Rheinische Post Langenfeld

WG der toten Komponiste­n

Das „Komponiste­nQuartier“in der Hamburger Peterstraß­e widmet sich sieben bekannten Kunstschaf­fenden, die in der Hansestadt geboren wurden oder lange Zeit tätig waren.

- VON DAGMAR KRAPPE

Natürlich durfte Johannes Brahms beim Eröffnungs­konzert der Elbphilhar­monie im Januar 2017 nicht fehlen: Die „Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73“komponiert­e er 1877 während seiner Aufenthalt­e in Kärnten und Baden-Baden. Brahms ist Hamburgs großer Komponiste­n-Sohn, auch wenn man sein Talent in der Hansestadt zunächst verkannte. Deshalb ging er mit knapp 30 Jahren nach Wien, machte dort Karriere und ist auf dem Wiener Zentralfri­edhof in einem Ehrengrab bestattet. Seiner Heimatstad­t blieb Brahms trotzdem treu. Besuchte sie immer mal wieder, „um auf den altbekannt­en Wällen und in den Straßen umherzulau­fen“.

Bereits 1971 eröffnete das Brahms-Museum im ehemaligen Beyling-Stift in der Peterstraß­e. Inzwischen sind unter dem Namen „Komponiste­nQuartier“sechs Museen vereinigt. Sie sind sieben Künstlern und Künstlerin­nen gewidmet, die in Hamburg geboren wurden oder längere Zeit tätig waren. Hier klären sich Fragen wie: Wer waren die Musiker? Wie lebten sie? Unter welchen Bedingunge­n arbeiteten sie? Wie klingt ihre Musik? An Schautafel­n, Touchscree­ns, Hörstation­en und in kurzen Filmbeiträ­gen finden Besucher die Antworten. Auch ein Modell einer barocken Opernbühne mit Schiebekul­issen und Seilzugsys­tem sowie Originalod­er nachgebaut­e Instrument­e sind ausgestell­t.

Vom neuen Musiktempe­l an der Elbe ist die Peterstraß­e eine gute halbe Stunde Fußweg entfernt, vom neobarocke­n Konzerthau­s „Laeizhalle“am Johannes-Brahms-Platz nur wenige Schritte. Hinter nüchternen, modernen Bauten schlendert man durch eine ab Ende der 1960er Jahre restaurier­te Gasse, die das alte Hamburg aufleben lässt. Dank der Carl-Toepfer-Stiftung konnten einfache Bürger- und reich verzierte Kaufmannsh­äuser aus dem 17. und 18. Jahrhunder­t wiederaufg­ebaut werden. Jedes Haus ist einer Hamburger Persönlich­keit gewidmet und mit einer Bronzetafe­l versehen, auf der der damalige Standort nachzulese­n ist.

Johannes Brahms kam 1833 ganz in der Nähe im Specksgang im Gängeviert­el zur Welt. An das Geburtshau­s erinnert nur noch eine Stele. Es ging im ZweitenWel­tkrieg in Flammen auf. Der Pastor der nahen Sankt Michaelis Kirche, Hamburgs Wahrzeiche­n „Michel“, taufte und konfirmier­te den jungen Johannes. Damals stand noch der fast identisch aussehende Vorgängerb­au. Das Gotteshaus fing 1906 bei Schweißarb­eiten Feuer und brannte ab. Innerhalb von sechs Jahren baute man es im alten, aber feuersiche­reren Stil wieder auf.

Erst vier Jahrzehnte nach Johannes Brahms ließ sich ein weiterer Superstar in der Peterstraß­e nieder: Das Telemann-Museum öffnete seine Pforten. 1721 kam der Magdeburge­r nach Hamburg. Als festbesold­eter „Director Musices“(Musikdirek­tor) war er für die Musik in den fünf Hauptkirch­en zuständig und zusätzlich Kantor des Gymnasiums Johanneum. Er war ein Workaholic und damals in ganz Europa bekannter als der befreundet­e Johann Sebastian Bach. Es entstanden nicht nur 1500 Kantaten, sondern jedes Jahr eine Evangelien-Passion. 46 an der Zahl. Darüber hinaus arrangiert­e Telemann Opern, Fest- und Trauermusi­ken. 15 Jahre lang verpflicht­ete er sich zusätzlich als künstleris­cher Leiter an der städtische­n Oper am Gänsemarkt. Auch als Geschäftsm­ann war er erfolgreic­h. Er verkaufte Konzertkar­ten und brachte ein Musik-Abonnement mit Notenblätt­ern heraus. Als Ausgleich zum Beruf pflegte Telemann einen Garten vor den Toren der Stadt und tauschte

mit Kollegen botanische Erfahrunge­n aus. Georg Friedrich Händel schickte ihm sogar Blumenzwie­beln aus London.

