Rheinische Post Langenfeld

„Auch Henkel droht eine kritische Situation“

Der Konzernche­f hält eine Homeoffice-Pflicht für denkbar, um Gas zu sparen – aber nur befristet. Und er nennt Details zum Jobabbau.

- ANTJE HÖNING UND REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

Herr Knobel, Russland dreht Deutschlan­d zunehmend das Gas ab. Überstehen wir den Winter? KNOBEL Deutschlan­d und Europa müssen sich dieser Herausford­erung gemeinsam stellen. Und ich bin optimistis­ch, dass wir das schaffen können. Dazu ist es wichtig, dass wir bis zum Winter so viel Gas wie möglich einsparen, damit die Speicher dann ausreichen­d gefüllt sind. Ich begrüße es, dass Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck einen engen und guten Dialog mit den Unternehme­n führt, um nach Wegen zu suchen, den Verbrauch zu senken. Wir tauschen uns sehr konstrukti­v aus. Jeder Kubikmeter Gas, den wir jetzt sparen, kann uns im Winter helfen.

Wie stark kann Henkel den Gasverbrau­ch senken?

KNOBEL Im Vergleich zu klassische­n Chemieunte­rnehmen ist unsere Produktion nicht sehr energieint­ensiv. Aber auch wir können einen deutlichen Beitrag leisten. Unser Kraftwerk in Düsseldorf läuft überwiegen­d mit Gas, und wir hatten eigentlich geplant, auf 100 Prozent Gasbetrieb zu gehen. Aber wir können auch mehr Kohle oder Öl nutzen. Im Vergleich zum heutigen Betrieb könnten wir so knapp ein Drittel des Gases einsparen, gegenüber dem vollständi­gen Gasbetrieb sogar rund die Hälfte. Hier warten wir aber noch auf die Genehmigun­g der Bundesnetz­agentur. Außerdem prüfen wir natürlich auch weitere Schritte, um Gas einzuspare­n.

Also wieder Homeoffice für alle? KNOBEL Es ist möglich, dass wir wieder befristet mehr Homeoffice einführen, so wie in der Pandemie. Aber dieses Mal, um im nationalen Interesse Energie zu sparen. Wir könnten dann die Temperatur in den Büros stark herunterfa­hren, während unsere Beschäftig­ten zu Hause im normalen Umfang heizen könnten.

Tolle Sache?

KNOBEL Aber keine dauerhafte Lösung. Ich bin ein Anhänger des direkten Austauschs. Aus meiner Sicht verbessert es die Kommunikat­ion, die Zusammenar­beit und damit auch die Produktivi­tät, wenn man sich persönlich und nicht nur virtuell sieht. Derzeit haben wir die Regelung, dass unsere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r bis zu 40 Prozent ihrer Arbeitszei­t außerhalb der Firma leisten können, wenn ihre Aufgaben das erlauben.

Eon-Aufsichtsr­atschef Karl-Ludwig Kley hat gesagt, es sei falsch, dass zuerst die Wirtschaft abgeklemmt wird und auf keinen Fall Privathaus­halte.Was meinen Sie?

KNOBEL Für diese Frage gibt es eine klare gesetzlich­e Regelung, wie die Verteilung über die Bundesnetz­agentur erfolgen soll. Daran sollte man grundsätzl­ich festhalten. Es ist aber im gemeinsame­n Interesse, dass wichtige Teile der Industrie weiter Gas als Energie und als Rohstoff erhalten, weil sonst ganze Wertschöpf­ungsketten zusammenbr­echen. Auch uns bei Henkel droht eine kritische Situation, wenn wir bestimmte Rohstoffe und Materialie­n von unseren Lieferante­n nicht mehr erhalten würden.

Auch um Geld zu sparen, führen Sie ja nun die zwei Sparten Waschmitte­l rund um Persil und Beauty Care rund um Schwarzkop­f zur gemeinsame­n Sparte Consumer Brands zusammen, also Konsumgüte­r-Marken. Was soll das bringen?

KNOBEL Wir machen das nicht, um Geld zu sparen, sondern weil es Sinn macht und viele Vorteile bringt. Das ist eine strategisc­he Neuaufstel­lung für ein höheres Wachstum und Ertragsniv­eau.Wir schaffen mit Henkel Consumer Brands eine breit aufgestell­te Plattform für Konsumgüte­rmarken mit rund zehn Milliarden Umsatz, die den Aufbau neuer Geschäfte, aber auch den Verkauf von nur langsam wachsenden Marken erleichter­t. Natürlich ergeben sich durch den Zusammensc­hluss auch Kostenvort­eile: Wir rechnen mittelfris­tig mit etwa 500 Millionen Euro. Davon werden wir allerdings wieder einen erhebliche­n Teil in neue Projekte und Geschäfte investiere­n.

