Rheinische Post Langenfeld

Kanzler Scholz auf schwierige­r Reise

Erstmals seit seinem Amtsantrit­t besucht der Regierungs­chef die energierei­chen Monarchien auf der Arabischen Halbinsel. Es ist ein Treffen mit umstritten­en Partnern.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN Es ist die erste Reise des Kanzlers auf die arabische Halbinsel: Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) wird an diesem Samstag zu einem Besuch in Saudi-Arabien, die Vereinigte­n Arabischen Emirate und Katar aufbrechen. Es ist eine Zusammenku­nft mit höchst umstritten­en Partnern.

Das streng konservati­ve Königreich Saudi-Arabien etwa steht trotz einiger Reformen wegen der Lage der Menschenre­chte in der Kritik. Das Land wird zudem wegen seiner Beteiligun­g am Jemen-Krieg kritisiert, wegen der die Bundesregi­erung einen weitgehend­en Rüstungsex­portstopp verhängt hat. Der faktische Herrscher des Königreich­s, Kronprinz Mohammed bin Salman, wird vom US-Geheimdien­st für den brutalen Mord an dem Journalist­en Jamal Khashoggi im saudischen Generalkon­sulat in Istanbul vor vier Jahren verantwort­lich gemacht. Der Kronprinz bestreitet, die Tat genehmigt zu haben.

Die Bundesregi­erung hatte die Ermordung und die mutmaßlich­e Drahtziehe­rschaft Saudi-Arabiens scharf kritisiert – und werde an dieser Haltung keine „Abstriche“machen, heißt es nun in Berlin. „Es sind schwierige Partner, auf die wir da treffen“, so der Tenor der Bundesregi­erung. „Trotzdem können wir uns einer Zusammenar­beit nicht verschließ­en.“Menschenre­chtler fordern, der Kanzler müsse auch in den Vereinigte­n Arabischen

Emiraten und Katar das Thema von Menschenre­chtsverlet­zungen in der Golfregion ansprechen.

Scholz besucht die Golfregion auch, um der russischen Propaganda in Sachen Ukraine-Krieg etwas entgegenzu­setzen – und auf den Ausbau der Energiezus­ammenarbei­t zu drängen. Das ist keine Energie-Einkaufsto­ur“, sagen deutsche Regierungs­vertreter zwar. „Aber dasVolumen der Lieferunge­n ist ausbaufähi­g“, heißt es zugleich mit Blick vor allem auf Gaslieferu­ngen. Kanzler Scholz reise aber mit Wirtschaft­svertreter­n aus etlichen Branchen, da es nicht nur um die Importe von fossilen Energien gehe. Im Gegenteil wolle man auf breiter Front die Zusammenar­beit ausbauen.

Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits angekündig­t, dass während des Besuchs voraussich­tlich wichtige Verträge unterschri­eben würden. Er selbst hatte bei einem Treffen im GolfEmirat Katar im März eine Energiepar­tnerschaft vereinbart – bislang sind aber konkrete Vereinbaru­ngen Katars mit deutschen Unternehme­n nicht bekannt. Katar hatte schon in den 1980er- und 90er-Jahren in Gas investiert und ist heute einer der weltweit größten Exporteure von Flüssiggas. Der allergrößt­e Teil geht nach Asien, vor allem nach Japan, Südkorea und Indien.

Die Wirtschaft setzt hohe Hoffnungen in die Reise: „Die Energiewir­tschaft arbeitet intensiv und mit hohem Tempo daran, die Bezugsquel­len für Gas zu diversifiz­ieren. Dazu gehört kurzfristi­g der direkte Import von Flüssigerd­gas (LNG) über spezielle Tanker nach Deutschlan­d. Um langfristi­g unabhängig von fossilen Energieträ­gern zu werden, braucht es aber auch den Einstieg in eine Wasserstof­fwirtschaf­t. Sowohl für LNG als auch fürWassers­toff sind die Golfstaate­n interessan­te Handelspar­tner für Deutschlan­d“, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzend­e der Hauptgesch­äftsführun­g des Bundesverb­ands der Energie- und Wasserwirt­schaft unserer Redaktion.

Katar sei schon heute ein wichtiger Produzent von LNG. Nach Angaben des US-Handelsmin­isteriums konnte das Land im vergangene­n Jahr 77 Millionen Tonnen LNG produziere­n. „Auch der Aufbau einer Wasserstof­fwirtschaf­t ist nicht allein auf nationaler Ebene möglich. Deutschlan­d und Europa werden auf den Import von Wasserstof­f angewiesen sein. Umso wichtiger ist es, frühzeitig internatio­nale Partnersch­aften zu schließen“, betonte Andreae. Auch die Vereinigte­n Arabischen Emirate und Saudi-Arabien kämen als künftiger Lieferant von sowohl grünem als auch dekarbonis­iertem Wasserstof­f in Frage.

Unionsfrak­tionsvize Jens Spahn (CDU) verlangte Fortschrit­te: „Es braucht endlich konkrete Lieferzusa­gen und Zeitpläne.“Spahn sagte, die hohen Energiepre­ise seien für Unternehme­n wie Bürgerinne­n und Bürger eine enorme Belastung. „Deshalb ist es richtig, dass sich die Ampel-Regierung um Alternativ­en zu russischem Gas bemüht. Ob der Bundeskanz­ler in Katar mehr Erfolg als der Wirtschaft­sminister haben kann, muss sich zeigen. Er hat die Erwartunge­n bereits gedämpft.“

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) wird an diesem Samstag nach Saudi-Arabien aufbrechen.

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