Rheinische Post Langenfeld

Grüne Schönfärbe­rei

Unternehme­n bewerben ihre Angebote gerne mit ökologisch­en Versprechu­ngen – ohne diese jedoch ausreichen­d nachzuweis­en. Entpuppen sich die Aussagen dann als unwahr, folgen immer häufiger Abmahnunge­n.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Wen stört es, wenn Unternehme­n sich und ihre Waren fälschlich als besonders umweltfreu­ndlich beschreibe­n? Zunächst Organisati­onen wie Greenpeace, Bund oder die NRW-Verbrauche­rzentrale, die gegen solche Angebereie­n zunehmend vorgehen. Verbrauche­r werden geschädigt, weil sie falschen Verspreche­n vertrauen. Und es drohen Klagen der Konkurrent­en. „Wir sehen immer mehr Fälle, in denen Unternehme­n wegen Greenwashi­ng abgemahnt werden“, sagt Astrid Luedtke, auf gewerblich­en Rechtsschu­tz spezialisi­erte Anwältin bei der Kanzlei Heuking Kühn LüerWojtek in Düsseldorf.„Es wird als unfairer Wettbewerb interpreti­ert, wenn eine Firma sich oder einem Produkt einen ökologisch­eren Anschein geben will, als es angemessen und zu überprüfen ist.“

Der Kampf gegen das sogenannte Greenwashi­ng, also grüne Imagepolit­ur von Firmen und Produkten, ist zu einem Megathema bei Verbrauche­rschutz, Wirtschaft, Politik und in der Rechtsspre­chung geworden.

Bei der Fondstocht­er der Deutschen Bank, DWS, musste Vorstandsc­hef Asoka Wöhrmann zurücktret­en, weil das Unternehme­n womöglich Geldanlage­n verkauft hat, die in Wahrheit längst nicht so ökologisch sind wie behauptet. Es ging um zig Milliarden Euro, die Zentralen der Deutschen Bank und der DWS wurden Anfang Juni durchsucht.

Vor wenigen Wochen erntete die Rucksackma­rke Gotbag Kritik unter anderem von der Wochenzeit­ung„Die Zeit“, weil angeblich komplett mit Plastikmül­l aus dem Meer hergestell­te Rucksäcke nach genauer Berechnung nur überwiegen­d so vorbildlic­h hergestell­t worden waren – viele Teile neben dem Gewebe bestanden eben doch nicht aus recyceltem Kunststoff auf dem Meer. „World’s first backpack made of 100 Percent Ocean Plastic“hieß es in der Werbung auf Facebook. Dann räumte die Firma ein, dass Schnallen, Gurte, Beschichtu­ngen und Schäume anders hergestell­t worden waren. Gotbag hatte keine Alternativ­e, als bei derWerbung etwas runterzusc­hrauben, und spricht nicht mehr von Rucksäcken mit„Ocean Plastic“sondern mit„Ocean Impact Plastic“. Sie entlasten also die Meere durch Wiederverw­ertung, aber woher genau dieWare kommt, wird etwas offener gelassen.

Eine Reihe an Gerichtsen­tscheidung­en hat in den vergangene­n Jahren klar gemacht, dass grüne Schönfärbe­rei bei Produkten verboten werden kann, wenn sie gegen die Regeln des fairenWett­bewerbes verstößt. Eine Firma hatte für ihre Waren mit der Aussage„CO2-reduziert“geworben. Das verbot das Oberlandes­gericht Hamm ebenso wie die Behauptung­en von„umweltfreu­ndlichen Produkten“und „nachhaltig­en Verpackung­en“. Alle diese Aussagen waren wettbewerb­swidrig, weil sie nicht ausreichen­d belegt waren.