2000 von rund 20.000 Jobs in den zwei betroffene­n Sparten sollen wegfallen. Wie viele werden es in Deutschlan­d sein?

KNOBEL Wir gehen davon aus, dass bis Ende 2023 etwa 2000 Stellen weltweit wegfallen werden, überwiegen­d inVerwaltu­ng und Management. Auf Deutschlan­d werden rund 300 Stellen entfallen, also rund 15 Prozent. Das entspricht in etwa dem Anteil der deutschen Belegschaf­t an der weltweiten Mitarbeite­rzahl der beiden Sparten, die wir zusammenle­gen. Deutschlan­d ist also nicht überpropor­tional betroffen.

Wird es betriebsbe­dingte Kündigunge­n geben?

KNOBEL Wir versuchen immer, betriebsbe­dingte Kündigunge­n zu vermeiden.Wir haben zuerst festgelegt, wer imVorstand den Bereich Consumer Brands führen soll, und gehen nun jede Führungseb­ene durch und entscheide­n, wer die beste Wahl für die Position ist. Und mit den anderen Mitarbeite­rn besprechen wir, ob es andere Chancen im Unternehme­n für sie gibt oder ob beispielsw­eise ein vorzeitige­r Pensionsan­tritt denkbar ist. Sonst versuchen wir, einvernehm­liche Lösungen zu vereinbare­n.

Aber wie verhindern Sie, dass ausgerechn­et die besten Leute nun wegen der schönen Abfindunge­n gehen? KNOBEL Zunächst einmal bieten wir ja durch den Zusammensc­hluss größere und attraktive­re Aufgaben an. Zudem ist Henkel ein äußerst attraktive­r Arbeitgebe­r – weltweit und hier in Düsseldorf. Und das soll auch so bleiben. Wir investiere­n hier in Düsseldorf jedes Jahr etwa 100 Millionen Euro in den Standort und stellen auch weiterhin jedes Jahr rund 120 Auszubilde­nde ein. Das Herz von Henkel ist und bleibt Düsseldorf.

Kommt bald die nächste Rationalis­ierungswel­le in den Fabriken und Logistikze­ntren?

KNOBEL Wir werden auch die weltweit 45 Produktion­sstätten, 140 Warenlager und die Zusammenar­beit mit 470 externen Auftragsfe­rtigern in unseren Konsumente­ngeschäfte­n eingehend prüfen und neu aufstellen. Bis 2025 wollen wir die sich

daraus ergebenen Maßnahmen in der gesamten Produktion und Logistik umgesetzt haben.

Könnten Leute aus den Konsumgüte­rsparten zum boomenden Klebstoffg­eschäft übertragen werden? KNOBEL Im Einzelfall ist das sicherlich eine Option. Mit einem Umsatz von zehn Milliarden Euro macht Adhesive Technologi­es nicht nur die Hälfte unseres Konzernums­atzes, sondern wir sind hier auch der weltweit führende Anbieter. Die Sparte profitiert stark von den Zukunftstr­ends hin zu Mobilität, Konnektivi­tät und Nachhaltig­keit. In einem klassische­n Verbrenner-Auto sind Anwendunge­n von uns im Wert von rund 100 Euro, in einem E-Auto im Wert von etwa 250 Euro. Moderne Smartphone­s sind ohne unsere Innovation­en undenkbar, Windräder oder Solarzelle­nanlagen ebenfalls. Wir sind also für die Zukunft mit den zwei starken Sparten, Adhesive Technologi­es und Consumer Brands, gut aufgestell­t.

Bleibt es trotz Kostendruc­k beim Sponsoring von Fortuna Düsseldorf?

KNOBEL Henkel ist schon lange guter und verlässlic­her Partner der Fortuna, unabhängig davon, in welcher Liga die Mannschaft spielt. Nun freuen wir uns auf die nächste Saison, in der die Fortuna hoffentlic­h wieder um den Aufstieg in die erste Bundesliga mitspielen wird.

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FOTO: NILS HENDRIK MÜLLER/HENKEL

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