G7 werben um Beistand gegen Putin
Am zweiten Tag des Gipfels wird in erweiterter Runde vor allem über zwei Themen diskutiert: Russland und Klimaschutz.
ELMAU Wenn das Händeschütteln zwischen Regierungschefs ein Indikator für gute Beziehungen ist, dann muss es um die Beziehungen zwischen Deutschland und Indien hervorragend bestellt sein. Der indische Ministerpräsident Narendra Modi will die Hand von Bundeskanzler Olaf Scholz gar nicht mehr loslassen. Am zweiten Tag des G7Gipfels in Elmau steht das Treffen mit den Gästen des Gipfels auf dem Programm. Die Staats- und Regierungschefs der Gastländer Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinien sitzen ab dem Mittag mit am Tisch. Scholz strebt einen internationalen Klima-Klub mit den G7Staaten als Kern an. In diesem soll die internationale Klimapolitik stärker abgestimmt werden, um zu verhindern, dass Wettbewerbsnachteile für Länder entstehen, die sich an strengere Vorgaben halten.
Am Nachmittag gibt es ein gemeinsames Papier aller Gipfelteilnehmer, in dem man sich für diese Idee des Gastgebers erwärmt. Ansonsten bleibt es jedoch bei vagen Formulierungen, wie Klimaschutzexperten kritisieren. Die G7-Staaten bekennen sich darin zum Kampf gegen den Klimawandel, wollen zugleich aber die Sicherheit der Energieversorgung gewährleisten. Dabei gehe es auch darum, schrittweise aus der Kohle auszusteigen und in einer „sozial gerechten“Weise erneuerbare Energien auszubauen, heißt es im Papier. Zugleich bleibt der Klimaschutz hart umkämpft. Eine mögliche Formulierung für das am Dienstag geplante Abschlusskommuniqué könnte Investitionen in neue Gasvorkommen
durch die G7 weiterhin möglich machen – nachdem sich die meisten nach der Klimakonferenz von Glasgow im vergangenen Jahr dagegen entschieden hatten. Doch der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die dadurch ausgelöste Energiekrise könnten die Karten neu mischen. Klimaschutzorganisationen zeigen sich entsetzt. Hinzu kommt, dass Japan erklärt, dass es eine feste Zielmarke für Elektroautos ablehne. Die Regierung in Tokio schlägt vor, das Ziel von mindestens 50 Prozent Elektroautos bis 2030 im Abschlusspapier zu streichen, wie die Nachrichtenagentur Reuters mit Verweis auf einen Ent
wurf berichtet. Stattdessen soll das weniger konkrete Ziel aufgenommen werden, den Anteil von Null-Emissionsfahrzeugen zu steigern.
Das Buhlen der G7 um die fünf Gastländer hat einen besonderen Hintergrund: Die Öleinkäufe Indiens in Russland haben verdeutlicht, dass viele Länder zwar Moskaus Angriffskrieg verurteilen wollen – aber dann national kalkulieren, was ihre eigene Priorität ist. Und die lautet im globalen Süden vor allem niedrige Energie- und Nahrungsmittelpreise, weshalb gerade die westlichen Sanktionen gegen Russland mit Argwohn betrachtet werden. An
diesem Dienstag wird Angaben von Diplomaten zufolge noch das Bekenntnis der G7 folgen, gegen Hungersnöte und Nahrungsmittelmangel vorzugehen. Zugleich bekennen sich die G7 zu weiteren Hilfen für die Ukraine – „so lange wie nötig“, wie es in einem Papier nach einer Schalte mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj heißt. Der fordert von den G7-Staaten, „alles zu tun“, um den Krieg mit Russland noch in diesem Jahr zu beenden. Laut Diplomaten bittet Selenskyj die Gipfelteilnehmer, Luftabwehrsysteme zu liefern. Zudem sollten die G7 für weitere Sanktionen gegen Russ
land sorgen, der Ukraine beim Export von Getreide helfen und dem Land finanzielle Hilfe zum Wiederaufbau zurVerfügung stellen. Scholz twittert nach dem Gespräch: „Wir werden den Druck auf Putin weiter erhöhen. Dieser Krieg muss enden.“
Doch aus Diplomatenkreisen gibt es auch Ernüchterung. So sieht der ukrainische Präsident noch keinen Raum für Verhandlungen mit Russland. Der französische Präsident Emmanuel Macron bestätigt im Gespräch die Meinung aller G7-Partner: „Nichts in Bezug auf die Ukraine wird ohne die Ukraine entschieden“. Und Großbritan
niens Premier Boris Johnson? Der vergleicht die Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland mit dem Kampf gegen Adolf Hitler. Der Preis für die Freiheit sei es wert, gezahlt zu werden, sagt Johnson der BBC. Die Demokratien hätten in der Mitte des 20. Jahrhunderts lange gebraucht, um eine Antwort zu Tyrannei und Aggression zu finden, und es sei sehr teuer gewesen. „Aber mit der Niederlage der Diktatoren, vor allem von Nazi-Deutschland, brachte dies viele Jahrzehnte der Stabilität, eine Weltordnung, die sich auf ein regelbasiertes internationales System stützte“, betont Johnson: „Das ist schützenswert, das ist es wert, verteidigt zu werden, das bringt langfristigen Wohlstand.“Im Abschlusspapier wird das aber wohl nicht auftauchen.