Kanzler Scholz auf schwieriger Reise
Erstmals seit seinem Amtsantritt besucht der Regierungschef die energiereichen Monarchien auf der Arabischen Halbinsel. Es ist ein Treffen mit umstrittenen Partnern.
BERLIN Es ist die erste Reise des Kanzlers auf die arabische Halbinsel: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird an diesem Samstag zu einem Besuch in Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar aufbrechen. Es ist eine Zusammenkunft mit höchst umstrittenen Partnern.
Das streng konservative Königreich Saudi-Arabien etwa steht trotz einiger Reformen wegen der Lage der Menschenrechte in der Kritik. Das Land wird zudem wegen seiner Beteiligung am Jemen-Krieg kritisiert, wegen der die Bundesregierung einen weitgehenden Rüstungsexportstopp verhängt hat. Der faktische Herrscher des Königreichs, Kronprinz Mohammed bin Salman, wird vom US-Geheimdienst für den brutalen Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul vor vier Jahren verantwortlich gemacht. Der Kronprinz bestreitet, die Tat genehmigt zu haben.
Die Bundesregierung hatte die Ermordung und die mutmaßliche Drahtzieherschaft Saudi-Arabiens scharf kritisiert – und werde an dieser Haltung keine „Abstriche“machen, heißt es nun in Berlin. „Es sind schwierige Partner, auf die wir da treffen“, so der Tenor der Bundesregierung. „Trotzdem können wir uns einer Zusammenarbeit nicht verschließen.“Menschenrechtler fordern, der Kanzler müsse auch in den Vereinigten Arabischen
Emiraten und Katar das Thema von Menschenrechtsverletzungen in der Golfregion ansprechen.
Scholz besucht die Golfregion auch, um der russischen Propaganda in Sachen Ukraine-Krieg etwas entgegenzusetzen – und auf den Ausbau der Energiezusammenarbeit zu drängen. Das ist keine Energie-Einkaufstour“, sagen deutsche Regierungsvertreter zwar. „Aber dasVolumen der Lieferungen ist ausbaufähig“, heißt es zugleich mit Blick vor allem auf Gaslieferungen. Kanzler Scholz reise aber mit Wirtschaftsvertretern aus etlichen Branchen, da es nicht nur um die Importe von fossilen Energien gehe. Im Gegenteil wolle man auf breiter Front die Zusammenarbeit ausbauen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits angekündigt, dass während des Besuchs voraussichtlich wichtige Verträge unterschrieben würden. Er selbst hatte bei einem Treffen im GolfEmirat Katar im März eine Energiepartnerschaft vereinbart – bislang sind aber konkrete Vereinbarungen Katars mit deutschen Unternehmen nicht bekannt. Katar hatte schon in den 1980er- und 90er-Jahren in Gas investiert und ist heute einer der weltweit größten Exporteure von Flüssiggas. Der allergrößte Teil geht nach Asien, vor allem nach Japan, Südkorea und Indien.
Die Wirtschaft setzt hohe Hoffnungen in die Reise: „Die Energiewirtschaft arbeitet intensiv und mit hohem Tempo daran, die Bezugsquellen für Gas zu diversifizieren. Dazu gehört kurzfristig der direkte Import von Flüssigerdgas (LNG) über spezielle Tanker nach Deutschland. Um langfristig unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden, braucht es aber auch den Einstieg in eine Wasserstoffwirtschaft. Sowohl für LNG als auch fürWasserstoff sind die Golfstaaten interessante Handelspartner für Deutschland“, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft unserer Redaktion.
Katar sei schon heute ein wichtiger Produzent von LNG. Nach Angaben des US-Handelsministeriums konnte das Land im vergangenen Jahr 77 Millionen Tonnen LNG produzieren. „Auch der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist nicht allein auf nationaler Ebene möglich. Deutschland und Europa werden auf den Import von Wasserstoff angewiesen sein. Umso wichtiger ist es, frühzeitig internationale Partnerschaften zu schließen“, betonte Andreae. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien kämen als künftiger Lieferant von sowohl grünem als auch dekarbonisiertem Wasserstoff in Frage.
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) verlangte Fortschritte: „Es braucht endlich konkrete Lieferzusagen und Zeitpläne.“Spahn sagte, die hohen Energiepreise seien für Unternehmen wie Bürgerinnen und Bürger eine enorme Belastung. „Deshalb ist es richtig, dass sich die Ampel-Regierung um Alternativen zu russischem Gas bemüht. Ob der Bundeskanzler in Katar mehr Erfolg als der Wirtschaftsminister haben kann, muss sich zeigen. Er hat die Erwartungen bereits gedämpft.“