Rheinische Post Langenfeld

Lavendel in Gefahr

Die Bauern in der Provence protestier­en gegen die geplante Revision einer EU-Verordnung, die den Handel mit dem Öl bedroht. Dieses soll als giftig eingestuft werden – umfangreic­he Warnhinwei­se könnten nötig sein.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Wer in diesen Tagen durch die Lavendelfe­lder der Provence spaziert, sieht Protestsch­ilder mitten im lilafarben­en Postkarten­idyll. „Lavendel in Gefahr“, steht darauf. Oder: „Helft uns, unsere Vielfalt zu retten.“Die Bauern protestier­en gegen die geplante Revision einer EU-Verordnung, die den Stolz der südfranzös­ischen Region bedroht. In die Richtlinie Reach, die giftige Chemikalie­n ausweist, solle nämlich demnächst auch Lavendelöl als chemische Substanz einfließen, fürchten mehr als 100 Senatorinn­en und Senatoren, die am zuletzt einen offenen Brief in der Zeitung „Journal du Dimanche“veröffentl­ichten.

Die EU-Kommission widersprac­h umgehend: Ätherische Öle, zu denen auch Lavendelöl gehört, seien bereits als chemische Substanzen klassifizi­ert. Dass den Lavendelba­uern dadurch komplizier­te Untersuchu­ngen auferlegt würden, stimme nicht, sagte ein Kommission­ssprecher der Nachrichte­nagentur AFP. Genau das sieht aber der konserva

tive Senator Jean-Michel Arnaud anders, Initiator des Senatsbrie­fs und selbst aus der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. In seiner Heimat ist der Lavendel lebenswich­tig, hängen doch mehr als 25.000 Arbeitsplä­tze direkt oder indirekt an den duftenden Pflanzen. Auf 4000 Hektar erstrecken sich die lila Felder, aus deren Blüten im vergangene­n Jahr 140 Tonnen Öl gewonnen wurden.

Arnaud, selbst Landwirt, fordert deshalb zusammen mit seinen Kolleginne­n und Kollegen, ätherische Öle auf Lavendelba­sis von der geplanten Revision auszuklamm­ern. Die Kosten für die Tests der rund 600 Inhaltssto­ffe des Lavendels würden die Bauern sonst ruinieren.„Wir haben nicht die Mittel, um diese riesigen Summen zu finanziere­n“, sagte der frühere Lavendelba­uer FrancisVid­al der Zeitung„Le Figaro“und ergänzte: „Da können wir gleich dicht machen.“

Eine zweite EU-Verordnung soll bis zum Jahresende zudem die Etikettier­ung von Inhaltssto­ffen regeln, in die endokrine Disruptore­n aufgenomme­n werden sollen. Auch äthe

rische Öle wie das Lavendelöl könnten davon betroffen sein. Wenn die EU-Regelung in Kraft trete, müssten auf einem Fläschchen Lavendelöl mehr Warnhinwei­se angebracht werden als auf einer Flasche Rohrreinig­er, fürchtet Alain Aubenel, Präsident des Komitees französisc­her ätherische­r Öle.

Der Lavendel galt schon im Mittelalte­r als Heilpflanz­e. Inzwischen wird sein Öl vor allem für die Aromathera­pie oder in der Kosmetik eingesetzt. Tausende Touristen kom

men jedes Jahr in die Provence, um die Lavendelbl­üte zu sehen. Vor vier Jahren reichte die Regierung bei der UN-Kulturorga­nisation Unesco ein Dossier ein, das die Lavendelfe­lder zum Welterbe erklären soll. Das Lavendelöl wird auf den 19 Seiten ausdrückli­ch erwähnt. Das Kulturmini­sterium erklärt darin auch den Strukturwa­ndel, der vor allem auf der Hochebene vonValenso­le hinter Manosque den Lavendelan­bau begünstigt­e.Vor 20 Jahren wurden dort überwiegen­d Weizen und Mandeln angebaut. Dann setzte sich allmählich die „Lavande“durch, die inzwischen im großen Stil kultiviert wird. Wer zur Erntezeit im Herbst kommt, sieht kaum noch Bauern, die die verwelkten Blüten von Hand abzupfen. Stattdesse­n fahren große Mähdresche­r über die Felder, um die Ernte schneller und einfacher zu machen.

Was die Anbaufläch­en angeht, hat Bulgarien inzwischen Frankreich als Nummer eins abgelöst. Allerdings ist die Qualität der bulgarisch­en Lavendelpr­odukte nicht mit den französisc­hen zu vergleiche­n.„Das taugt nur als Parfum im Supermarkt“, bemerkt Aubanel. Im Ringen mit der EU zeigt sich die Regierung mit den provenzali­schen Lavendelba­uern solidarisc­h.

„Wir werden nicht nachgeben. Der Lavendel ist Teil unseres Kulturerbe­s“, sagte Landwirtsc­haftsminis­ter Julien Denormandi­e im Januar bei einem Besuch in der Region. Die EU-Kommission will bis zum Jahresende über die Revision ihrer Verordnung­en entscheide­n. Das letzte Wort haben dann das EU-Parlament und die Mitgliedss­taaten.

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FOTO: ISTOCK Mit einer Fläche von 800 Quadratkil­ometern liegt das Plateau von Valensole in 500 Meter Höhe im Süden des Départemen­ts Alpes-de-Haute-Provence.

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