Die tief gespaltene Kirche
ANALYSE Die Reformideen aus Deutschland werden die Weltkirche auseinandertreiben, warnen Kritiker. Dabei sind zwischen Bischöfen und Laien hierzulande – aber auch in den Reihen der Bischöfe – tiefe Gräben sichtbar geworden.
In Fulda dürfte – nein: wird es kommendeWoche mit Sicherheit hoch hergehen. Keine zwei Wochen ist es her, da auf der Frankfurter Synodalversammlung Bischöfe und Weihbischöfe kein gutes Bild abgaben: Eine Sperrminorität der Bischöfe hatte das Grundsatzpapier zu einer neuen Sexualethik scheitern lassen. Ein Eklat, der sich wahrscheinlich nur deshalb nicht zum Scheitern der deutschen Reforminitiative von Laien und Bischöfen auswuchs, weil Bischof Georg Bätzing als Präsident des Synodalen Wegs seine Amtsbrüder anschließend vor jeder prekären Abstimmung zu internen Beratungen bat. Das Vertrauensverhältnis zwischen Laien und Würdenträgern war seit Beginn des SynodalenWegs nie besonders ausgeprägt. Seit Frankfurt ist es nachhaltig gestört.
Genau das dokumentieren im Vorfeld der Bischofskonferenz die energischen und nicht eben alltäglichenWorte von Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK): Eine „Klarstellung“erwarteten die Laien in Deutschland von ihren Bischöfen „zum Respekt vor queeren Menschen“. Und: Die Würdenträger müssten ihre Mitverantwortung dafür wahrnehmen, „jede Form von Diskriminierung“zu überwinden. Jetzt gehe es„um überprüfbare Handlungen“. Das Präsidium des ZdK jedenfalls stehe klar „an der Seite der queeren Menschen“, weil die römisch-katholische Kirche kein Ort der Diskriminierung sein dürfe.
Dabei haben sich die deutschen Bischöfe nicht initiativ zum Synodalen Weg aufgemacht. Auslöser dazu waren die Ergebnisse der Missbrauchsstudie von 2018, die erstmals das Ausmaß sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester aufzeigte. Das institutionelle Versagen zwang die Bischöfe zum Handeln. Im März 2019 rafften sie sich zum Synodalen Weg auf und fragten die Laien, diesen Weg mit ihnen zu gehen. Sie baten um eine Solidargemeinschaft. Es war keine einfache Entscheidung, die letztlich das ZdK dazu bewog, zuzustimmen. Wer die aktuelle große Enttäuschung der Laien verstehen will, muss zu diesem Ausgangspunkt zurückkehren.
Versöhnlich werden die 67 Bischöfe und Weihbischöfe in Fulda nicht über den Synodalen Weg beraten. Die Bischofskonferenz – eine Versammlung kirchlicher Würdenund Machtträger – war noch nie ein Ort katholischer Eintracht. Das ist sie aktuell weniger denn je. Auf ihrer Versammlung hinter verschlossenen Türen geht es auch darum, was bei den Ad-limina-Besuchen der Bischöfe beim Papst im November zur Sprache kommen soll. Auch der Synodale Weg? Über den Reformeifer der einen und dem Reformunwillen der anderen ist Rom gut informiert, da bei allen Synodalversammlungen ein Beobachter des Vatikans anwesend ist. Und der wird das „diverse“Stimmverhalten der Bischöfe notiert und überbracht haben.
Ein Totschlagargument gegen verbindliche Beschlüsse etwa zum Weiheamt der Frauen, zur Ehelosigkeit der Priester und kirchlicher Hierarchie ist stets der Verweis auf Rom. Vieles sei weltkirchlich nicht anschlussfähig. Das heißt: Papst Franziskus dürfte mit Blick und Rücksicht auf andere und größere Teile der katholischen Welt den Weg des pilgernden Gottesvolks hierzulande nicht gutheißen können. Das Gespenst eines Schismas drohe also, heißt es, einer Kirchenspaltung. Als Beleg wird immer wieder mit wachsender Inbrunst an das „Bonmot“des Heiligen Vaters erinnert, der zum Treiben der Katholiken verlauten ließ, dass man in Deutschland schon eine protestantische Kirche habe und darum keine zweite brauche.
In Deutschland ist man im Herbst 2022 schon einen Schritt weiter. Denn längst ist die katholische Kirche hierzulande gespalten. Die tiefen Gräben des gegenseitigen Misstrauens zwischen Laien und Bischöfen existieren nicht erst seit der jüngsten Synodalversammlung; Frankfurt hat sie nur sichtbar werden lassen. Und es gibt die traditionelle Uneinigkeit der Bischöfe untereinander, die mitunter das Ausmaß echter Animosität annimmt. Es soll dreitägige Konferenzen geben, an denen Sitznachbarn kein einziges Wort wechselten.
Das Bild der katholischen Kirche in Deutschland ist ein zerrissenes. Dazu passt auch, dass vor der anstehenden Bischofskonferenz in Köln eine zweitägige Kirchenvolkskonferenz tagt mit 34 mitwirkenden Organisationen und einem großen Gottesdienst am Sonntagmorgen am Deutzer Rheinufer.„Wir gehen schon mal voran – für eine synodale Kirche der Zukunft“lautet fast schon trotzig das Motto. Ein Reformtreffen während der Dreikönigswallfahrt und am „Hotspot“der Kirchenkrise in Köln! Doch dieWahl des Ortes hat nichts mit den anhaltenden Debatten um den Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, zu tun. So wurde in Köln im September 1995 das deutsche Kirchenvolksbegehren mit Hans Küng eröffnet.
Auch Christian Weisner vom Bundesteam von „Wir sind Kirche“verlangt, dass es „nach der fast gescheiterten vierten Synodalversammlung“jetzt in Fulda„zum Schwur“der Bischöfe kommen müsse. Wie er unserer Redaktion sagte, sei es entscheidend, dass die Bischöfe „nicht nur über Reformen reden, sondern sie auch konkret beschließen“. Nach seiner Einschätzung sind die Laien „ein großes Risiko eingegangen, als sie sich zur gleichberechtigten Mitarbeit am Synodalen Weg bereit erklärt haben“. Zweieinhalb Jahre später resümiert Weisner: „Der Geduldsfaden des Kirchenvolkes ist schon lange überspannt.“
Ein Totschlagargument gegen verbindliche Beschlüsse etwa zum Weiheamt der Frauen ist stets der Verweis auf Rom