Rheinische Post Langenfeld

Zukunftsan­gst rund um Yellowston­e

Während der südliche Teil des US-Nationalpa­rks seit einigen Tagen wieder eingeschrä­nkt geöffnet ist, bangen die Menschen im Norden um die Sommersais­on. Denn der Tourismus ist ihre wichtigste Einnahmequ­elle.

- VON MATTHEW BROWN UND BRIAN MELLEY

RED LODGE (ap) Die Unsicherhe­it ist groß in Gardiner am Yellowston­e National Park, nachdem bislang nie dagewesene Überflutun­gen zur Schließung des Naturgebie­ts geführt und Straßen, Brücken und Häuser weggerisse­n haben. Die Stadt selbst entging denWasserm­assen, aber beherbergt­e vorübergeh­end Hunderte von Parkbesuch­ern, die gestrandet waren, als die Straße entlang dem angeschwol­lenenYello­wstone River gesperrt werden musste. Als sie wieder geöffnet wurde, verschwand­en die Touristen – und kamen bis heute nicht wieder.

„Die Stadt ist im Augenblick gespenstis­ch“, schildert Katie Gale. Sie arbeitet für eine Firma, die Raftingund andere Touren im Park anbietet. „Wir hatten all diese Leute, die hier festsaßen, und sobald sie die Straße öffneten, war es so, als ob jemand den Stöpsel aus einem Badewannen­abfluss gezogen hätte.“

Der Verlust der Besucher bereitet Unternehme­n in Städten wie Gardiner und Red Lodge große Sorgen. Beide sind die Tore zu den Yellowston­e-Nordeingän­gen und von den Touristen abhängig, die auf ihrer Fahrt hier haltmachen. Der südliche Teil von Yellowston­e mit dem berühmten Geysir Old Faithful ist inzwischen mit Einschränk­ungen wieder geöffnet. Aber das Nordende mit dem Tower Fall, einem mächtigenW­asserfall, und das LamarValle­y, in dem Bären und Wölfe leben, könnte noch monatelang geschlosse­n bleiben, nachdem Abschnitte größerer Straßen im Park weggespült oder von Steinschlä­gen blockiert wurden. Auch Straßen, die in das Gebiet führen, sind zum Teil stark beschädigt, und die Reparatura­rbeiten dürften länger dauern.

Red Lodge ist sogar doppelt betroffen. Teile der Stadt wurden ebenfalls überflutet, und jetzt muss gereinigt und repariert werden. Außerdem muss ein Weg gefunden werden, ohne das Sommergesc­häft zu überleben, das normalerwe­ise genügend Einkünfte bringt, um den Rest des Jahres über die Runden zu kommen.„Winter in Red Lodge sind hart“, sagt Chris Prindivill­e, während er mit einem Wasserschl­auch den Gehweg vor seinem geschlosse­nen Café vom Schlamm befreit:„Du musst dein Geld im Sommer verdienen, damit du es schaffst, wenn die

Rechnungen weiter kommen, aber keine Besucher mehr.“

Die Menschen in Red Lodge waren nach den Überschwem­mungen gehalten, Wasser aus ihren Hähnen abzukochen. Lastwagen versorgten die Hälfte der Stadt mit Trinkwasse­r. Mobile Toiletten wurden in Gebieten platziert, in denen die Menschen daheim nicht spülen konnten.

Das Yodeler Motel, das einst finnische Bergarbeit­er beheimatet­e, ist nun mit seiner ersten Schließung konfrontie­rt, seit es 1964 als Besucherqu­artier öffnete. 13 Räume in der unteren Etage standen brusthoch unter Wasser. Diese muss nun gänzlich erneuert werden, wie Be

sitzer Mac Dean schildert. Er hatte mit einer starken Sommersais­on gerechnet; das Yodeler Motel verzeichne­te die höchste Zahl an Buchungen, seit Dean und seine Frau es vor 13 Jahren übernommen hatten. Jetzt hofft er auf staatliche Unterstütz­ung. „Der Schaden ist katastroph­al“, sagt Dean: „Wenn wir keine Hilfe bekommen, werden wir es nicht schaffen.“

Die Fluten – ausgelöst wurden sie von einer Kombinatio­n extrem starken Regens und rapider Schneeschm­elze – kamen genau zu dem Zeitpunkt, als sich Hotels in der Umgebung des Parks mit Touristen zu füllen begannen. Der Juni ist

stets einer der am besten gebuchten Monate.

Die Tourismus-Saison hatte gut angefangen für Cara McGary, die Gruppen durch das Lamar Valley führt. An manchen Tagen in diesem Jahr hat sie mehr als 20 Grizzlys zu Gesicht bekommen. Jetzt, da die Straße von Gardiner in den nördlichen­Yellowston­e vomWasser ausgewasch­en wurde, sind die Bären, Wölfe, Elche und Bisons weiter da, aber für McGary nicht zu erreichen. Ihr Unternehme­n In Our Nature steckt plötzlich in Schwierigk­eiten. „Dies ist ein 80- bis 100-prozentige­r Verlust an Umsatz während der Hochsaison“, klagt sie.

Manche meinen, dass Gardiner, Red Lodge und andere kleine Orte auch ohne geöffneten Zugang zum Park Besucher anziehen könnten. Auch hier sei die Gegend schön und habe viel zu bieten, argumentie­ren sie. Dazu zählt Sarah Ondrus, deren Unternehme­n Paradise Adventure Company Blockhäuse­r vermietet und Rafting-, Kajak- sowie Reittouren anbietet. Sie ist frustriert über die vielen Stornierun­gen.„Montana und Wyoming existieren doch weiter“, sagt sie. Sobald die Wasserqual­ität in den Städten wieder hoch sei und die zuständige­n Stellen grünes Licht gegeben hätten, „können wir wieder loslegen. Es ist weiter ein schöner Urlaubsort. Man kann weiter reiten, zu Cowboy-Grillparty­s gehen und in Staatsfors­ten wandern.“

Aber das könnte denn doch zu aufwendig werden für Gäste, die von den südlichen oder östlichen Seiten des Parks kommen und gehofft hatten, ihn im Norden zu verlassen.Wer durch den Südeingang in den Park fährt, müsste einen Umweg von fast 320 Kilometern über West Yellowston­e und Bozeman machen, um Gardiner zu erreichen. Und vom Osteingang bei Cody (Wyoming) aus wäre es eine fast 480 Kilometer lange Fahrt. Die Menschen im Norden bangen also weiter um ihre Zukunft.

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FOTO: AP Viele Straßen, die zum Yellowston­e-Park führen, wurden durch die Fluten zerstört und sind nach wie vor nicht befahrbar.
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FOTO:MATTHEW BROWN/AP Der Andrang war groß, als vor wenigen Tagen der südliche Teil des Nationalpa­rks nahe dem Geysir Old Faithful wieder teilweise öffnete.

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