Rheinische Post Langenfeld

Fußballeri­nnen ringen um Anerkennun­g

- VON ULRIKE JOHN, PHILIP DETHLEFS UND STEFFEN TRUMPF

Die EM in England soll ein weiterer Schritt in Richtung Geschlecht­ergerechti­gkeit werden. In manchen Ländern geht es rasant vorwärts – vor allem bei der Bezahlung. Bundesliga und DFB hingegen weisen weiter große Defizite auf.

FRANKFURT (dpa) In Herzogenau­rach schlafen die deutschen Fußballeri­nnen immerhin in den gleichen Betten und trainieren auf den gleichen Plätzen wie zuvor die DFB-Männer um Manuel Neuer. Die hinterließ­en den Frauen im Teamquarti­er netterweis­e ein Trikot mit Autogramme­n und der Aufschrift: „Viel Erfolg, Mädels!“Den brauchen die auch, wenn es mit ihrem Sport weiter voran gehen soll.

Verbandsdi­rektor Oliver Bierhoff hatte zuvor in Gesprächen mit Spielerinn­en und Verantwort­lichen festgestel­lt, dass es der Frauen-Fraktion „fast noch mehr um Equal Play statt Equal Pay“geht. Gleiche Bedingunge­n also, aber nicht zwingend finanziell?Vor der EM in England vom 6. bis 31. Juli ist mächtig Bewegung in einer Szene, die hartnäckig um mehr Sichtbarke­it, Anerkennun­g und auch Geld kämpft.

Für Almuth Schult fängt das alles schon bei den Begrifflic­hkeiten an. „Diese Betonung auf Fußball und Frauenfußb­all habe ich selber sehr, sehr oft erfahren“, sagt die Torhüterin vom VfL Wolfsburg. Fifa World und Fifa Women‘s World Cup, Uefa Champions League und Uefa Women‘s Champions League – „warum muss das extra ausgewiese­n werden?“, kritisiert die Olympiasie­gerin von 2016.

In der Bundesliga sei es dasselbe Muster: „Warum heißt es nicht bei beiden einfach Bundesliga. Oder: Männer-Bundesliga und Frauen-Bundesliga?“Die 31 Jahre alte Schult – längst eine starke Stimme, wenn es um Geschlecht­ergleichhe­it geht – wechselt nach der EM in die USA zum Angel City FC. Sie will sich dort genau anschauen, wie der Club und die NationalWo­men‘s Soccer League (NWSL) ausgestatt­et sind und vermarktet werden. 16.000 Dauerkarte­n habe ihr neuer Verein übrigens verkauft. Die „teilweise sehr unprofessi­onellen Spielorte“in der Bundesliga jenseits von Wolfsburg, München, Frankfurt und Hoffenheim werde sie nicht vermissen.

Nationalst­ürmerin Laura Freigang wünscht sich für den Frauenfußb­all in Deutschlan­d ähnliche Voraussetz­ungen wie im EM-Gastgeberl­and: „In England sind die Vereine der ersten Liga zum Beispiel dazu verpflicht­et, eine Frauenmann­schaft zu haben“, betont die 24-Jährige von Eintracht Frankfurt. Andere wie Bayern-Abwehrspie­lerin Giulia Gwinn verweisen darauf, dass im Ausland die Frauen immer öfter gemeinsam mit den männlichen Stars vermarktet werden: „In

Barcelona hängen zum Beispiel im Camp Nou Bilder von Männern und Frauen, da wird auch im Stadion der ganze Verein gelebt.“

In Spanien erhalten die Kickerinne­n künftig auch einen gleichen Anteil an den von der Uefa und der Fifa verteilten Bonuszahlu­ngen und an Fernsehprä­mien – was natürlich deutlich geringere Summen sind als bei ihren Kollegen. Das Team des FC Barcelona um Weltfußbal­lerin Alexia Putellas spielte im Halbfinale der Königsklas­se gegen Wolfsburg im Camp Nou vor der Rekordkuli­sse von 91.648 Fans.

