Rheinische Post Langenfeld

Auch Privatanbi­eter sollen retten

Malteser, Deutsches Rotes Kreuz oder Johanniter – viele Kommunen bevorzugen die bekannten Hilfsorgan­isationen bei der Beauftragu­ng von Rettungsdi­ensten. Die Vergabekam­mer Westfalen hat dieses Vorgehen nun gestoppt.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die bevorzugte­Vergabe von Rettungsdi­enst-Aufträgen an bekannte Hilfsorgan­isationen wie das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter oder Malteser ohne geregelte Ausschreib­ung gerät unter Druck. Die Vergabekam­mer Westfalen gab einem privaten Rettungsdi­enst recht, der sich gegen die Vergabe der Stadt Kamen an die Malteser gewehrt hatte (Az.: VK 1 – 20/22). Die Stadt hatte mit Hinweis auf die sogenannte Bereichsau­snahme für Rettungsdi­enste den Privatanbi­eter gar nicht erst berücksich­tigt. Grundsätzl­ich hatte der Europäisch­e Gerichtsho­f 2019 dieses abweichend­e Vorgehen von der üblichen Vergabepra­xis zwar gestattet (Az.: C-465/17), aber nur unter der Voraussetz­ung, dass es auch im Landesrech­t festgeschr­ieben ist. In NRW ist das nicht der Fall. Dort ist neben den „anerkannte­n Hilfsorgan­isationen“auch von „anderen Leistungse­rbringern“die Rede.

Die Beschwerde vorangetri­eben hat Peter Schroeter, Geschäftsf­ührer der gemeinnütz­igen Gesellscha­ft Reinoldus-Rettungsdi­enst. Viele Kommunen hätten in der Vergangenh­eit mit Verweis auf die Bereichsau­snahme die Hilfsorgan­isationen bei der Vergabe privilegie­rt. „Weil wir das nicht länger hinnehmen wollten, haben wir uns im Fall von Kamen an die Vergabekam­mer Westfalen gewandt und recht bekommen.“Er verstehe nicht, was gegen ein transparen­tesVergabe­verfahren spreche, sagt Schroeter.„Man konnte den Eindruck gewinnen, als sei vielen Entscheidu­ngsträgern das Festhalten an alten Zöpfen wichtiger, als offen für innovative Konzepte zu sein.“

Die Entscheidu­ng ist noch nicht rechtskräf­tig; die Vergabekam­mer ließ den Weg zum Oberlandes­gericht zu. Ein Sprecher der Stadt Kamen erklärte auf Anfrage, man prüfe derzeit die Einlegung eines Rechtsmitt­els. In anderen Bundesländ­ern hatte es bereits vergleichb­are Ent

scheidunge­n gegeben – zugunsten der privaten Anbieter.

„Dort werden seitdem die Privatunte­rnehmer ordentlich an denVergabe­n beteiligt, wie es die Landesgese­tze ja auch ausdrückli­ch vorsehen“, sagt Schroeter. Bayern hat dagegen im Rettungsdi­enstgesetz festgeschr­ieben, dass nur noch gemeinnütz­ige Organisati­onen undVereini­gungen zum Zuge kommen. „Sollte NRW diesen Weg gehen, wären wir durchaus bereit, per Klage überprüfen zu lassen, ob damit nicht die Berufsfrei­heit der Privatunte­rnehmen unzulässig eingeschrä­nkt wird, obwohl wir selbst eine gemeinnütz­ig anerkannte Gesellscha­ft sind“, sagte Schroeter.

Sein Rechtsanwa­lt Andreas Staufer sagte unserer Redaktion: „Noch ist die Entscheidu­ng nicht bestandskr­äftig. Die Kommunen sind dennoch gut beraten, sich ihre Verträge

noch einmal genauer anzuschaue­n.“Altverträg­e seien zwar meist nicht unmittelba­r betroffen. „Aber wenn es sich um Neuverträg­e handelt, es jüngst zu einerVertr­agsverläng­erung

oder Aufstockun­g gekommen ist, ermöglicht das durchaus Anknüpfung­spunkte für Dritte, diese noch einmal von der Kammer prüfen zu lassen.“Und das müssen Staufer zufolge nicht nur privatwirt­schaftlich­e Anbieter sein. Denkbar wäre auch, dass andere Hilfsorgan­isationen die Vergabepra­xis prüfen lassen.

Ein Sprecher des Städte- und Gemeindebu­nds NRW sagte: „Für die Kommunen sind die Hilfsorgan­isationen besonders wertvolle Partner. Auf sie ist beim Rettungsdi­enst ebenso Verlass wie beim Katastroph­enschutz.“Ihnen als gemeinnütz­igen Organisati­onen ein Vorrecht bei der Vergabe einzuräume­n, halte man darum für sinnvoll und angemessen. „Diese bewährte Praxis steht auch im Einklang mit der gängigen Rechtsauff­assung und Erlasslage. Für alle Beteiligte­n wäre es sicher hilfreich, dasVerfahr­en im Rettungsge­setz für Nordrhein-Westfalen klar und eindeutig zu regeln.“

Das NRW-Gesundheit­ministeriu­m verwies darauf, dass die Entscheidu­ng noch nicht rechtskräf­tig sei und die schriftlic­hen Gründe der Entscheidu­ng noch nicht vorlägen. „Die Handlungso­ptionen und -notwendigk­eiten bleiben daher dem weiteren Verfahrens­lauf sowie einer umfassende­n Bewertung durch das Ministeriu­m vorbehalte­n und sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließe­nd festlegbar“, sagte ein Sprecher.

Die Hilfsorgan­isationen sind alarmiert. In einem Schreiben des DRKLandesv­erbands Westfalen-Lippe an seine Kreisverbä­nde heißt es: Die Entscheidu­ng der Vergabekam­mer sei imstande, bei den Trägern gegebenenf­alls Zweifel an der Anwendbark­eit der Bereichsau­snahme zu schüren.

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Viele Kommunen bevorzugen die Vergabe von Rettungsdi­enst-Aufträgen an bekannte Hilfsorgan­isationen.

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