Das bedeutet das Corona-Comeback für uns
Kaum noch Schutzmaßnahmen, große Veranstaltungen, ein Gefühl der Freiheit – die Corona-Zahlen steigen im Kreis Mettmann wieder extrem an. Doch was genau bedeutet das nun für die Menschen in der Region?
HILDEN/HAAN 4830 Neu-Infektionen innerhalb einer Woche meldet das Gesundheitsamt an diesem Mittwoch für den Kreis Mettmann, insgesamt 8850 Menschen gelten aktuell offiziell als infiziert. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht angesichts dieser, deutschlandweit ähnlichen Zahlen, von einer Sommerwelle.
Die Leiterin des Kreisgesundheitsamtes, Ruzica Susenburger, erklärt, warum die Zahlen momentan wieder so deutlich ansteigen:„Der spürbare Anstieg an Neuinfektionen hängt mit den neuen Omikron-Sublinien BA.4 und BA.5 und der nochmals deutlicheren Ansteckungsfähigkeit zusammen. Beide Sublinien sind schneller und damit ansteckender als die bislang in Deutschland verbreitete Sublinie BA.2. Wir erleben gerade jetzt die BA.5-Welle.“Hotspots seien alle Plätze und Situationen, in denen viele Menschen ohne Maske zusammen kommen. „Je höher die Inzidenz, desto höher das Risiko, hier einer infizierten Person zu begegnen.“Covid-19 werde in der Bevölkerung momentan als nicht mehr so riskant für die eigene Gesundheit erlebt.„Damit steigt die Risikobereitschaft. Schutzmaßnahmen wie die Reduktion von Kontakten, das Maske-Tragen oder Abstand werden als kaum noch notwendig angesehen“, erklärt sie, zeigt aber auch Verständnis für diesesVerhalten:„Wir alle haben Sehnsucht nach einer Rückkehr zur Normalität.“
Geht die Medizinerin denn davon aus, dass die Zahlen auch die Realität wiedergeben oder ob es noch eine hohe Dunkelziffer gibt? „Die allermeisten Menschen bemerken Corona-Symptome oder ein Krankheitsgefühl doch relativ deutlich und wollen durch die Testung Klarheit gewinnen“, sagt Ruzica Susenburger.„Wir erleben aber leider auch eine gewisse Anzahl Menschen, die Symptome haben und vielleicht sogar einen positiven Selbsttest, die aber bewusst überhaupt keine offizielle Testung durchführen lassen. Auch dies hat damit zu tun, dass Covid-19 derzeit als weniger gefährlich eingestuft wird.“Es sinke die Bereitschaft, persönliche Einschränkungen wie die Isolation zum Wohl und zum Schutz anderer in Kauf zu nehmen.„Im Sinne der Gemeinschaft und der gegenseitigen Rücksichtnahme ist dies kein einfaches Thema.“
Das war vor zwei Jahren noch anders. „Im Jahr 2020 waren wir dem neuen Coronavirus schutzlos gegenüber. Es gab keine Impfungen. Masken und strikte Kontaktbeschränkungen waren die einzigen Mittel, die zur Verfügung standen. In den ersten Winter hinein gab es eine große Sterblichkeit vor allem in der älteren Bevölkerung“, erklärt die Gesundheitsamtsleiterin. Nach und nach habe sich dasVirus vomWildvirus über die Alpha- zur Delta-Variante weiterentwickelt. „Alle neuen Varianten waren ansteckender als die vorherigeVariante und führten jeweils zu einer neuen Erkrankungswelle.“Hinzu sei gekommen, dass die Impfquote in Deutschland im Herbst 2021 weit hinter anderen europäischen Ländern zurücklag.„Rund 35 Prozent der Deutschen waren ohne Impfschutz. Mit der hochansteckenden Delta-Variante kam es im Herbst/Winter 2021/22 zu einer Welle schwer erkrankter Personen, die im Krankenhaus behandelt werden mussten. Insbesondere die Plätze auf den Intensivstationen, aber auch auf der Normalstation wa
ren überlastet. Mit der Omikron-Variante haben wir seit Anfang 2022 die erste Variante, die zu weniger schweren Krankheitsverläufen führt.“Die eigentliche Belastung der Krankenhäuser und Pflegeheime bestehe aktuell darin, dass viele Mitarbeiter selber infiziert sind und symptomatisch erkrankt ausfallen. Die Ansteckungen erfolgten meist im privaten Bereich, führten aber bei dem vorbestehenden Fachkräfte-Mangel in der Konsequenz schon jetzt im Sommer zu einer Dauerbelastung für die Krankenhäuser und Pflegeheime.
Das bestätigt Cerstin Tschirner, Sprecherin von Kplus, der Betreibergesellschaft der Krankenhäuser in Hilden und Haan:„Die hohe Zahl der Neuerkrankten macht natürlich auch vor unseren Mitarbeitenden nicht halt“, erklärt sie. Aktuell seien einige Mitarbeiter in Quarantäne.„Momentan läuft der Betrieb in beiden Krankenhäusern normal. Jetzt kommt die Urlaubszeit – das in Verbindung mit QuarantänenundeinemhohenKrankenstand vereinfacht die personelle Situation aktuell nicht.“Die Coro
na-Regeln sind in den Kliniken daher auch noch besonders hoch:„In beiden Häusern gilt 3G+, jeder muss einen negativen Schnelltest vorweisen – der Booster ersetzt die Testpflicht nicht“, sagt Cerstin Tschirner. Außerdem gilt eine Maskenpflicht. „Das ist teilweise schon schwierig durchzusetzen, eben weil das Krankenhaus einer der wenigen Bereiche ist, in denen es überhaupt noch Einschränkungen gibt – die wir allerdings zum Schutz unserer Patientinnen und Patienten sowie unserer Mitarbeitenden weiterhin für erforderlich und sinnvoll halten.“Für den Herbst erwartet die Kplus-Gruppe mit neuenVirus-Varianten auch neue Wellen. „Ob die Erkrankungen dann zu stationären Klinikaufenthalten führen werden, muss man abwarten.Wir sind vorbereitet und können auf Basis der Erfahrungen der letzten Jahre schnell reagieren.“
Für den Herbst und die erwartete nächste Welle bereitet sich auch das Gesundheitsamt vor.„Durch die höhere Ansteckungsfähigkeit des Virus muss von sehr viel höheren Infektionszahlen als im Vorjahr ausgegan
gen werden. Entscheidend für die Gesundheitsämter wird deswegen eine konsequente Digitalisierung und automatisierte Bearbeitung eingehender Meldungen sein“, erklärt Ruzica Susenburger. „Das Personal soll schwerpunktmäßig für den gezielten Schutz der vulnerablen Personengruppen, der Sicherung der medizinischen Versorgung und der Pflegeheime zur Verfügung stehen. Zusätzlich wurden die Gesundheitsämter aufgefordert, die Infrastruktur der Impfzentren einsatzbereit für eine möglicherweise notwendige Impfung der breiten Bevölkerung binnen weniger Wochen zu halten.“Das Gesundheitsamt hat darüber hinaus einen Stufenplan ausgearbeitet, um immer ausreichend Mitarbeiter zurVerfügung zu haben. Er orientiert sich unter anderem an der Inzidenz.
Die Gesundheitsamtsleiterin bittet die Bürger um Rücksicht: „Bei Symptomen bitte den Arzt kontaktieren, als Kontaktperson zur Testung gehen und bei positivem Ergebnis isolieren und relevante Kontakte informieren.“