Lavendel in Gefahr
Die Bauern in der Provence protestieren gegen die geplante Revision einer EU-Verordnung, die den Handel mit dem Öl bedroht. Dieses soll als giftig eingestuft werden – umfangreiche Warnhinweise könnten nötig sein.
PARIS Wer in diesen Tagen durch die Lavendelfelder der Provence spaziert, sieht Protestschilder mitten im lilafarbenen Postkartenidyll. „Lavendel in Gefahr“, steht darauf. Oder: „Helft uns, unsere Vielfalt zu retten.“Die Bauern protestieren gegen die geplante Revision einer EU-Verordnung, die den Stolz der südfranzösischen Region bedroht. In die Richtlinie Reach, die giftige Chemikalien ausweist, solle nämlich demnächst auch Lavendelöl als chemische Substanz einfließen, fürchten mehr als 100 Senatorinnen und Senatoren, die am zuletzt einen offenen Brief in der Zeitung „Journal du Dimanche“veröffentlichten.
Die EU-Kommission widersprach umgehend: Ätherische Öle, zu denen auch Lavendelöl gehört, seien bereits als chemische Substanzen klassifiziert. Dass den Lavendelbauern dadurch komplizierte Untersuchungen auferlegt würden, stimme nicht, sagte ein Kommissionssprecher der Nachrichtenagentur AFP. Genau das sieht aber der konserva
tive Senator Jean-Michel Arnaud anders, Initiator des Senatsbriefs und selbst aus der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. In seiner Heimat ist der Lavendel lebenswichtig, hängen doch mehr als 25.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt an den duftenden Pflanzen. Auf 4000 Hektar erstrecken sich die lila Felder, aus deren Blüten im vergangenen Jahr 140 Tonnen Öl gewonnen wurden.
Arnaud, selbst Landwirt, fordert deshalb zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen, ätherische Öle auf Lavendelbasis von der geplanten Revision auszuklammern. Die Kosten für die Tests der rund 600 Inhaltsstoffe des Lavendels würden die Bauern sonst ruinieren.„Wir haben nicht die Mittel, um diese riesigen Summen zu finanzieren“, sagte der frühere Lavendelbauer FrancisVidal der Zeitung„Le Figaro“und ergänzte: „Da können wir gleich dicht machen.“
Eine zweite EU-Verordnung soll bis zum Jahresende zudem die Etikettierung von Inhaltsstoffen regeln, in die endokrine Disruptoren aufgenommen werden sollen. Auch äthe
rische Öle wie das Lavendelöl könnten davon betroffen sein. Wenn die EU-Regelung in Kraft trete, müssten auf einem Fläschchen Lavendelöl mehr Warnhinweise angebracht werden als auf einer Flasche Rohrreiniger, fürchtet Alain Aubenel, Präsident des Komitees französischer ätherischer Öle.
Der Lavendel galt schon im Mittelalter als Heilpflanze. Inzwischen wird sein Öl vor allem für die Aromatherapie oder in der Kosmetik eingesetzt. Tausende Touristen kom
men jedes Jahr in die Provence, um die Lavendelblüte zu sehen. Vor vier Jahren reichte die Regierung bei der UN-Kulturorganisation Unesco ein Dossier ein, das die Lavendelfelder zum Welterbe erklären soll. Das Lavendelöl wird auf den 19 Seiten ausdrücklich erwähnt. Das Kulturministerium erklärt darin auch den Strukturwandel, der vor allem auf der Hochebene vonValensole hinter Manosque den Lavendelanbau begünstigte.Vor 20 Jahren wurden dort überwiegend Weizen und Mandeln angebaut. Dann setzte sich allmählich die „Lavande“durch, die inzwischen im großen Stil kultiviert wird. Wer zur Erntezeit im Herbst kommt, sieht kaum noch Bauern, die die verwelkten Blüten von Hand abzupfen. Stattdessen fahren große Mähdrescher über die Felder, um die Ernte schneller und einfacher zu machen.
Was die Anbauflächen angeht, hat Bulgarien inzwischen Frankreich als Nummer eins abgelöst. Allerdings ist die Qualität der bulgarischen Lavendelprodukte nicht mit den französischen zu vergleichen.„Das taugt nur als Parfum im Supermarkt“, bemerkt Aubanel. Im Ringen mit der EU zeigt sich die Regierung mit den provenzalischen Lavendelbauern solidarisch.
„Wir werden nicht nachgeben. Der Lavendel ist Teil unseres Kulturerbes“, sagte Landwirtschaftsminister Julien Denormandie im Januar bei einem Besuch in der Region. Die EU-Kommission will bis zum Jahresende über die Revision ihrer Verordnungen entscheiden. Das letzte Wort haben dann das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten.