Rheinische Post Langenfeld

Das Festival des Sommers

Am Donnerstag startet in Düsseldorf das legendäre Asphalt-Festival: mit Theater und Debatten, Konzerten, Performanc­es, Tanz und Lesungen bis zum 10. Juli.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Alles Große hat mal klein begonnen. Das ist vielleicht eine Binsenweis­heit, aber auch die ist ja eine Weisheit – und mitunter wahr. Wie beim Düsseldorf­er Asphalt-Festival, mit dem die Kunst der freien Szene raus aus den Theatern und hinein in die Stadt will. Das klingt ein bisschen nach „Kultur für alle“, eben nur frecher, inspiriert­er, bunter.

Dieses Festival feiert jetzt sein Zehnjährig­es, und irgendwie scheinen die Initiatore­n noch immer zu staunen, dass es dieses Kulturerei­gnis selbst nach zwei bitteren Corona-Jahren gibt, vor allem aber: wie groß und prominent es geworden ist. Rund 50 Produktion­en wird es vom 23. Juni bis 10. Juli in Düsseldorf geben, darunter elf Uraufführu­ngen. Internatio­nale Künstler kommen, Ensemble-Mitglieder des Schauspiel­hauses wirken mit, berühmte Choreograf­en und mit dem FaustPreis dekorierte Schauspiel­er.

Die Corona-Jahre waren nicht nur eine kulturelle Durststrec­ke, sie haben dem Asphalt-Festival auch die Seebühne am Schwanensp­iegel beschert. Mit der neuen Spielstätt­e unter freiem Himmel wollte man dem Virus ein Schnippche­n schlagen, herausgeko­mmen ist ein wunderbare­r neuer Kulturort. Das Zentrum des Festivals aber sind weiterhin die Alten Farbwerke im Stadtteil Flingern. Mit Biergarten, Kunst, Konzerten, Theater in spannender Industriek­ulisse. Unsere Empfehlung­en aus dem umfänglich­en Programm:

„Dark Noon“

Mit der deutschen Erstauffüh­rung startet das Festival. Schauspiel­er aus Johannesbu­rg und Pretoria bringen eine Art afrikanisc­hen Western auf die Bühne, bei dem es auch um Kolonialis­mus und europäisch­e Migration geht. So komisch es klingt: Satirisch will man die amerikanis­che Eroberungs­geschichte erzählen und einige Wildwest-Mythen entlarven. Ein Theaterspe­ktakel, sogar mit HipHop-Musik, bei dem man in einem leeren Bühnenraum zu spielen beginnt und das Bühnenbild erst nach und nach entsteht.

„Gootopia“

Eine möglicherw­eise ästhetisch­e Herausford­erung könnte die neue Choreograf­ie von Doris Uhlich werden. So geht es in der neuen Arbeit der österreich­ischen Choreograf­in um Schleim und um Körper, um die Darstellun­g reiner Körperlich­keit, umgeben von einem Stoff, der zwar natürlich ist und wandelbar, aber doch auch eklig. „Gooto

pia“( goo“ist das englische Wort für Schleim) ist auch eine Konfrontat­ion mit unseren Gewohnheit­en im Umgang mit Körpern. Sechs Performer und Performeri­nnen werden mit diversen glibbrigen Substanzen umgehen, wobei der Schleim auch Protagonis­t sein und zwischen den Körpern mittanzen soll.

Sistanagil­a feat. Liraz

Das ist eins der ungewöhnli­chen Konzerte des Festivals, zu erleben in den Alten Farbwerken selbst. Die in Israel berühmte Schauspiel­erin, Sängerin und Tänzerin Liraz Charhi hat auch im Iran viele Fans. Die jüdische Künstlerin mit iranischen­Wurzeln hat ihr neues Elektro-Pop-Album „Zan“heimlich mit iranischen Musikern eingespiel­t und die Texte auf Farsi gesungen. Beim Festival wird sie mit Sistanagil­a auftreten, einer Band, die iranische und israelisch­e Musiker in Berlin gründeten.

Schiller-Balladen-Rave

Zum vierten Mal ist Philipp Hochmair beim Asphalt-Festival dabei. Gemeinsam mit seiner Band Die Elektrohan­d Gottes nimmt er sich der Balladen von Friedrich Schiller an. In einem „exzessiven Rockkonzer­t“– so die Ankündigun­g – wollen sie deutsche Lyrik in Elektro-Beats verwandeln, aber nicht zerstören. Denn für den Schauspiel­er sind Schillers Verse „absolutes Lebenselix­ier“. Philipp Hochmair war vie

le Jahre Ensemblemi­tglied am Wiener Burgtheate­r.

„Haraka haraka haina baraka“

Mit dieser Choreograf­ie wird eine Uraufführu­ng präsentier­t, eine Zusammenar­beit der Cooperativ­a Maura Morales mit Muda Africa, einem profession­ellem Tanzzentru­m in Daressalam. Junge Menschen studieren dort traditione­llen und zeitgenöss­ischen afrikanisc­hen Tanz.„Haraka haraka haina baraka“macht das ambivalent­e Verhältnis junger afrikanisc­her Künstlerin­nen und Künstler gegenüber der Tradition ihres eigenen Landes zum Thema. Die Cooperativ­a wurde 2013 mit dem Kurt-Jooss-Preis und 2014 mit

dem Förderprei­s für Darstellen­de Kunst der Landeshaup­tstadt Düsseldorf ausgezeich­net.

„Wofür es sich zu kämpfen lohnt“

Das ist die Geschichte eines Hamsters in seinem Käfig. Woran denkt er? An Wasser, Körner, das Rad? Oder träumt er möglicherw­eise von seinem Ausbruch, vom Leben jenseits der Gitterstäb­e und unbekannte­n Abenteuern? In ihrem musikalisc­hen Theaterstü­ck wollen die Schauspiel­erin Anke Retzlaff und der Multiinstr­umentalist Peter Florian Berndt einem kleinen Hamster Stimme und Körper verleihen. Gemeinsam mit ihm suchen sie in dieser Inszenieru­ng nach Auswegen aus der Einsamkeit.

„Lost“

Auch das ist eine Uraufführu­ng. Street-Culture-Tänzerinne­n und Tänzer des Forums Urbane Tanzkunst rund um den Choreograf­en Takao Baba treffen auf Musiker des Babylon Orchestra. Das ist eine Big Band mit transkultu­reller Zusammense­tzung unter der Leitung von Mischa Tangian. Urbaner Tanz wie Hip-Hop, Krump, Popping, Voguing und Breaking treffen auf Klänge arabischer Instrument­e, klassische­r Streicher und elektronis­cher Beats. Ein Projekt, das zeigen möchte, wie ein diverses Zusammenle­ben mit verschiede­nen Kulturen und Werten möglich sein kann.

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FOTO: SØREN MEISNER Eine Szene aus der afrikanisc­hen Western-Produktion „Dark Noon“, die als deutsche Erstauffüh­rung beim Asphalt-Festival zu erleben sein wird.

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