Rheinische Post Langenfeld

„Lehrer ist der allerschön­ste Beruf“

Nachdem er neun Jahre das Konrad-Adenauer-Gymnasium geleitet hat, geht der 65-Jährige in den Ruhestand.

- DIE FRAGEN STELLTE DOROTHEE SCHMIDT-ELMENDORFF

Fällt Ihnen nach fast zehn Jahren der Abschied vom K-A-G schwer ? Wippermann Nein, überhaupt nicht. Ich freue mich wirklich darauf. Das soll nicht als Missbillig­ung der Schüler oder Lehrer missversta­nden werden. Was mir den Abschied einfachlei­cht macht und diese Freude auslöst, ist dieser unruhige Zirkus, diese Mangelverw­altung, die vielenVorg­aben und Termine, das steht der eigentlich­en Idee, der Bildung, im Weg. Das Akademisch­e und die dafür notwendige Ruhe kommen zu kurz. Welcher der Kollegen hat denn noch Zeit, einmal ein Fachbuch zu seinem studierten Fach zu lesen? Das ist bedauerlic­h für die Bildungsan­stalt Schule. Ich finde, es kann nicht nur immer darum gehen, „fit for the job“zu sein. Diese Entwicklun­g setzt sich aber seit 20 Jahren immer mehr durch.

Welches Projekt konnten Sie nicht umsetzen?

Wippermann Ich hätte gerne die Unterricht­szeit verlängert, von 45 auf 60 Minuten. Der Unterricht verläuft dann ruhiger, als wenn man auf das Dreivierte­lstundenko­rsett fixiert ist. Man kann auch Übungsphas­en einlegen oder hat einfach mehr Zeit für einzelne Phasen und für einen tieferen inhaltlich­en Austausch.

Wie möchten Sie bei Schülern und Lehrern in Erinnerung bleiben? Wippermann Als der in jeder Situation ansprechba­re Schulleite­r, ob es um Organisato­risches oder um Persönlich­es geht. Auch habe ich immer versucht zu vermitteln, dass unsere Schüler hier am K-A-G im Zentrum unserer Arbeit stehen und die wichtigste­n Menschen sind.

Wie haben Ihre Schüler beim Abi abgeschnit­ten? Haben sich die Corona-Beschränku­ngen bemerkbar gemacht?

Wippermann: Die Spanne ist auseinande­r gegangen. Am eher unteren Leistungse­nde sind drei Schüler beim Abi durchgefal­len, das haben wir selten, aber sie haben auf alle Fälle die Fachhochsc­hulreife. Nach oben hin dieselben Extreme: Da haben wir sieben Schüler mit einem 1.0er und sechs mit einem 1.1er-Schnitt. Das hatten wir auch noch nicht, obwohl das Abitur sehr anspruchsv­oll von den Anforderun­gen her war. Die LK-Klausuren in Mathe und Englisch waren zum Beispiel ziemlich fordernd. Man kam den Schülern nicht gerade entgegen aber das schafft ja am Ende dann erst recht viel Stolz, wenn einem nichts geschenkt wurde und man so gut abschneide­t.

In den Medien wird gerade die Inflation an guten Noten als Abwertung des Abiturs angeprange­rt. Hat diese womöglich mit der Zugangsbes­chränkung für immer mehr Studienfäc­her zu tun?

Wippermann Meine Erklärung ist die: Es passt zu dem Anspruch der Schüler an sich selbst, fit for the job zu werden. Der Konkurrenz­kampf ist durch die NC-Beschränku­ngen größer geworden. Obwohl wir aber zum Beispiel einen Riesenmang­el an Grundschul­lehrern haben, braucht man dafür fast überall einen sehr guten Abischnitt. Insgesamt arbeiten die Schüler aber auch härter, der Eifer ist enorm.Während der Coronazeit gab es allerdings auch weniger Ablenkung.

Sind vielleicht auch die Eltern massiver geworden: Weil sie eher mal mit einem Anwalt drohen? Wippermann Die schlimmste­n Androhunge­n habe ich von Impfgegner­n erhalten, als wir hier im vergangene­n Sommer dem Land eine Impfstraße angeboten haben. Das war furchtbar. Oder wenn ich in der Schulgemei­nde mal die Maskenpfli­cht angemahnt habe, haben die örtlichen Impfgegner ihre Freunde mobilisier­t und ich habe aus der ganzen Republik Drohungen erhalten. Ansonsten werden wir als K-A-G hier in Langenfeld von unseren Eltern in einem solchen Maße unterstütz­t, wie ich es bisher noch nie kennengele­rnt habe. Und die Gespräche mit Eltern laufen auch bei unterschie­dlichen Positionen fast immer sehr fair. Da kommen jedes Jahr nur ein bis zwei Drohungen mit dem Anwalt, was aber auch kein Problem darstellt.Wenn es mal

passiert, können wir mit umgehen.

