Rheinische Post Langenfeld

GOTT UND DIE WELT Herzlichke­it trotz Abneigung

Grundloser Hass ist zeitlos und leider aktuell. Es ist an uns allen, das zu ändern.

- JEHOSCHUA AHRENS Unser Autor ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerko­nferenz. Er wechselt sich hier mit der Benediktin­erin Philippa Rath, der evangelisc­hen Pfarrerin Friederike Lambrich und dem Islamwisse­nschaftler Mouhanad Khorchide ab.

Wir haben neben Jom Kippur, dem „großen“Fasttag während der Hohen Feiertage, noch eine Reihe „kleinerer“Fasttage, jetzt bald, in zwei Wochen den Schiwa Assar beTammus, der mit Tischa beAw im Sommer verbunden ist. Diese „kleinen“Fasttage sind mit den Katastroph­en der jüdischen Geschichte verbunden, vor allem der Zerstörung Jerusalems und der beiden Tempel – und damit auch der jüdischen Staatlichk­eit. Doch wie kam es dazu? Im Talmud heißt es (in Joma 9b): „Warum wurde der erste Tempel zerstört? Wegen dreier Übel, die in ihm waren: Götzendien­st, Unzucht und Blutvergie­ßen. Aber warum wurde der zweite Tempel zerstört, als man doch Tora lernte, die Gebote erfüllte und Wohltätigk­eit übte? Weil zu der Zeit, als der zweite Tempel stand, grundloser Hass herrschte. Dies lehrt dich, dass grundloser Hass so schwer wiegt wie Götzendien­st, Unzucht und Blutvergie­ßen zusammen.“

Dieser „grundlose Hass“ist also Auslöser allen Übels und aller Katastroph­en der jüdischen Geschichte. Hass völlig ohne Grund ist leider so zeitlos wie aktuell. Jeder kennt ihn wohl nur zu gut. Er begegnet uns im Zwischenme­nschlichen, wenn andere gegen uns agieren, sei es aus Neid, aus Konkurrenz­denken oder einfach aus Kaltherzig­keit. In der Gesellscha­ft gibt es immer noch Rassismus, Antisemiti­smus, Frauenfein­dlichkeit und Ausbeutung, um nur einige Beispiele zu nennen. Wladimir Putins Angriffskr­ieg zeigt den grundlosen Hass auf der weltpoliti­schen Bühne, wenn Ego und

Macht wichtiger sind als Menschenle­ben oder das Wohlergehe­n ganzer Völker und Staaten.

Raschi, der wohl berühmtest­e jüdische Bibelkomme­ntator, erklärte den Ursprung des Hasses so: „Ein geläufiges Sprichwort sagt: Was du dir über deinen Nächsten vorstellst, ist, was er über dich denkt.“Es liegt also an uns, ganz direkt. Können wir auch denen herzlich begegnen, die wir nicht mögen? Wenn wir unsere Gesellscha­ft und diese Welt verbessern wollen, dann müssen wir bei uns anfangen.

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