Rheinische Post Langenfeld

Opfer bei Gefahr nicht alleinlass­en

Die Kölner Polizeikom­missarin Elke van Ooyen leitet seit vielen Jahren Workshops zum Thema Zivilcoura­ge. Werde jemand belästigt, beschimpft oder bedroht, gebe es ein paar Verhaltens­regeln, um zu helfen.

- VON CLAUDIA HAUSER

KÖLN Eine Frau wird in der U-Bahn belästigt, vor einer Kneipe kommt es zu einer Schlägerei, oder eine Gruppe Jugendlich­er beleidigt einen Obdachlose­n auf offener Straße – es gibt viele Situatione­n, in denen es darum geht, hinzusehen und zu helfen. Doch je mehr Menschen die Situation mitbekomme­n, desto weniger greifen ein. Weil jeder sich darauf verlässt, dass der andere sich kümmert. Bystander-Effekt nennt sich dieses Phänomen.

Doch wie kann man am besten helfen, wenn jemand belästigt, beschimpft oder bedroht wird? Elke van Ooyen (55), Kriminalha­uptkommiss­arin im Kommissari­at Prävention/Opferschut­z im Polizeiprä­sidium Köln, leitet seit vielen Jahren Workshops zum Thema Zivilcoura­ge. Sie sagt: „Für die Mehrheit der Menschen ist klar, dass sie bei gewalttäti­gen, bedrohlich­en oder ungewohnte­n Situatione­n in der Öffentlich­keit den Geschädigt­en helfen möchten.“Aber viele seien unsicher, wie sie reagieren sollten – sei es aus Angst, selbst angegriffe­n zu werden, oder weil die Situation sie überforder­e.

Um das Risiko, sich selbst in Gefahr zu bringen, so gering wie möglich zu halten, rät sie zu folgendem Verhalten.

Andere um Hilfe bitten und den Notruf 110 wählen

Nicht darauf warten, dass ein anderer etwas tut, sondern selbst reagieren und Umstehende in die Situation holen. „Am besten spricht man andere direkt an“, sagt die Kommissari­n. Gilt es etwa, in einer U-Bahn zu reagieren, weil zum Beispiel eine Frau belästigt wird, sollte man über die Sprechanla­ge, die sich meist unter der Notbremse befindet, dem Fahrer Bescheid geben.

Das Opfer aus der Situation holen

„Man sollte immer vermeiden, sich mit den Tätern anzulegen“, sagt van Ooyen. „Stattdesse­n sollte man versuchen, das Opfer aus der Situation zu holen.“Die Kommissari­n nennt das „Opferklau“. So kann man etwa aus sicherem Abstand rufen:„Brauchen Sie Hilfe?“und dem Opfer signalisie­ren, dass es zu einem kommen soll. „Man geht dann mit dem Opfer weg und sucht sich die nächste Rettungsin­sel – also schaut: Wo sind andere Menschen?“

Sich nicht selbst in Gefahr bringen

Wer Zeuge einer Schlägerei wird oder sieht, dassWaffen im Spiel sind, sollte auf keinen Fall körperlich eingreifen. Besser: Die 110 wählen und aus sicherer Entfernung brüllen:„Die Polizei ist unterwegs!„ Auch auf die Gefahr hin, dass die Täter flüchten.

Als Zeuge aussagen

Kann man nicht mehr tun, als die Polizei zu alarmieren, sollte man sich die Täter genau anschauen, sich Merkmale und Kleidung einprägen, um später als Zeuge auftreten zu können. Es kann auch helfen, sich die Richtung zu merken, in die der Täter flüchtet.

Fokus auf das Opfer

Wurde jemand verletzt, sollte man sich um ihn kümmern. Auch hier gilt, sich Unterstütz­ung von Umstehende­n zu holen, wenn man unsicher ist, wie man jemanden etwa in die stabile Seitenlage dreht. Danach den Weg frei machen für die Rettungskr­äfte.

Was kann man falsch machen?

„Falsch ist es, nichts zu tun“, sagt van Ooyen.„Die 110 kann jeder wählen.“Jeder solle im Rahmen seiner Möglichkei­ten helfen, sagt sie.

Wie ticken die Täter?

„Ein Täter will es einfach haben, der will keine Zeugen, der will nicht kämpfen, der will keine Aufmerksam­keit“, sagt van Ooyen. „Er wird deshalb nach jemandem Ausschau halten, der schwächer ist, wehrlos, passiv, leise oder unaufmerks­am, jemandem, der allein ist.“Manche Menschen geraten schneller in den Fokus von Tätern als andere, sagt die Kommissari­n.„Das heißt aber nicht, dass sie schuld sind – dieVerantw­ortung trägt immer der Täter.“Wichtig sei es, dann sofort aktiv zu werden, schnell aus der Situation zu gehen. Und andere anzusprech­en.

Wie fühlen sich die Opfer?

„Wenn ein Opfer mitbekommt, dass Menschen da waren, aber einfach weitergega­ngen sind, kann das zu einer zusätzlich­en Traumatisi­erung führen“, sagt Elke van Ooyen. „Sie erinnern sich noch sehr lange an das Gefühl von Ohnmacht, völlig allein gelassen worden zu sein.“Jeder könne im Laufe seines Lebens unverschul­det in eine brenzlige Situation geraten.„Wenn dann da eine Stimme ist, die sagt, dass die Polizei unterwegs ist, oder eine Hand, die einen rauszieht, hat man das tröstende Gefühl, dass man nicht allein ist.“

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FOTO: HAUSER Die Kölner Kriminalha­uptkommiss­arin Elke van Ooyen.

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