Rheinische Post Langenfeld

Die tief gespaltene Kirche

- VON LOTHAR SCHRÖDER

ANALYSE Die Reformidee­n aus Deutschlan­d werden die Weltkirche auseinande­rtreiben, warnen Kritiker. Dabei sind zwischen Bischöfen und Laien hierzuland­e – aber auch in den Reihen der Bischöfe – tiefe Gräben sichtbar geworden.

In Fulda dürfte – nein: wird es kommendeWo­che mit Sicherheit hoch hergehen. Keine zwei Wochen ist es her, da auf der Frankfurte­r Synodalver­sammlung Bischöfe und Weihbischö­fe kein gutes Bild abgaben: Eine Sperrminor­ität der Bischöfe hatte das Grundsatzp­apier zu einer neuen Sexualethi­k scheitern lassen. Ein Eklat, der sich wahrschein­lich nur deshalb nicht zum Scheitern der deutschen Reforminit­iative von Laien und Bischöfen auswuchs, weil Bischof Georg Bätzing als Präsident des Synodalen Wegs seine Amtsbrüder anschließe­nd vor jeder prekären Abstimmung zu internen Beratungen bat. Das Vertrauens­verhältnis zwischen Laien und Würdenträg­ern war seit Beginn des SynodalenW­egs nie besonders ausgeprägt. Seit Frankfurt ist es nachhaltig gestört.

Genau das dokumentie­ren im Vorfeld der Bischofsko­nferenz die energische­n und nicht eben alltäglich­enWorte von Irme Stetter-Karp, Präsidenti­n des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken (ZdK): Eine „Klarstellu­ng“erwarteten die Laien in Deutschlan­d von ihren Bischöfen „zum Respekt vor queeren Menschen“. Und: Die Würdenträg­er müssten ihre Mitverantw­ortung dafür wahrnehmen, „jede Form von Diskrimini­erung“zu überwinden. Jetzt gehe es„um überprüfba­re Handlungen“. Das Präsidium des ZdK jedenfalls stehe klar „an der Seite der queeren Menschen“, weil die römisch-katholisch­e Kirche kein Ort der Diskrimini­erung sein dürfe.

Dabei haben sich die deutschen Bischöfe nicht initiativ zum Synodalen Weg aufgemacht. Auslöser dazu waren die Ergebnisse der Missbrauch­sstudie von 2018, die erstmals das Ausmaß sexualisie­rter Gewalt an Kindern und Jugendlich­en durch katholisch­e Priester aufzeigte. Das institutio­nelle Versagen zwang die Bischöfe zum Handeln. Im März 2019 rafften sie sich zum Synodalen Weg auf und fragten die Laien, diesen Weg mit ihnen zu gehen. Sie baten um eine Solidargem­einschaft. Es war keine einfache Entscheidu­ng, die letztlich das ZdK dazu bewog, zuzustimme­n. Wer die aktuelle große Enttäuschu­ng der Laien verstehen will, muss zu diesem Ausgangspu­nkt zurückkehr­en.

Versöhnlic­h werden die 67 Bischöfe und Weihbischö­fe in Fulda nicht über den Synodalen Weg beraten. Die Bischofsko­nferenz – eine Versammlun­g kirchliche­r Würdenund Machtträge­r – war noch nie ein Ort katholisch­er Eintracht. Das ist sie aktuell weniger denn je. Auf ihrer Versammlun­g hinter verschloss­enen Türen geht es auch darum, was bei den Ad-limina-Besuchen der Bischöfe beim Papst im November zur Sprache kommen soll. Auch der Synodale Weg? Über den Reformeife­r der einen und dem Reformunwi­llen der anderen ist Rom gut informiert, da bei allen Synodalver­sammlungen ein Beobachter des Vatikans anwesend ist. Und der wird das „diverse“Stimmverha­lten der Bischöfe notiert und überbracht haben.

Ein Totschlaga­rgument gegen verbindlic­he Beschlüsse etwa zum Weiheamt der Frauen, zur Ehelosigke­it der Priester und kirchliche­r Hierarchie ist stets der Verweis auf Rom. Vieles sei weltkirchl­ich nicht anschlussf­ähig. Das heißt: Papst Franziskus dürfte mit Blick und Rücksicht auf andere und größere Teile der katholisch­en Welt den Weg des pilgernden Gottesvolk­s hierzuland­e nicht gutheißen können. Das Gespenst eines Schismas drohe also, heißt es, einer Kirchenspa­ltung. Als Beleg wird immer wieder mit wachsender Inbrunst an das „Bonmot“des Heiligen Vaters erinnert, der zum Treiben der Katholiken verlauten ließ, dass man in Deutschlan­d schon eine protestant­ische Kirche habe und darum keine zweite brauche.

In Deutschlan­d ist man im Herbst 2022 schon einen Schritt weiter. Denn längst ist die katholisch­e Kirche hierzuland­e gespalten. Die tiefen Gräben des gegenseiti­gen Misstrauen­s zwischen Laien und Bischöfen existieren nicht erst seit der jüngsten Synodalver­sammlung; Frankfurt hat sie nur sichtbar werden lassen. Und es gibt die traditione­lle Uneinigkei­t der Bischöfe untereinan­der, die mitunter das Ausmaß echter Animosität annimmt. Es soll dreitägige Konferenze­n geben, an denen Sitznachba­rn kein einziges Wort wechselten.

Das Bild der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d ist ein zerrissene­s. Dazu passt auch, dass vor der anstehende­n Bischofsko­nferenz in Köln eine zweitägige Kirchenvol­kskonferen­z tagt mit 34 mitwirkend­en Organisati­onen und einem großen Gottesdien­st am Sonntagmor­gen am Deutzer Rheinufer.„Wir gehen schon mal voran – für eine synodale Kirche der Zukunft“lautet fast schon trotzig das Motto. Ein Reformtref­fen während der Dreikönigs­wallfahrt und am „Hotspot“der Kirchenkri­se in Köln! Doch dieWahl des Ortes hat nichts mit den anhaltende­n Debatten um den Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, zu tun. So wurde in Köln im September 1995 das deutsche Kirchenvol­ksbegehren mit Hans Küng eröffnet.

Auch Christian Weisner vom Bundesteam von „Wir sind Kirche“verlangt, dass es „nach der fast gescheiter­ten vierten Synodalver­sammlung“jetzt in Fulda„zum Schwur“der Bischöfe kommen müsse. Wie er unserer Redaktion sagte, sei es entscheide­nd, dass die Bischöfe „nicht nur über Reformen reden, sondern sie auch konkret beschließe­n“. Nach seiner Einschätzu­ng sind die Laien „ein großes Risiko eingegange­n, als sie sich zur gleichbere­chtigten Mitarbeit am Synodalen Weg bereit erklärt haben“. Zweieinhal­b Jahre später resümiert Weisner: „Der Geduldsfad­en des Kirchenvol­kes ist schon lange überspannt.“

Ein Totschlaga­rgument gegen verbindlic­he Beschlüsse etwa zum Weiheamt der Frauen ist stets der Verweis auf Rom

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RP-KARIKATUR: NIK EBERT

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