Flughafen-Gastarbeiter erst nach Ferien
Die Bundesregierung will das Chaos an den Airports mit dem Einsatz ausländischer Beschäftigter in den Griff bekommen. Für NRW dürfte die Unterstützung nicht rechtzeitig kommen, Köln-Bonn ist trotzdem interessiert.
DÜSSELDORF/BERLIN Die Ankündigung der Bundesregierung, wegen der Personalengpässe an deutschen Flughäfen den kurzfristigen Einsatz ausländischer Beschäftigter zu erleichtern, dürfte nach Ansicht von Experten wegen der umfangreichen Sicherheitsüberprüfungen an den NRW-Flughäfen kurzfristig nicht die erhoffte Entspannung bringen.„Für die Sommerferien in NRW kommt die Hilfe vermutlich zu spät“, sagte Andrej Bill, der für Verdi die Interessen der Gepäck- und Flugzeugabfertiger vertritt: „Arbeitskräfte aus der Türkei zu holen, ist kompliziert. Allein schon ihre Sicherheitsüberprüfung wird schwierig und aufwendig sein. Und dann kommt noch die Zeit für die Einarbeitung hinzu.“
Fehlende Mitarbeiter beim Checkin, bei der Gepäckabfertigung und den Sicherheitskontrollen haben an Flughäfen in Köln/Bonn und Düsseldorf zum Start der Hauptreisezeit zu teils chaotischen Zuständen geführt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, dass man ermöglichen werde, dass die Firmen Hilfskräfte aus dem Ausland, vor allem der Türkei, einsetzen könnten. Auf Anfrage erklärte der Airport Köln-Bonn, man prüfe „intensiv“, Kräfte aus dem Ausland einzusetzen, obwohl aktuell die Gepäckabfertigung ganz gut laufe. Der entscheidende Engpass seien die Sicherheitskontrollen, wo aber Kollegen aus der Türkei nicht helfen könnten. Dies ist auch in Düsseldorf so.
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) betonte, die Engpässe seien „ein Problem, das wir europaweit haben“. Fachkräfte seien während der Pandemie abgewandert. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, es gehe um einige Tausend Arbeitskräfte, die an Flughäfen in der Türkei derzeit nicht gebraucht würden. Eingestellt werden müssten sie von den Unternehmen. Für den Einsatz in Deutschland sollten staatlicherseits schnell Voraussetzungen mit Einreise- und Aufenthaltstiteln und Arbeitserlaubnissen geschaffen werden.
Zeitlicher Knackpunkt bleiben die Zuverlässigkeitsüberprüfungen der einzusetzenden Mitarbeiter; sie werden von den Bezirksregierungen durchgeführt. „Sie dauern jetzt etwa vier bis sechs Wochen – und das auch für bestehendes Personal am Flughafen, das in einem regelmäßigen Turnus neu überprüft werden muss; von denen also schon Daten vorliegen“, hieß es aus Sicherheitskreisen: „Wenn jetzt Kräfte aus der Türkei durchleuchtet werden sollen, wird das vermutlich länger dauern.“
Bei dem Sicherheitscheck wird das Führungszeugnis, die Wohnanschrift der letzten zehn Jahre und die Arbeitsverhältnisse der zurückliegenden fünf Jahre geprüft. Die Überprüfungen sind notwendig, weil die Bereiche am Flughafen, wo die Kräfte eingesetzt werden sollen, zu einem Hochsicherheitsgebiet gehört. Faeser (SPD) betonte deswegen auch, dass es bei Anforderungen an Sicherheit und Zuverlässigkeit keine Abstriche geben werde.
Verdi-Sekretär Özay Tarim kritisierte, dass im Vorfeld sämtliche Warnungen in den Wind geschlagen worden seien.„Wir haben schon vor einem Jahr auf diese Missstände hingewiesen. Aber die Bundesministerien wollten nicht auf uns hören“, sagte Tarim. „Es wurden viele Leute, die jetzt fehlen, vor die Tür gesetzt. Und jetzt muss man über abenteuerliche Umwege Kräfte aus der Türkei holen. Das ist Missmanagement“, so Tarim. Auch die Verbraucherzentralen sagten, Berlin habe sich das Chaos zu lange angesehen.
„Die Airlines und die Dienstleister haben in der Corona-Krise mehr Personal abgebaut, als sinnvoll war“, ergänzte der Hamburger Unternehmensberater Gerald Wissel, „das fällt der Branche nun auf die Füße.“Die Lage ist so ernst, dass Lufthansa-Chef Carsten Spohr in einer internen Mail einräumte, man habe wohl an manchen Stellen zu sehr gespart, nun werden sogar die Riesenjets A380 wieder reaktiviert.
Immer wieder kommt es weiter zu kurzfristigen Flugausfällen; am Düsseldorfer Airport gab es allein am vergangenen Wochenende 70 Verbindungen, die gestrichen worden sind. Auch am Mittwoch strich Euowings wieder acht von knapp 45 Flügen in Düsseldorf. Beim Lufthansa-Ableger befürchtet man weitere Ausfälle, auch weil sich immer wieder viele Kollegen krank melden.