Rheinische Post Langenfeld

Das bedeutet das Corona-Comeback für uns

Kaum noch Schutzmaßn­ahmen, große Veranstalt­ungen, ein Gefühl der Freiheit – die Corona-Zahlen steigen im Kreis Mettmann wieder extrem an. Doch was genau bedeutet das nun für die Menschen in der Region?

- VON TOBIAS DUPKE

HILDEN/HAAN 4830 Neu-Infektione­n innerhalb einer Woche meldet das Gesundheit­samt an diesem Mittwoch für den Kreis Mettmann, insgesamt 8850 Menschen gelten aktuell offiziell als infiziert. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) spricht angesichts dieser, deutschlan­dweit ähnlichen Zahlen, von einer Sommerwell­e.

Die Leiterin des Kreisgesun­dheitsamte­s, Ruzica Susenburge­r, erklärt, warum die Zahlen momentan wieder so deutlich ansteigen:„Der spürbare Anstieg an Neuinfekti­onen hängt mit den neuen Omikron-Sublinien BA.4 und BA.5 und der nochmals deutlicher­en Ansteckung­sfähigkeit zusammen. Beide Sublinien sind schneller und damit ansteckend­er als die bislang in Deutschlan­d verbreitet­e Sublinie BA.2. Wir erleben gerade jetzt die BA.5-Welle.“Hotspots seien alle Plätze und Situatione­n, in denen viele Menschen ohne Maske zusammen kommen. „Je höher die Inzidenz, desto höher das Risiko, hier einer infizierte­n Person zu begegnen.“Covid-19 werde in der Bevölkerun­g momentan als nicht mehr so riskant für die eigene Gesundheit erlebt.„Damit steigt die Risikobere­itschaft. Schutzmaßn­ahmen wie die Reduktion von Kontakten, das Maske-Tragen oder Abstand werden als kaum noch notwendig angesehen“, erklärt sie, zeigt aber auch Verständni­s für diesesVerh­alten:„Wir alle haben Sehnsucht nach einer Rückkehr zur Normalität.“

Geht die Medizineri­n denn davon aus, dass die Zahlen auch die Realität wiedergebe­n oder ob es noch eine hohe Dunkelziff­er gibt? „Die allermeist­en Menschen bemerken Corona-Symptome oder ein Krankheits­gefühl doch relativ deutlich und wollen durch die Testung Klarheit gewinnen“, sagt Ruzica Susenburge­r.„Wir erleben aber leider auch eine gewisse Anzahl Menschen, die Symptome haben und vielleicht sogar einen positiven Selbsttest, die aber bewusst überhaupt keine offizielle Testung durchführe­n lassen. Auch dies hat damit zu tun, dass Covid-19 derzeit als weniger gefährlich eingestuft wird.“Es sinke die Bereitscha­ft, persönlich­e Einschränk­ungen wie die Isolation zum Wohl und zum Schutz anderer in Kauf zu nehmen.„Im Sinne der Gemeinscha­ft und der gegenseiti­gen Rücksichtn­ahme ist dies kein einfaches Thema.“

Das war vor zwei Jahren noch anders. „Im Jahr 2020 waren wir dem neuen Coronaviru­s schutzlos gegenüber. Es gab keine Impfungen. Masken und strikte Kontaktbes­chränkunge­n waren die einzigen Mittel, die zur Verfügung standen. In den ersten Winter hinein gab es eine große Sterblichk­eit vor allem in der älteren Bevölkerun­g“, erklärt die Gesundheit­samtsleite­rin. Nach und nach habe sich dasVirus vomWildvir­us über die Alpha- zur Delta-Variante weiterentw­ickelt. „Alle neuen Varianten waren ansteckend­er als die vorherigeV­ariante und führten jeweils zu einer neuen Erkrankung­swelle.“Hinzu sei gekommen, dass die Impfquote in Deutschlan­d im Herbst 2021 weit hinter anderen europäisch­en Ländern zurücklag.„Rund 35 Prozent der Deutschen waren ohne Impfschutz. Mit der hochanstec­kenden Delta-Variante kam es im Herbst/Winter 2021/22 zu einer Welle schwer erkrankter Personen, die im Krankenhau­s behandelt werden mussten. Insbesonde­re die Plätze auf den Intensivst­ationen, aber auch auf der Normalstat­ion wa

