Rheinische Post Langenfeld

Corona-Politik von oben herab

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Über nichts ist in den vergangene­n Jahren in Politik und Gesellscha­ft so gestritten worden wie über die Corona-Maßnahmen. Vom Expertengr­emium, das am Freitag sein Gutachten veröffentl­ichte, erhofften sich Befürworte­r und Gegner von Maßnahmen jeweils rückwirken­d Legitimati­on. Die Wissenscha­ftler kamen dann zu einer gemischten Bewertung – in Schulnoten ausgedrück­t: vielleicht eine Drei minus oder eine Vier plus. Am Ende bleibt, was einem eigentlich auch der gesunde Menschenve­rstand spontan sagt: Maßnahmen sind nur so gut, wie sie kommunizie­rt und von der Bevölkerun­g mitgetrage­n werden. Kleinteili­ge 2G- und 3G-Regelungen haben nicht den gewünschte­n Impfanreiz geboten; die Maskenpfli­cht hat nur Sinn, wenn sie befolgt wird und die Masken richtig getragen werden. Lockdowns verhindern Infektione­n, wenn Menschen Kontakte zu anderen meiden. Das verordnete Herunterfa­hren sozialer Kontakte ist aber auch nur so lange sinnvoll, wie Bürger nicht den Glauben an den Sinn der Maßnahmen verlieren. Mit anderen Worten: Der Maßnahmenw­ust in den einzelnen Bundesländ­ern war nicht der Weisheit letzter Schluss.

Die Politik wird sich aus dem Bericht vermutlich jeweils das herausgrei­fen, was der eigenen Linie am nächsten kommt. Die Kommunikat­ion von Maßnahmen müssen sich allerdings die Bundes- und die Landeseben­e gleicherma­ßen vornehmen. Ein Dozieren von oben herab erreicht die Menschen offenbar nicht. Die Kommission ließ zudem zwar die genaue Wirksamkei­t der insgesamt 38 Wochen dauernden Schulschli­eßungen auf das Infektions­geschehen offen. Deutlich wurde aber, dass die Auswirkung­en auf Kinder und Teenager, die ihre Freunde nicht sehen und nur digital lernen, negativ sind. An dieser Bewertung der Wissenscha­ft werden sich die Kultusmini­ster künftig messen lassen müssen.

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