e Alice Weidel.

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