Trotz der rund 3600 Werke, die der umtriebige Meister hinterließ, geriet er bald nach seinem Tod in Vergessenh­eit. Der Musikgesch­mack änderte sich. Spätbarock war out. Die Klassik kündigte sich an. Die Nachfolge seines verstorben­en Patenonkel­s trat Carl Philipp Emanuel Bach an. Er war am Hof Friedrich des Großen (Friedrich II.) als Kammercemb­alist in Rheinsberg, Berlin und Potsdam tätig und wurde aus vier Bewerbern ausgewählt. An Georg Philipp Telemann

erinnert eine Gedenkplat­te vor dem Hamburger Rathaus. Damals befand sich hier der Klosterfri­edhof Sankt Johannes, auf dem man ihn beerdigte. Sein Patensohn ist in der Krypta des „Michels“beigesetzt, die beim Brand 1906 beschädigt, jedoch nicht zerstört wurde.

Zeitgleich mit Carl Philipp Emanuel Bach hielt Johann Adolf Hasse Einzug ins Museumsqua­rtier. Geboren wurde er 1699 in Bergedorf, heute ein Stadtteil Hamburgs, als Sohn einer Organisten­familie. Nach ersten Erfolgen als Tenor an der Gänsemarkt-Oper und in Braunschwe­ig machte er sich nach Italien auf. Später prägte

er 30 Jahre lang als Komponist und Kapellmeis­ter das Dresdner Musikleben.

Momentan ist die Wohngemein­schaft in der Peterstraß­e erst einmal komplett. Drei weitere Berühmthei­ten zogen ein. Gegenüber der Sankt Michaelis Kirche stand zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts dieWiege von Felix Mendelssoh­n Bartholdy und seiner Schwester Fanny. Das Museum zeigt den Werdegang und die tiefe Verbundenh­eit der beiden hochbegabt­en und leider früh verstorben­en Geschwiste­r. Ein rastloser und vielseitig­er Komponist und Dirigent war der passionier­te Radfahrer Gustav Mahler.

Ende des 19. Jahrhunder­ts war er sechs Jahre lang erster Kapellmeis­ter am Stadttheat­er in der Dammtorstr­aße, bis man ihn als Direktor an die Wiener Hofoper berief.

Johannes Brahms wurde 1889 zum Hamburger Ehrenbürge­r ernannt. Beim damaligen Bürgermeis­ter bedankte er sich mit den Worten: „Wie den Künstler ein so übergroßes Zeichen der Anerkennun­g, so beglückt den Menschen das herrliche Gefühl, sich in seiner Vaterstadt so hochgeacht­et und geliebt zu wissen. Ein doppelt stolzes Glück, wenn diese Vaterstadt unser schönes, altehrwürd­iges Hamburg ist.“

 ?? FOTOS (3): DAGMAR KRAPPE ?? Dank der Carl-Toepfer-Stiftung erstrahlen die Häuser an der Peterstraß­e in Hamburg in neuem Glanz.
FOTOS (3): DAGMAR KRAPPE Dank der Carl-Toepfer-Stiftung erstrahlen die Häuser an der Peterstraß­e in Hamburg in neuem Glanz.
 ?? ?? Blick in das Komponiste­n-Museum: Carl Philipp Emanuel Bachs Lieblingsi­nstrument war das Clavicord.
Blick in das Komponiste­n-Museum: Carl Philipp Emanuel Bachs Lieblingsi­nstrument war das Clavicord.
 ?? ?? Gedenkplat­te für Gustav Mahler an der Hamburger Staatsoper
Gedenkplat­te für Gustav Mahler an der Hamburger Staatsoper

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