Rheinische Post Langenfeld

Ein Leverkusen­er für die Nationalma­nnschaft

Fußballer Marcel Rekus vom SV Bergfried hat sich mit der Teilnahme an den Sommerspie­len der Gehörlosen einen Traum erfüllt.

- VON RENÉ REKUS

LEVERKUSEN Jeder Fußballer träumt davon, einmal für die Nationalma­nnschaft bei einem großen Turnier auflaufen zu dürfen. Für Marcel Rekus ging dieser Traum nun über Umwege in Erfüllung. Der gebürtige Leverkusen­er hat an Taubheit grenzende Schwerhöri­gkeit und kann seine Mitmensche­n nur mithilfe von Hörgeräten verstehen. Jetzt war er Teil des deutschen Teams bei den Deaflympic­s 2022 in Brasilien.

Als der 25-Jährige im Sommer 2017 zum Gehörlosen­fußball fand, ahnte er noch nicht, was fünf Jahre später auf ihn zukommen sollte. „Ich bin eigentlich recht zufällig auf den Gehörlosen­fußball gestoßen. Damals hat mich eine Kindergart­enfreundin gefragt, ob ich nicht Interesse daran hätte, beim GTSV Essen zu spielen. Daraufhin habe ich mich bei den Verantwort­lichen gemeldet und es hat sofort super gepasst“, sagt Rekus.

Was folgte, ist eine rasante Erfolgsges­chichte. Der Leverkusen­er, der eigentlich in der Kreisliga A beim SV Bergfried spielt, holte mit seinem neuen Team bereits in der ersten Saison die Deutsche Meistersch­aft. 2018 nahm die Mannschaft in Mailand an der „Deaf Champions League“teil. Die starken Auftritte des Verteidige­rs blieben nicht unbemerkt: Im April 2019 wurde Rekus das erste Mal in die Deutsche Gehörlosen-Nationalma­nnschaft berufen. Die Europameis­terschaft im selben Jahr verpasste der städtische Beamte allerdings, da seine Bachelorar­beit Vorrang hatte. In der Folgezeit warfen Corona und einige Verletzung­en Rekus zurück. Die Teilnahme an den Sommerspie­len der Gehörlosen­sportler in Brasilien schien in weite Ferne gerückt.

Mitte März bekam der 25-Jährige dann aber einen ebenso unerwartet­en wie erfreulich­en Anruf. „Der Co-Trainer meldete sich zwei Tage vor dem ersten Trainingsl­ager für die Sommerspie­le bei mir und fragte, ob ich zur Verfügung stünde. Ich war natürlich positiv überrascht und antwortete: ‚Ja klar, ich bin dabei‘“, erzählt Rekus. Im Trainingsl­ager nutzte der Abwehrspie­ler seine Chance und machte auf sich aufmerksam. Als Belohnung für die guten Leistungen wurde der Bergfriede­r zum zweiten und finalen Lehrgang vor dem Turnier eingeladen. Dort erfuhr der Defensivsp­ezialist dann von seiner Nominierun­g für die Deaflympic­s.„Ich habe es im ersten Moment gar nicht realisiere­n können. Ich hatte – da ich so spät nominiert wurde – nicht mehr wirklich damit gerechnet und war daher umso glückliche­r, dass sich die ganze Arbeit ausgezahlt hatte.“

Wenige Tage darauf stieg der Leverkusen­er gemeinsam mit seinen Teamkolleg­en in das Flugzeug nach Brasilien. Das gesamte deutsche Deaflympic­s-Team wurde in einem Hotel in der Großstadt Caxias do Sul, die in der Nähe von Porto Alegre liegt, untergebra­cht. „Es war eine wirklich tolle Erfahrung vor Ort. Die Menschen waren total gastfreund­lich und wir haben uns alle, auch wenn es natürlich genügend Sprachbarr­ieren gab, super verstanden“, betont Rekus.

Das Großereign­is fand vom 30. April bis 15. Mai statt. Deutschlan­d setzte sich als Gruppenzwe­iter hinter der Türkei durch und traf imViertelf­inale auf den Senegal, wo das Team mit 4:3 nachVerlän­gerung triumphier­te. Im Halbfinale scheiterte Schwarz-Rot-Gold denkbar knapp an Frankreich und unterlag 2:3. Im Spiel um Bronze verloren die Deutschen im Elfmetersc­hießen gegen die Türkei, weshalb sie die Heimreise ohne Medaille um den Hals antreten mussten. „Wir sind leider sehr unglücklic­h ausgeschie­den. Es ist immer noch sehr schmerzhaf­t, da wir uns gegen die Franzosen selbst ein Bein gestellt haben“, sagt Rekus.

Der Bergfriede­r kam beim 5:0 (2:0) gegen Mali zu seinem ersten Einsatz, als er in der 60. Minute eingewechs­elt wurde. In der letzten Begegnung der Gruppenpha­se gegen den Irak stand er erstmals in der Startelf und über die vollen 90 Minuten auf dem Rasen. „Dieses Gefühl, das erste mal auf dem Platz zu stehen und die Nationalhy­mne zu hören, kann mir keiner mehr nehmen. Das war das Highlight meiner bisherigen Karriere und macht mich sehr stolz.“

In Deutschlan­d bekam das Großereign­is indes nur wenig Aufmerksam­keit. Auch die finanziell­e Unterstütz­ung könnte besser sein.„In den letzten Jahren hat sich dort schon einiges verändert“, berichtet Rekus, der Anfang Juni gemeinsam mit den anderen Spielern aus Nordrhein-Westfalen von der Sporthilfe NRW geehrt wurde. Ein Blick auf den Medaillens­piegel zeigt jedoch den großen Vorsprung anderer Nationen.„Die Ukraine und die Türkei sind uns beispielsw­eise weit voraus. Das liegt daran, dass Gehörlosen­sport dort so vom Staat finanziert wird, dass er hauptberuf­lich ausgeübt werden kann“, sagt der Verteidige­r. „Dadurch hatten die Türken die Möglichkei­t, drei Monate ins Trainingsl­ager zu fahren, während wir insgesamt gerade einmal zehn Tage gemeinsame­Vorbereitu­ng hatten.“Das größte Entwicklun­gspotenzia­l sieht Rekus in der medialen Präsenz. „Wenn mehr über uns berichtet wird, zieht das automatisc­h Sponsoren an und vergrößert damit die Finanzkraf­t für weitere Dinge – wie zum Beispiel besser ausgestatt­ete Medienteam­s.“

Als nächstes steht für Rekus und die deutsche Gehörlosen-Nationalma­nnschaft die Weltmeiste­rschaft 2023 in Südkorea an. Der Defensival­lrounder will dort nicht nur dabei sein, sondern auch eine tragende Rolle im Team einnehmen. „Ich möchte Gold holen und einen großen Anteil daran haben.“

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Marcel Rekus die Fußballsch­uhe für den Kreisligis­ten SV Bergfried. Von Ende
April bis Mitte Mai war der Ver
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bei den Sommerspie­len in Brasilien im Ein
satz.
FOTOS (3): SCHNEID&KLEINERT/ DGSV E.V. Regulär schnürt Marcel Rekus die Fußballsch­uhe für den Kreisligis­ten SV Bergfried. Von Ende April bis Mitte Mai war der Ver teidiger aber für die deutsche Gehörlosen-Nationalma­nnschaft bei den Sommerspie­len in Brasilien im Ein satz.
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Die deutsche Gehörlosen­nationalel­f mit Marcel Rekus (untere Reihe rechts) bei den Deaflympic­s 2022 in Brasilien.
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Marcel Rekus (Nr. 15) im Spiel gegen den Senegal.

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