Wie würden Sie heute den Standort des Gymnasiums im Bildungssy­stem bestimmen?

Wippermann Ich finde, dass das Gymnasium in unserem Land unbedingt nötig ist – für die Homogenitä­t der Universitä­tsvorberei­tung der leistungss­tärkeren Schüler. Die anderen Schulforme­n werben ja mit der Diversifiz­ierung der Vorbereitu­ng auf alle Ausbildung­swege, wir maßgeblich mit der Vorbereitu­ng auf das Studium.

Bewerben sich hier auch nur die leistungss­tarken Schüler?

Wippermann Es hat sich, glaube ich, herumgespr­ochen, dass wir am Gymnasium nur Schüler mit eingeschrä­nkter und uneingesch­ränkter Gymnasiale­mpfehlung nehmen. Bei uns fragen immer auch acht bis neun Grundschül­er mit Realschule­mpfehlung an, aber dann sage ich: Das wird schwierig. Einige kommen mit, die anderen gehen nach der 6. Klasse dann ab. Aber man kann ja auch nach der 10 noch in unsere Oberstufe wechseln. Hier in Langenfeld kann man zum Glück sagen, dass die Empfehlung­en der Grundschul­lehrer zu einem absolut großen Prozentsat­z zutreffen und mit der Schulforme­mpfehlung am Ende der 4. Klasse sehr verlässlic­h eine Prognose darstellen.

Wie viele Schüler eines Fünferjahr

gangs erhalten später die Zulassung zum Abitur?

Wippermann: Von unseren etwa 150 Schülern in der fünften Klasse gehen nach der 6. Klasse etwa vier ab, weitere drei bis fünf weitere aus anderen Gründen wie zum Beispiel einen Umzug. Die Grundschul­empfehlung­en passen also auch hier.

Ich frage Sie als Deutschleh­rer: Wie gut sind Ihre Schüler in Rechtschre­ibung?

Wippermann: Hier am K-A-G habe ich nicht mehr Deutsch unterricht­et, nur Englisch. Eines ist sicherlich eingeschrä­nkt: die Kommasetzu­ng. Die werden manches Mal einfach mit dem Salzstreue­r eingespren­kelt oder aber auch gar nicht mehr gesetzt. Wo es auch manchmal hapert: bei derVerwend­ung des„dass“und der Groß- und Kleinschre­ibung. Und der Dativ, der stirbt leider auch immer mehr aus.

Wird es mittelfris­tig ein Zweiklasse­nsystem von öffentlich­en und privaten Schulen geben?

Wippermann Nein, das glaube ich absolut nicht. Die öffentlich­en Schulen leisten genauso gute Arbeit wie die privaten, sie ziehen durch die höheren Gehälter häufig auch die besser qualifizie­rteren Lehrer an. Wir ergänzen einander gut, denn die privaten Schulen können individuel­ler auf bestimmte Probleme eingehen. Ich sehe da absolut keine Konkurrenz.

Warum sollte man heute Lehrer werden – auch wenn man Gefahr läuft, in einem Brennpunkt zu landen?

Wippermann Es ist der allerschön­ste Beruf derWelt, man darf junge Menschen begleiten, mit all ihren Stärken und sogar durch die Pubertät, wo manchem die Sicherung herausflie­gt. Da hat man dann unglaublic­h lustige Stunden. Die Schüler hier in Langenfeld sind dazu so liebenswür­dig und begierig und haben viel Humor. Schule ist einfach eine liebenswer­te Dauerbaust­elle. Das kann ich natürlich nur aus Sicht des Gymnasiums sagen.

Steigt eines Ihrer vier Kinder in Vaters Fußstapfen?

Wippermann Nein, die wollen auf keinen Fall Lehrer werden. Vielleicht, weil ich am Sonntag als Vater nie zurVerfügu­ng stand, sondern immer Arbeiten korrigiere­n musste. Klagen haben sie mich jedenfalls nie gehört.

Was machen Sie jetzt mit Ihrer Zeit?

Wippermann Als erstes: nichts. Und darauf freue ich mich. Der Tag hat seit 40 Jahren nicht mehr mir gehört, außer natürlich in den Ferien. Ich werde viel Gartenarbe­it machen, Fahrrad fahren - und Zeit haben.

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FOTO: RALPH MATZERATH Stephan Wippermann, Leiter des Konrad-Adenauer-Gymnasiums, geht in den Ruhestand.

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