Leverkusenerin schreibt über Margarete Steiff
„Zeitzeichen“-Autorin Maren Gottschalk legt eine neue Romanbiografie vor. Diesmal hat sie sich mit der „Mutter“der Steifftiere befasst – der schwäbischen Lohnnäherin, die trotz Kinderlähmung zu einer der berühmtesten Spielzeug-Fabrikanten der Welt wurde.
LEVERKUSEN Starke Frauen und ihre Geschichte – das interessiert Maren Gottschalk besonders. Unter anderem schrieb sie Roman-Biografien über die Künstlerin Frida Kahlo. In ihrem neuen, soeben erschienenen Buch stellt die Leverkusenerin Margarete Steiff (1847-1909) vor. Beide – Kahlo wie Steiff – haben Krankheit und Behinderung zum Trotz ihr Leben gemeistert und in ihrer jeweiligen Profession Weltruhm erlangt. Doch ist die schwäbische Geschäftsfrau zugleich auch ein Gegenentwurf zur mexikanischen Malerin.
Sie blieb zeitlebens „Fräulein Steiff“. So lautet auch der Titel der Neuerscheinung, der auf dem Cover im bekannten Schriftzug gedruckt ist, den alle originalen Stofftiere mit dem Knopf im Ohr tragen. Pünktlich zum 120. Geburtstag des berühmten Teddybärs erscheint die RomanBiografie über die Spielzeugpionierin, von deren Plüschtieren bereits zu ihren Lebzeiten Millionen verkauft wurden.
Ihrem Prolog hat die Leverkusener Autorin ein Personenverzeichnis, ähnlich der Besetzungsliste eines Theaterstücks, vorangestellt. Es sind die historisch verbrieften Freunde, Verwandten und Bekannten Margarete Steiffs, die hier mit Namen und Verwandtschaftsgrad oder Funktion aufgeführt sind. Denn wie in ihren vorangegangenen Werken hat die promovierte Historikerin auch hier wieder genauestens recherchiert und biografische Ereignisse zur Grundlage ihres jüngsten Romans gemacht.
Darin wechseln sachliche Beschreibungen ab mit Szenen, in denen die Protagonisten lebendig werden und im Kopf Bilder vom
Leben in der Kleinstadt Giengen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstehen. Maren Gottschalk bleibt ihrem Stil treu und verbindet auch hier möglichst viel sachliche
Information mit Menschlichkeit. Als Journalistin hat die Historikerin zahlreiche Zeitzeichen-Sendungen über bekannte Persönlichkeiten für den WDR produziert. Ähnlich ent
halten auch ihre Romane über historische Persönlichkeiten neben fantasievoll nachempfundenen Szenen viele konkrete Informationen zu Ereignissen, direktem Umfeld und zum Weltgeschehen.
„Biografien oder Romanbiografien sind wie Zeitreisen, die uns in eine andere Welt mitnehmen“, sagt die Autorin, die fasziniert ist von Fleiß und Willensstärke, aber auch Witz und Einfallsreichtum der behinderten Schwäbin. Die „lahme Gret“wird Margarete Steiff gerufen, als sie nach ihrer Erkrankung an Kinderlähmung nicht mehr laufen kann und nur wenig Kraft im rechten Arm hat. Umso stärker sind ihrWille und der entschlosseneWunsch nach Unabhängigkeit. Sie ertrotzt sich den Unterricht im Zitherspiel, lernt früh den Umgang mit Nadel und Faden und wird Lohnnäherin in Giengener Familien. Mit 30 lebt sie noch zu Hause, gründet aber bereits zur Werkstatt ein eigenes Filzgeschäft und wird selbstständige Geschäftsfrau.
Ihr Cousin, der Filzfabrikant Hans Hähnle, liefert den Filz, Grete näht daraus Gebrauchsgegenstände für die Firma Sigle in Stuttgart. Sie stellt eine Näherin und eine Magd ein, was ihr Unabhängigkeit von der Mutter verschafft und lässt eine Rampe für den Rollstuhl bauen. Das Schlüsselerlebnis für ihren unglaublichen Erfolg ist ein kleiner Filz-Elefant, den sie als Nadelkissen anfertigt. Maren Gottschalk beschreibt ausführlich, wie verzückt und verzaubert der dreijährige Neffe darauf reagiert und wie Margarete Kinder beim Spiel mit ihrem ersten Stofftier beobachtet. Das „Elefäntle“scheint in Kinderhänden zum Leben zu erwachen. Das bringt die Näherin auf die Idee, weitere dieser weichen Tiere zu kreieren. Mit ihnen wachsen fortan Generationen von Kindern auf.