„Lehrer ist der allerschönste Beruf“
Nachdem er neun Jahre das Konrad-Adenauer-Gymnasium geleitet hat, geht der 65-Jährige in den Ruhestand.
Fällt Ihnen nach fast zehn Jahren der Abschied vom K-A-G schwer ? Wippermann Nein, überhaupt nicht. Ich freue mich wirklich darauf. Das soll nicht als Missbilligung der Schüler oder Lehrer missverstanden werden. Was mir den Abschied einfachleicht macht und diese Freude auslöst, ist dieser unruhige Zirkus, diese Mangelverwaltung, die vielenVorgaben und Termine, das steht der eigentlichen Idee, der Bildung, im Weg. Das Akademische und die dafür notwendige Ruhe kommen zu kurz. Welcher der Kollegen hat denn noch Zeit, einmal ein Fachbuch zu seinem studierten Fach zu lesen? Das ist bedauerlich für die Bildungsanstalt Schule. Ich finde, es kann nicht nur immer darum gehen, „fit for the job“zu sein. Diese Entwicklung setzt sich aber seit 20 Jahren immer mehr durch.
Welches Projekt konnten Sie nicht umsetzen?
Wippermann Ich hätte gerne die Unterrichtszeit verlängert, von 45 auf 60 Minuten. Der Unterricht verläuft dann ruhiger, als wenn man auf das Dreiviertelstundenkorsett fixiert ist. Man kann auch Übungsphasen einlegen oder hat einfach mehr Zeit für einzelne Phasen und für einen tieferen inhaltlichen Austausch.
Wie möchten Sie bei Schülern und Lehrern in Erinnerung bleiben? Wippermann Als der in jeder Situation ansprechbare Schulleiter, ob es um Organisatorisches oder um Persönliches geht. Auch habe ich immer versucht zu vermitteln, dass unsere Schüler hier am K-A-G im Zentrum unserer Arbeit stehen und die wichtigsten Menschen sind.
Wie haben Ihre Schüler beim Abi abgeschnitten? Haben sich die Corona-Beschränkungen bemerkbar gemacht?
Wippermann: Die Spanne ist auseinander gegangen. Am eher unteren Leistungsende sind drei Schüler beim Abi durchgefallen, das haben wir selten, aber sie haben auf alle Fälle die Fachhochschulreife. Nach oben hin dieselben Extreme: Da haben wir sieben Schüler mit einem 1.0er und sechs mit einem 1.1er-Schnitt. Das hatten wir auch noch nicht, obwohl das Abitur sehr anspruchsvoll von den Anforderungen her war. Die LK-Klausuren in Mathe und Englisch waren zum Beispiel ziemlich fordernd. Man kam den Schülern nicht gerade entgegen aber das schafft ja am Ende dann erst recht viel Stolz, wenn einem nichts geschenkt wurde und man so gut abschneidet.
In den Medien wird gerade die Inflation an guten Noten als Abwertung des Abiturs angeprangert. Hat diese womöglich mit der Zugangsbeschränkung für immer mehr Studienfächer zu tun?
Wippermann Meine Erklärung ist die: Es passt zu dem Anspruch der Schüler an sich selbst, fit for the job zu werden. Der Konkurrenzkampf ist durch die NC-Beschränkungen größer geworden. Obwohl wir aber zum Beispiel einen Riesenmangel an Grundschullehrern haben, braucht man dafür fast überall einen sehr guten Abischnitt. Insgesamt arbeiten die Schüler aber auch härter, der Eifer ist enorm.Während der Coronazeit gab es allerdings auch weniger Ablenkung.
Sind vielleicht auch die Eltern massiver geworden: Weil sie eher mal mit einem Anwalt drohen? Wippermann Die schlimmsten Androhungen habe ich von Impfgegnern erhalten, als wir hier im vergangenen Sommer dem Land eine Impfstraße angeboten haben. Das war furchtbar. Oder wenn ich in der Schulgemeinde mal die Maskenpflicht angemahnt habe, haben die örtlichen Impfgegner ihre Freunde mobilisiert und ich habe aus der ganzen Republik Drohungen erhalten. Ansonsten werden wir als K-A-G hier in Langenfeld von unseren Eltern in einem solchen Maße unterstützt, wie ich es bisher noch nie kennengelernt habe. Und die Gespräche mit Eltern laufen auch bei unterschiedlichen Positionen fast immer sehr fair. Da kommen jedes Jahr nur ein bis zwei Drohungen mit dem Anwalt, was aber auch kein Problem darstellt.Wenn es mal
passiert, können wir mit umgehen.
