Mit „Feuerherz“auf dem Weg zur Weltmeisterin im Boxen
Dilar Kisikyol wuchs als Drillingsmädchen in Rheindorf auf. Neben ihrer Profikarriere trainiert die junge Boxerin Menschen, die dem Boxsport sonst eher fernstehen, eine Parkinson-Patientengruppe etwa und einen Jungen mit Downsyndrom.
LEVERKUSEN Am 2.2.1992 geschah im Klinikum etwas Außergewöhnliches: Es gab gleich zwei Drillingsgeburten an einem Tag. Unter den Neugeborenen ist Dilar Kisikyol. Bei der Namenswahl hatten die Eltern, die aus Kurdistan stammen, eine gute Wahl getroffen. Denn Dilar heißt Feuerherz. 30 Jahre später ist Dilar Profiboxerin, und nach sieben gewonnenen Kämpfen auf dem Weg zur Boxweltmeisterschaft.
„Ich musste mich von Anfang an durchboxen“, sagt das damals gerade mal 1500 Gramm schwere Drillingskind. Der Kampf um Akzeptanz, zunächst für sich selbst, später für ihre „Schützlinge“, zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben der jungen Frau, die in Rheindorf groß geworden ist. Ihre Eltern sahen ihre Berufung in der Musik und vermittelten das Mädchen zum Klavierunterricht. Doch sah die Klavierlehrerin wenig Talent bei ihr und schickte sie wieder nach Hause. „Lass es lieber, Dilar.“Dem Kind war das recht.
Und erst als ein Nachbar sie mit zum Boxtraining nahm, öffnete sich ihr eine neue Welt, die sie so schnell nicht mehr verlassen wollte. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt sie heute.
Liebe kann weh tun. Austeilen, einstecken. Der vermeintliche Männersport schreckte sie nicht ab. Mit 16 boxte sie bei Bayer, dann zog es sie zum TuS Rheindorf. Ihr Trainer Baki Hoxaj nahm sie unter seine Fittiche. Bald schon stellten sich Erfolge ein. Nachdem sie ein Studium für Soziale Arbeit und Sozialpädagogik in Düsseldorf begonnen hatte, wurde Dilar Kisikyol drei Mal Deutsche Hochschulmeisterin im Boxen. Eine vorherige Ausbildung zur Gymnastiklehrerin und ein einjähriger Aufenthalt als Au Pair in Australien und Neuseeland ergänzten ihre Werdegang und brachten neue Erfahrungen. Ende 2019 zog es sie nach Hamburg, des Sports wegen. Sie unterschrieb dort einen Profivertrag. Im August 2021 hatte sie ihr erstes Ziel erreicht: Internationale Deutsche Meisterin im Superleichtgewicht. Nun will sie einen weiteren Schritt gehen: „Wir bewegen uns in Richtung Weltmeisterschaft der WBA (World Boxing Assoziation).“Die Grundlagen hat sie gelegt. Derzeit belegt sie in der WBA-Weltrangliste Platz 4 in ihrer Gewichtsklasse. In der Gesamt-Weltrangliste steht sie auf Platz 18.
„Boxprofi, das heißt nicht, dass ich allein davon leben kann“, sagt Dilar Kisikyol. Für den Hamburger Boxverband arbeitet sie ehrenamtlich als Frauen- und Inklusionsbeauftragte. Daneben ist sie selbstständige Projektleiterin mit den Schwerpunkten Gewaltprävention, Inklusion und „Female Empowerment“. „Die Verbindung von Sozialer Arbeit und Boxen hat ein enormes Potenzial“, betont sie überzeugt. Reaktionsfähigkeit und Koordination würden durch das Boxtraining gefördert. Auch die Achtsamkeit für den Körper werde geschult. Große Beachtung findet ihr Projekt mit zehn an Parkinson erkrankten Frauen, das seit Dezember 2021 läuft. „Die Frauen fühlen sich viel besser nach dem Training.“
Menschen, die eher am Rand stehen, in die Mitte der Gesellschaft zu holen, ist ihr Ziel. „Ich will den Boxsport allen Menschen zugänglich machen“, beschreibt die Frau mit dem „Feuerherz“und zeigt damit ihre andere Seite. Neben der langjährigen Boxweltmeisterin Regina Halmich nennt sie Muhammed Ali als Vorbild. Sie will etwas von ihrem Kämpferherz an andere weitergeben.„Für manchen ist es besonders schwierig, seine Träume zu verwirklichen“, sagt sie. „Ich will den Menschen Mut machen, dafür zu kämpfen.“So trainiert sie nicht nur junge Frauen, sondern unter anderem einen Jungen mit Down-Syndrom. „Wir müssen davon wegkommen, nach Herkunft, Kultur und Hautfarbe zu unterscheiden – Mensch ist Mensch.“