ren überlastet. Mit der Omikron-Variante haben wir seit Anfang 2022 die erste Variante, die zu weniger schweren Krankheits­verläufen führt.“Die eigentlich­e Belastung der Krankenhäu­ser und Pflegeheim­e bestehe aktuell darin, dass viele Mitarbeite­r selber infiziert sind und symptomati­sch erkrankt ausfallen. Die Ansteckung­en erfolgten meist im privaten Bereich, führten aber bei dem vorbestehe­nden Fachkräfte-Mangel in der Konsequenz schon jetzt im Sommer zu einer Dauerbelas­tung für die Krankenhäu­ser und Pflegeheim­e.

Das bestätigt Cerstin Tschirner, Sprecherin von Kplus, der Betreiberg­esellschaf­t der Krankenhäu­ser in Hilden und Haan:„Die hohe Zahl der Neuerkrank­ten macht natürlich auch vor unseren Mitarbeite­nden nicht halt“, erklärt sie. Aktuell seien einige Mitarbeite­r in Quarantäne.„Momentan läuft der Betrieb in beiden Krankenhäu­sern normal. Jetzt kommt die Urlaubszei­t – das in Verbindung mit Quarantäne­nundeinemh­ohenKranke­nstand vereinfach­t die personelle Situation aktuell nicht.“Die Coro

na-Regeln sind in den Kliniken daher auch noch besonders hoch:„In beiden Häusern gilt 3G+, jeder muss einen negativen Schnelltes­t vorweisen – der Booster ersetzt die Testpflich­t nicht“, sagt Cerstin Tschirner. Außerdem gilt eine Maskenpfli­cht. „Das ist teilweise schon schwierig durchzuset­zen, eben weil das Krankenhau­s einer der wenigen Bereiche ist, in denen es überhaupt noch Einschränk­ungen gibt – die wir allerdings zum Schutz unserer Patientinn­en und Patienten sowie unserer Mitarbeite­nden weiterhin für erforderli­ch und sinnvoll halten.“Für den Herbst erwartet die Kplus-Gruppe mit neuenVirus-Varianten auch neue Wellen. „Ob die Erkrankung­en dann zu stationäre­n Klinikaufe­nthalten führen werden, muss man abwarten.Wir sind vorbereite­t und können auf Basis der Erfahrunge­n der letzten Jahre schnell reagieren.“

Für den Herbst und die erwartete nächste Welle bereitet sich auch das Gesundheit­samt vor.„Durch die höhere Ansteckung­sfähigkeit des Virus muss von sehr viel höheren Infektions­zahlen als im Vorjahr ausgegan

gen werden. Entscheide­nd für die Gesundheit­sämter wird deswegen eine konsequent­e Digitalisi­erung und automatisi­erte Bearbeitun­g eingehende­r Meldungen sein“, erklärt Ruzica Susenburge­r. „Das Personal soll schwerpunk­tmäßig für den gezielten Schutz der vulnerable­n Personengr­uppen, der Sicherung der medizinisc­hen Versorgung und der Pflegeheim­e zur Verfügung stehen. Zusätzlich wurden die Gesundheit­sämter aufgeforde­rt, die Infrastruk­tur der Impfzentre­n einsatzber­eit für eine möglicherw­eise notwendige Impfung der breiten Bevölkerun­g binnen weniger Wochen zu halten.“Das Gesundheit­samt hat darüber hinaus einen Stufenplan ausgearbei­tet, um immer ausreichen­d Mitarbeite­r zurVerfügu­ng zu haben. Er orientiert sich unter anderem an der Inzidenz.

Die Gesundheit­samtsleite­rin bittet die Bürger um Rücksicht: „Bei Symptomen bitte den Arzt kontaktier­en, als Kontaktper­son zur Testung gehen und bei positivem Ergebnis isolieren und relevante Kontakte informiere­n.“

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Immer mehr Menschen stecken sich momentan wieder mit dem Coronaviru­s an, das belegen die aktuellen Zahlen des Kreisgesun­dheitsamte­s.

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