Wie würden Sie heute den Standort des Gymnasiums im Bildungssystem bestimmen?
Wippermann Ich finde, dass das Gymnasium in unserem Land unbedingt nötig ist – für die Homogenität der Universitätsvorbereitung der leistungsstärkeren Schüler. Die anderen Schulformen werben ja mit der Diversifizierung der Vorbereitung auf alle Ausbildungswege, wir maßgeblich mit der Vorbereitung auf das Studium.
Bewerben sich hier auch nur die leistungsstarken Schüler?
Wippermann Es hat sich, glaube ich, herumgesprochen, dass wir am Gymnasium nur Schüler mit eingeschränkter und uneingeschränkter Gymnasialempfehlung nehmen. Bei uns fragen immer auch acht bis neun Grundschüler mit Realschulempfehlung an, aber dann sage ich: Das wird schwierig. Einige kommen mit, die anderen gehen nach der 6. Klasse dann ab. Aber man kann ja auch nach der 10 noch in unsere Oberstufe wechseln. Hier in Langenfeld kann man zum Glück sagen, dass die Empfehlungen der Grundschullehrer zu einem absolut großen Prozentsatz zutreffen und mit der Schulformempfehlung am Ende der 4. Klasse sehr verlässlich eine Prognose darstellen.
Wie viele Schüler eines Fünferjahr
gangs erhalten später die Zulassung zum Abitur?
Wippermann: Von unseren etwa 150 Schülern in der fünften Klasse gehen nach der 6. Klasse etwa vier ab, weitere drei bis fünf weitere aus anderen Gründen wie zum Beispiel einen Umzug. Die Grundschulempfehlungen passen also auch hier.
Ich frage Sie als Deutschlehrer: Wie gut sind Ihre Schüler in Rechtschreibung?
Wippermann: Hier am K-A-G habe ich nicht mehr Deutsch unterrichtet, nur Englisch. Eines ist sicherlich eingeschränkt: die Kommasetzung. Die werden manches Mal einfach mit dem Salzstreuer eingesprenkelt oder aber auch gar nicht mehr gesetzt. Wo es auch manchmal hapert: bei derVerwendung des„dass“und der Groß- und Kleinschreibung. Und der Dativ, der stirbt leider auch immer mehr aus.
Wird es mittelfristig ein Zweiklassensystem von öffentlichen und privaten Schulen geben?
Wippermann Nein, das glaube ich absolut nicht. Die öffentlichen Schulen leisten genauso gute Arbeit wie die privaten, sie ziehen durch die höheren Gehälter häufig auch die besser qualifizierteren Lehrer an. Wir ergänzen einander gut, denn die privaten Schulen können individueller auf bestimmte Probleme eingehen. Ich sehe da absolut keine Konkurrenz.
Warum sollte man heute Lehrer werden – auch wenn man Gefahr läuft, in einem Brennpunkt zu landen?
Wippermann Es ist der allerschönste Beruf derWelt, man darf junge Menschen begleiten, mit all ihren Stärken und sogar durch die Pubertät, wo manchem die Sicherung herausfliegt. Da hat man dann unglaublich lustige Stunden. Die Schüler hier in Langenfeld sind dazu so liebenswürdig und begierig und haben viel Humor. Schule ist einfach eine liebenswerte Dauerbaustelle. Das kann ich natürlich nur aus Sicht des Gymnasiums sagen.
Steigt eines Ihrer vier Kinder in Vaters Fußstapfen?
Wippermann Nein, die wollen auf keinen Fall Lehrer werden. Vielleicht, weil ich am Sonntag als Vater nie zurVerfügung stand, sondern immer Arbeiten korrigieren musste. Klagen haben sie mich jedenfalls nie gehört.
Was machen Sie jetzt mit Ihrer Zeit?
Wippermann Als erstes: nichts. Und darauf freue ich mich. Der Tag hat seit 40 Jahren nicht mehr mir gehört, außer natürlich in den Ferien. Ich werde viel Gartenarbeit machen, Fahrrad fahren - und Zeit haben.