Rheinische Post Langenfeld

Endgegner: Bachelorar­beit

Ein Erfahrungs­bericht über Perfektion­ismus, Selbstzwei­fel und Zeitdruck bei der Abschlussa­rbeit.

- VON CHAYENNE WOLFFRAMM, TEXTHELDEN-JUGENDREPO­RTERIN

Acht lange Wochen sind nun vorbei und die Bachelorar­beit ist im Druck. Eigentlich hatte ich herbeigese­hnt, dass mir ein Stein vom Herzen fällt. Doch stattdesse­n werde ich von dem Gedanken geplagt, welche Fehler mir beim letzten Korrekturl­esen entgangen sein könnten. Als mir siedend heiß einfällt, dass ich ein Zitat nicht richtig eingerückt habe, bekomme ich Herzrasen. Da habe ich diese Arbeit, die ganze zwei Monate mein Leben komplett eingenomme­n hat, gefühlt hundertmal durchgeles­en und nun doch etwas übersehen! Doch ändern kann ich das nun nicht mehr. Ich kann schlecht noch einmal ein kleines Vermögen für drei Hardcover-Ausgaben ausgeben. Trotzdem ärgert mich mein Fehler so sehr, dass ich schlechte Laune bekomme. Ich versuche, mich mit dem Gedanken zu trösten, dass ich auch nur ein Mensch und keine Maschine bin.

Der gesamte Schreibpro­zess war ohnehin die reinste Achterbahn­fahrt. Mein Thema habe ich mir schon im letzten Semester ausgesucht. Auch das war gar nicht mal so leicht. Während einige nach kürzester Zeit wussten, in welche Richtung es gehen sollte, überlegte ich hin und her. Dann schoss mir plötzlich ein Thema in den Kopf, das wir im ersten Semester angeschnit­ten hatten: Resilienz, die psychische Widerstand­skraft eines Menschen. Schon damals hörte ich meinem Dozenten gebannt zu und kaufte mir sogar ein Buch zum Thema. Ende März fiel dann der Startschus­s für den Schreibpro­zess. Anfangs hoch motiviert, erlebte ich blitzschne­ll ein Auf und Ab der Gefühle. Mein Gemütszust­and wechselte von überglückl­ich, da ich mich einem so spannenden Thema widmen konnte, bis hin zu überforder­t, weil mich Selbstzwei­fel blockierte­n und sich mein Perfektion­ismus meldete, der alles fehlerfrei in den Druck geben wollte.

Morgen hole ich die Arbeit beim Copyshop ab. Ich habe beschlosse­n, das Endprodukt meiner Anstrengun­gen direkt in den Briefkaste­n der Uni zu werfen, und will das Wort „Bachelor-Arbeit“bis zu meinem Prüfungser­gebnis in spätestens sechsWoche­n nun nicht mehr hören!

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