„The Voice Kids“hat Jemimas Leben verändert
Die 15-Jährige aus Wermelskirchen rührte bei der Castingshow Tausende zu Tränen. Inzwischen ist sie wieder im Alltag zurück – und doch ist alles anders.
WERMELSKIRCHEN Sie kommt gerade aus dem Jugendfreizeitpark. Ihr Skateboard klemmt unter ihrem Arm. Jemima setzt ihre großen weißen Kopfhörer ab. Die Töne von „Ding“der Berliner Gruppe Seeed verklingen. Hip-Hop, ein bisschen Reggae. Jemima lächelt etwas schüchtern. „Ich hör so viel Verschiedenes“, sagt sie und lässt die Kopfhörer in der Tasche verschwinden.
Die Sonnenbrille hat sie sich in die Haare gesteckt. Sie wirkt entspannt. „Chillen im Skaterpark, draußen sein mit meinen Freunden: Das mag ich“, sagt sie. Und das hat sich auch nicht verändert, seit ein Millionenpublikum ihr Gesicht und ihre Stimme kennt. Manchmal winken ihr jetzt Kinder auf der Straße zu. „Ich freu mich darüber“, sagt Jemima, „und ich winke zurück.“Viele seien dann überrascht. Und auch ihre besten Freundinnen sind manchmal irritiert, wenn Jemima wildfremden Menschen winke. „Aber ich bin doch immer noch ich“, sagt die 15-Jährige, „ich bin genauso wie alle anderen. Das hat sich doch nicht geändert.“
Und doch hat sich mit ihrem erfolgreichen Auftritt in der Sat.1Castingshow „The Voice Kids“vieles für die Gymnasiastin verändert. „Vor allem war das eine richtig gute Zeit“, sagt sie und lässt die Ereignisse seit Sommer 2021 Revue passieren. Damals nahm sie endlich allen Mut zusammen und bewarb sich für die Castingshow – nachdem sie ihren Vater erst davon hatte überzeugen müssen. Sie hatte alle Argumente abgewogen, überlegt, ob sie mit harter Kritik zurechtkäme und mit einem frühen Ausscheiden. Und sie war zu dem Entschluss gekommen: „Ich will das machen“. Also schickte sie ein Video zum Sender. Die Antwort ließ mehrere Monate auf sich warten. Und fast hätte sie die erlösende Einladung des Senders zum Scouting-Termin verpasst. Die Mail war versehentlich im Papierkorb gelandet. „Das war einfach alles krass“, sagt die 15-Jährige heute und erzählt vom ersten Vorsingen in Köln, von der ersten Reise nach Berlin. „Das war direkt nach der Kirmes. Und ich war heiser. Hab keinen Ton raus bekommen“, sagt sie, „ich hatte bei einfach zu viel rumgeschrien.“Aber im entscheidenden Moment war die Stimme wieder da. Sie schaffte es bis in die „Blind Auditions“. Die erste Fernsehaufzeichnung, die prominente Jury und ihr Auftritt mit „Say Something“. „Ich hatte mir schon vorher überlegt, die Augen zu schließen und einfach nur zu singen“, sagt sie. Wenn sie zu viel denke, vergesse sie nur den Text. Also sang sie. Völlig versunken. Im Publikum saßen damals auch ihre beiden besten Freundinnen Zoe und Hanna. Ihnen ging es wie vielen Zuschauern, die Tränen liefen ihnen über die Wangen – und die Kamera fing das ein. Sie könne das gar nicht verstehen, dass ihre Stimme die Menschen so berühre. „Ich bin dankbar dafür, aber ich verstehe es nicht“, sagt sie. Sie singe doch einfach nur – so wie damals im Studio.„Das Buzzern hört man übrigens gar nicht, es ist ganz leise“, erzählt Jemima. Erst als sie die Augen öffnete, sah sie, dass sich alle Juroren für sie umgedreht hatten. Was dann folgte: „Einfach nur krass, diese ganze Zeit.“
Die anderen Kandidaten seien für eine Zeit lang wie ihre zweite Familie gewesen.„Eigentlich meint man, da wäre Konkurrenz“, sagt sie, „aber dann hast du es nicht verstanden. Alle haben das gleiche Ziel. Das war kein Gegeneinander.“Runde für Runde überzeugte Jemima die Jury – vor allem ihren eigenen Coach, Lena Meyer-Landruth. „Ich fühle mich so ‚Ich‘ bei ihr“, sagt Jemima heute, „das hat einfach richtig gut gepasst.“Es sind wertvolle Erinnerungen, die sie mitnimmt – Augenblicke, die sie nicht vergisst. Dass es am Ende nicht für den Sieg gereicht hat? „Das war gar nicht mehr so wichtig“, sagt Jemima und erzählt von einem Moment vor der Entscheidung als die Kandidaten sich an den Händen hielten, kleine Re
den schwangen und weinten. „Einfach, weil diese Zeit vorbei war“, sagt die 15-Jährige.
Wie es weitergeht? „Ich möchte weiter singen“, sagt sie und erzählt von jenen Momenten, lange, bevor ihre Mutter starb, in denen sie gemeinsam sangen, den Gottesdienst begleiteten und sie das Leuchten in den Augen der Zuhörer entdeckte. Sie sei dank der neuen Erfahrungen etwas weniger schüchtern, sagt sie noch. Sie habe immer lange gebraucht, um sich zu öffnen. „Damit kann ich jetzt besser umgehen“, sagt sie. Bei „Rock am Markt“stand sie zum ersten Mal wieder auf der Bühne, danach beim Jugendfestival. Die Stadt Loches hat sie gebeten, in der französischen Partnerstadt zu singen. In ihrer Gemeinde in Leverkusen gibt es inzwischen eine Band, in der auch ihre Brüder spielen. „Das macht Riesenspaß“, sagt sie. Und Jemima hat das Tanzen für sich entdeckt – am liebsten Hiphop oder Freestyle. Ob sie auch mal beruflich in diese Richtung wolle? „Ich will Anwältin werden“, sagt Jemima, ohne zu zögern, „ich will Menschen helfen, die sonst keine Stimme haben.“