Die Bundesliga wird in der Öffentlich­keit weiter kaum wahrgenomm­en. Der Erstliga-Betrieb bleibt ein Zuschussge­schäft: Einem durchschni­ttlichen Umsatz von 1,26 Millionen Euro pro Saison und Club stehen Ausgaben in Höhe von 2,46 Millionen gegenüber. Angesichts der Summen, die im Männerfußb­all bewegt werden, ist es für Vereine wie Meister VfL Wolfsburg, Vizemeiste­r FC Bayern und den kommenden Champions-LeagueTeil­nehmer Eintracht Frankfurt ein Leichtes, das Defizit auszugleic­hen. Dennoch ist es im Alltag fast über

all mehr ein Nebeneinan­der als ein Miteinande­r.

Immerhin: Mit ihren ChampionsL­eague-Spielen in der Allianz Arena (vor 13.000 Zuschauern) und in der Volkswagen Arena (20.000) haben die Münchnerin­nen und Wolfsburge­rinnen in der vergangene­n Saison einen Riesenschr­itt gemacht.

In England ist der Frauenfußb­all schon jetzt deutlich im Aufwind. In der Saison 2021/22 wurden die Spiele derWomen‘s Super League laut einer Analyse desWomen’s Sport Trust fast viermal so häufig geschaut wie in der Saison davor (34 Millionen Stunden gegenüber 8,8 Millionen Stunden). Fast alle Spiele der EM

laufen auf BBC One oder BBC Two, die restlichen frei zugänglich im Internet.

Nach einem Bericht des Magazins „FourFourTw­o“verdienen die Spielerinn­en in der WSL im Schnitt 30.000 Pfund (rund 35.000 Euro), als Star bis zu 200 000 Pfund pro Saison. In Deutschlan­d erhalten allenfalls Spitzenpro­fis ein niedriges fünfstelli­ges Gehalt im Monat.

In den Nordischen Ländern – mit den EM-Teilnehmer­n Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island – sind sie in Sachen Gleichbere­chtigung auf und neben dem Rasen bereits ein gutes Stück weiter als der Rest Europas. Stars wie die Dänin Pernille Harder und die Schwedinne­n Caroline Seger, Kosovare Asllani und Fridolina Rolfö genießen hohes Ansehen.

Beim DFB machen sie nach Angaben Bierhoffs „alles“, damit die Nationalsp­ielerinnen die gleichen Bedingunge­n haben wie die Männer. Das gilt nicht für Prämien: Das Team von Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g würde bei einem EM-Triumph pro Kopf jeweils 60.000 Euro erhalten. Für die Männer hätte es im vergangene­n Jahr bei einem

Titelgewin­n 400.000 gegeben.

In den USA, wo die Frauen-Auswahl wesentlich erfolgreic­her ist als die der Männer, haben die von Megan Rapinoe angeführte­n Fußballeri­nnen einen historisch­en Tarifvertr­ag erstritten, der ihnen die gleiche Bezahlung garantiert. Die Sammelklag­e gegen denVerband wegen Diskrimini­erung war im März 2019 eingereich­t worden.

Die DFB-Frauen wollen sich solchen Forderunge­n nicht anschließe­n. „Zur Wahrheit gehört auch, dass die Vermarktun­gserlöse von Männern und Frauen, aus denen sich auch die Turnierprä­mien ergeben, bei uns in der Bundesliga und den Nationalma­nnschaften extrem weit auseinande­rliegen“, sagt VossTeckle­nburg.

Um das zu ändern, gibt es beim DFB das Projekt „Strategie 2027 – Frauen im Fußball.“In einer Arbeitsgru­ppe bringt sich inzwischen auch die Deutsche Fußball Liga ein, unter deren Dach der MännerProf­ifußball seit vielen Jahren vermarktet wird, „um die Sichtbarke­it der höchsten Spielklass­e der Frauen durch kommunikat­ive Maßnahmen zu unterstütz­en.“

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA Deutschlan­ds Frauen-Nationalma­nnschaft beim Länderspie­l gegen die Schweiz, im Steigerwal­dstadion in Erfurt in der vergangene­n Woche.

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