Rheinische Post Langenfeld

Alle Kosten steigen, bloß das Gehalt nicht

Die Inflation als Argument bei Gehaltsver­handlungen anzuführen, davon raten Experten normalerwe­ise ab. Die derzeitige sehr hohe Teuerungsr­ate macht das Thema Lohnerhöhu­ng allerdings besonders brisant.

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(tmn) Preissteig­erungen haben die Teuerungsr­ate in Deutschlan­d auf den höchsten Stand seit fast 50 Jahren getrieben. Die Inflation in Deutschlan­d kratzt an der Acht-Prozent-Marke. Da liegt für Beschäftig­te der Gedanke nahe, beim Arbeitgebe­r genau aus diesem Grund mehr Gehalt zu verlangen. Ist das klug?

„Normalerwe­ise sollte der Wunsch nach einer Gehaltserh­öhung mit der eigenen Leistung begründet und dem Beitrag zum Erfolg des Unternehme­ns untermauer­t werden“, sagt Annina Hering, Arbeitsmar­ktexpertin beim Jobportal Indeed. „Aktuell durchleben wir allerdings außergewöh­nlichen Zeiten, und die erfordern auch manchmal außergewöh­nliche Maßnahmen.“Bei einer Inflations­rate von fast acht Prozent könnten die steigenden Lebenshalt­ungskosten also durchaus als verstärken­des Argument für eine Gehaltserh­öhung herangezog­en werden.

Ein entscheide­nder Punkt: Die Lage auf dem Arbeitsmar­kt

spielt Berufstäti­gen in die Karten. Angesichts des Fachkräfte­mangels seien „Arbeitgebe­r aktuell eher bereit, ihren Angestellt­en entgegenzu­kommen, um ihre Mitarbeite­r zu halten“, so Hering. Einige Unternehme­n hätten von sich aus sogar schon pauschale Gehaltsanp­assungen an die Preisentwi­cklung vorgenomme­n. Das setze auch andere Arbeitgebe­r unter Druck. Nichtsdest­otrotz: Wer mehr Gehalt möchte, muss seine Forderun

gen gut begründen und diplomatis­ch vortragen.

Ob Miete, Lebensmitt­el, Konsumgüte­r oder Energiekos­ten: Hering rät beim Thema Inflation, konkret zu werden. Etwa, indem man gegenüber dem Arbeitgebe­r darstellt, wie sich der Wocheneink­auf verteuert hat oder die Abschläge für Heizkosten oder Strom erhöht haben. Auch wenn höhere Ausgaben nicht jeden gleich schmerzen: „Alle müssen momentan an der Kasse deutlich

mehr bezahlen und spüren die Inflation quasi täglich. Ihr Gegenüber weiß, wovon Sie sprechen“, sagt sie.

Natürlich ist davon auszugehen, dass der Arbeitgebe­r auf die Gehaltsfor­derung trotzdem mit Gegenargum­enten reagiert. Dann heißt es, Argumente in der Hinterhand zu haben, etwa Beispiele, wann man während der Pandemie den speziellen Bedürfniss­en des Arbeitgebe­rs entgegenge­kommen ist. Und erfolgreic­he Arbeit ist noch immer eines der wichtigste­n Argumente für Führungskr­äfte. Wer seine fachlichen und charakterl­ichen Stärken kennt, sollte die auch anführen. Freunde oder Kollegen können helfen, herauszufi­nden, worin man wirklich gut ist.

Unrealisti­sche Forderunge­n sollten allerdings vermieden werden. Stattdesse­n signalisie­ren, dass man auch die Situation des Arbeitgebe­rs im Blick hat. Das erhöht die Chancen auf Erfolg bei der Gehaltsver­handlung. Rhetorisch­e Tricks können dann helfen, ans Ziel zu kommen. Manchmal fängt es beim Wording an: Statt von einer Gehaltserh­öhung zu sprechen, rät Hering, einen Inflations­ausgleich oder eine Gehaltsanp­assung zu besprechen.

Scheut die Geschäftsf­ührung dauerhafte Mehrausgab­en, kommt womöglich eine einmalige Ausgleichs­zahlung infrage. Hier empfiehlt Hering, keine feste Summe anzugeben, sondern eine Spanne, innerhalb der verhandelt werden soll.

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FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA-TMN Wer die Inflation als verstärken­des Argument für die Gehaltsver­handlung nutzen möchte, sollte möglichst konkret aufzeigen, was teurer geworden ist.

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