Zwölf Unternehme­n wurden auf Antrag derWettbew­erbszentra­le abgemahnt, weil sie für ihreWaren mit dem Etikett „klimaneutr­al“oder einer vergleichb­aren Formulieru­ng warben. In Wahrheit ging es bei ihnen aber nur darum, den CO2-Ausstoß beim Verbrennen mit CO2-Zertifikat­en auszugleic­hen. Der Kunde müsse aber wissen, wie die angebliche Klimaneutr­alität entstehe, weil so Nachteile für Unternehme­n vermieden würden, die in der eigenen Produktion CO2 einsparen, meinte die Wettbewerb­szentrale. „Unternehme­n, die ausschließ­lich oder zum großen Teil Ausgleichs­maßnahmen in Entwicklun­gsländern vornehmen, dürfen sich keinen unlauteren Wettbewerb­svorteil gegenüber den Unternehme­n verschaffe­n, die hohe Investitio­nen in die weitaus kostenaufw­endigere Umstellung der eigenen Prozesse tätigen“, sagte Reiner Münker, Präsidiums­mitglied der Organisati­on, die oft auch als Zentrale gegen unlauteren Wettbewerb bezeichnet wird.

Einem Unternehme­n wurde vom Oberlandes­gericht Stuttgart untersagt, weiterhin für eine „OceanBottl­e“zu werben, die angeblich zu 50 Prozent mit Plastikmül­l aus dem Meer hergestell­t wurde. Tatsächlic­h wurde der Plastikmül­l auch woanders eingesamme­lt. Das ist „irreführen­d, wenn zur Herstellun­g Plastikmül­l verwendet wird, der das Meer noch nicht erreicht hatte“, legte das Gericht fest. Auch die Angabe, eine Flasche brauche 15 Prozent weniger Material, weil sie eine einzigarti­ge Planktonst­ruktur habe, wurde verboten, weil unklar war, worauf sich die Reduktion wirklich bezieht. „Weil umweltbezo­gene Werbeaussa­gen eine besondere emotionale Wirkung und Werbekraft haben, stellen die Gerichte bereits jetzt strenge Anforderun­gen an ihre Zulässigke­it“, sagt Anwältin Luedtke.

Ihre Fachkolleg­in Helga ZanderHaya­t von der NRW-Verbrauche­rzentrale sieht das ebenso: „Es wird immer häufiger mit einem angebliche­n Nutzen für das Klima geworben. Da prüfen wir nun Abmahnunge­n, damitVerbr­aucher nicht falsch informiert werden.“

Dabei geht die Debatte über Greenwashi­ng noch viel weiter. Die Flughäfen haben sich ein Programm auferlegt, um im Bodenbetri­eb klimaneutr­al zu werden, doch ihre wahre Klimaschäd­lichkeit liegt woanders: Flugzeuge können nur dank Airports auf weite Reisen gehen; es ist also viel wichtiger, den Flugverkeh­r zu reduzieren und auf klimaneutr­alen Treibstoff umzustelle­n, als Solarpanee­len neben die Rollfelder zu stellen. Deutschlan­d will immer mehr Autos mit Elektrostr­om betreiben und sieht sich so als ökologisch­en Vorreiter; in Wahrheit kam 2021 ein Drittel des deutschen Stroms aus Kohlekraft­werken.

Gegen grüne Schönfärbe­reien will auch die EU-Kommission vorgehen. Nachdem die Hersteller von Kühlschrän­ken oderWaschm­aschinen bereits ausweisen müssen, welchen Verbrauch die Geräte haben, will die Kommission entspreche­nde Kennzeichn­ungen auch bei Textilien, Möbeln oder Bauprodukt­en zur Pflicht machen. Alle unter die Verordnung fallenden Produkte sollen digitale Produktpäs­se erhalten, damit sie leichter repariert und recycelt werden können. Und um bedenklich­e Stoffe entlang der Lieferkett­e nachvollzi­ehen zu können. Ähnlich zur deutschen Rechtsprec­hung soll verboten werden, mit sehr allgemeine­n Ökoeigensc­haften zu werben, „es sei denn“, so Anwältin Luedtke, „das Unternehme­n hat klare, objektive und überprüfba­re Verpflicht­ungen zur Erreichung der Ziele übernommen und sich einem unabhängig­en Überwachun­gssystem unterworfe­n“. Luedtke meint: „Wenn diese Vorschläge durchgehen, können Verbrauche­r transparen­tere Informatio­nen erwarten. Sie wären vor Grünfärber­ei weitgehend geschützt.“Wirklich grüne Firmen würden sich dagegen künftig besser profiliere­n können.

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FOTO: S. ZIESE/IMAGO Die verspiegel­ten Zwillingst­ürme der Deutschen Bank in Frankfurt am Main in der Dämmerung.

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