RHEINISCHE LÖSUNG Rheinisches Taktgefühl
Musik, die der guten Stimmung dient, ist nicht verwerflich, sondern willkommen.
Der Rheinländer hat ein feines Gespür für schräge Töne. Deshalb wird hierzulande auch unterschieden zwischen Musik, gern auch klassisch intoniert und im Konzert inszeniert, oder Musick, gemacht und gespellt vörr de Freud. Musick, die Betonung liegt auf dem ck, hat einen vor allem unterhaltenden Zweck, wird – wenn eintönig – als Jedudels verunglimpft, kann aber auch ausgelassen und fröhlich sein – Kirmesmusick oder Rockmusick. Insoweit haben Campino und die Kölner Brings-Brüder eins gemeinsam: Sie wissen, wie außer Rand und Band geht, wie Musick funktioniert – über Ohr und Herz. Das sind rheinische Profis, denen kein Türelür daneben geht. Ganz anders im Brauchtum. Da wird – ob zur Kirmes oder im Karneval – Musick gebraucht, um in
Bewegung zu kommen, zu schunkeln, zu paradieren, zu jubilieren. Entscheidend ist häufig nicht, ob die Akteure wirklich Musick mahke könne, wichtig ist, dass sie es irgendwie gut rüber bringen.
So wird hierzulande getrötet, was das Zeug hält. Bei uns zu Hause hat meine Herzallerliebste das geübte Gehör. Oft genug verkündet sie: „Hörst du das gar nicht – die spielen falsch.“Dann muss ich die Kritikerin, von ihrem bergischen Vater musikalisch, aber wenigerniger in Stimmungen geschult, aufklären: „Et jeht doch ömm de Freud.“Heißt konkret: Hauptsache, das Bierchen schmeckt. Und deshalb bekommen die Musikanten, unter denen es natürlich wirklich Gute gibt, zwischendurch immer auch eine Runde ausgegeben. Motto: Ohne Tön kann kinner
Musick mahke. Ohne Bierche och net. Was nun Musik oder Musick ist, wird klar kommuniziert. Als jüngst unser benachbarter Wirt, in dessen Draußengastronomie der Stern (der deinen Namen trägt) besungen wird, für ihn ungewöhnliche Töne vernahm, fragte er an: „Spielt Ihr Weihnachtslieder?“Es war aber Bach. Meine Freundin saß am Cembalo. Unser Bürgermeister ist jetzt auch Tröötemann geworden. Er übt Alphorn, das er zum Schützenfest geschenkt bekommen hat, weil er ja schon als Trommler Taktgfühl bewiesen habe. Wie pflegte mein Vater, nicht ohne Zwischentöne, zu sagen: „Da muss man Freud dran haben.“