Hilfe für den Vollmacht-Dschungel
Welche Dokumente jeder für den Notfall in der Schublade haben sollte, erklärt Christa Pott vom Betreuungsverein.
LEICHLINGEN Papa ist unerwartet ins Krankenhaus gekommen. Bislang war er fit. Wer darf nun für ihn Geld vom Bankkonto abheben oder seine Post aus dem Postfach holen? Und mit wem dürfen die Ärzte über seinen Gesundheitszustand sprechen? Keine einfache Angelegenheit, wenn nicht schon vorher Regelungen für den Fall der Fälle getroffen wurden. Denn selbst die Ehefrau ist nicht automatisch auskunfts- oder verfügungsberechtigt. Christa Pott vom Betreuungsverein im Diakonischen Werk Leverkusen erklärt, welche Vollmachten jeder zur Sicherheit in einem Ordner haben sollte. Die Diplom-Sozialpädagogin berät seit Jahren regelmäßig in Leichlingen, Burscheid und Leverkusen dazu.
Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung – woher weiß ich, welches Formular für mich das richtige ist? Christa Pott Das Thema ist sehr umfangreich. Deshalb sollte man versuchen, eine Beratung zu bekommen. Denn im Internet gibt es zwar eine Menge an Informationen, die aber eher verwirren, wenn man sich damit noch nicht befasst hat.
Welches Dokument ist das allerwichtigste?
Pott Es gibt mehrere wichtige. In einer Patientenverfügung lege ich fest, wie ich im Krankheitsfall behandelt werden möchte, wenn ich es sprachlich oder gedanklich nicht mehr äußern kann. Unser medizinisches System ist so ausgelegt, dass wir so lange wie möglich am Leben gehalten werden. Wenn ich das nicht will, weil es zum Beispiel keine Chance mehr auf Heilung gibt, muss das ausdrücklich in der Patientenverfügung stehen. In einer Vorsorgevollmacht gebe ich zu einem Zeitpunkt, zu dem ich noch fit bin, jemandem die volle Macht über meine Angelegenheiten, wie das WortVollmacht schon sagt. Das können der Partner oder die Partnerin oder ein oder mehrere Kinder sein. Auf jeden Fall sollte es jemand sein, zu dem ich volles Vertrauen habe.
Ich lege in dem Dokument also fest, wer meine Wünsche für mich vertritt. Wenn kein Bevollmächtigter bestimmt ist, bestellt das Amtsgericht eine Person.
Nicht jeder hat Familie. Was macht man dann?
Pott Dann nutzt man eine Betreuungsverfügung. Dort kann man hineinschreiben, wen man sich als Betreuer vorstellen könnte - zum Beispiel die Nachbarin. Aber auch, wen man auf keinen Fall als Betreuer haben möchte. Ein Richter entscheidet dann, in welchen Belangen eine Betreuung erfolgen soll. Der Betreuer wird vom Amtsgericht kontrolliert und muss Rechenschaft ablegen.
Sollte ich der Nachbarin sagen, dass ich sie mir als Betreuerin vorstellen könnte?
Pott Ja, das muss mit ihr besprochen werden. Sie kann auch direkt Nein sagen.
Was ist bei einer Vorsorgevollmacht zu beachten?
Pott Man sollte als Erstes mit der Familie reden. Will man nur einem Kind die Vollmacht erteilen, sollte man den anderen dies und die Gründe sagen. Man kann die verschiedenen Vollmachts-Bereiche aber auch aufteilen und festlegen, dass sich zum Beispiel die Maria um die Gesundheitsbelange und der Franz um das Finanzielle küm
mern soll.
Muss eine Vorsorgevollmacht notariell beglaubigt werden?
Pott In der Regel reicht es, wenn Vollmachtgeber und Bevollmächtigter unterschreiben. Die Vollmacht sollte dann bei den eigenen Unterlagen aufbewahrt werden, eine Kopie beim Bevollmächtigten. Wenn jedoch größeres Vermögen vorhanden ist, dazu gehören auch eine Eigentumswohnung oder ein Haus, dann muss die Vollmacht notariell gemacht werden. Andernfalls kann derVollmachtnehmer dieWohnung oder das Haus nicht verkaufen.
Was ist mit der Patientenverfü
gung?
Pott Dafür ist kein Notar nötig. Man sollte sie sich jedoch alle zwei Jahre durchlesen und neu unterschreiben. Denn es kann ja sein, dass ich meine Meinung über die Zeit ändere.
Was ist, wenn die Eltern sagen: „Du machst das schon“und in guten Zeiten nicht über Vorsorgevollmacht und Co. sprechen wollen? Pott Dann sollte man direkt fragen: „Was ist denn, wenn du jetzt einen Schlaganfall bekommst? Wer soll dann für dich sprechen? Ich kann es nicht, wenn du mir im Vorfeld nicht die Erlaubnis gibst.“Die Kinder sollten sich mit dem Thema aber
schon befasst haben, damit die Eltern nicht alleine damit dastehen. Ohne Vollmacht muss ein Gericht einen Betreuer bestellen, selbst dann, wenn noch die Ehefrau oder der Ehemann da sind. Ehepaare gehen meist automatisch davon aus, dass der andere alles darf. Dem ist aber nicht so.
Gibt es Vordrucke, die ich nutzen kann?
Pott Das Bundesministerium der Justiz hat sehr gute Broschüren, die regelmäßig aktualisiert werden. Und die Einrichtung Bethel hat eine Patientenverfügung in einfacher Sprache entworfen, die für ältere Menschen sehr gut geeignet ist. Sie zielt auf die drei häufigsten Krankheiten ab, die zum Tod führen: Hirnschädigung zum Beispiel durch Schlaganfall, Krebs und Demenz.
SUSANNE GENATH FÜHRTE DAS INTERVIEW.