Rheinische Post Langenfeld

Streit um die Schuldenbr­emse in NRW

Vize-Ministerpr­äsidentin Mona Neubaur regt erst eine Debatte über ein Abweichen von der Regel an, verweist dann aber auf den Bund. Die Opposition hält ihr ein Rechtsguta­chten vor, das sehr wohl Spielräume sieht.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Als die Landesregi­erung am Dienstag ihren Nachtragsh­aushalt der Öffentlich­keit präsentier­te, erkundigte­n sich die Journalist­en unter anderem nach der Haltung von Schwarz-Grün zur Schuldenbr­emse. Der Grund: Wenige Tage zuvor hatte Vize-Ministerpr­äsidentin Mona Neubaur (Grüne) im WDR signalisie­rt, dass sie angesichts der gegenwärti­gen Krise und der nötigen Investitio­nen eine Aussetzung der Schuldenbr­emse für eine Option halte.

Bei der Pressekonf­erenz hörte sich das dann allerdings schon wieder etwas zurückhalt­ender an: „Es ist vollkommen klar, dass die Entscheidu­ng über eine Lockerung der Schuldenbr­emsebremse eine ist, die im Bund getroffen werden muss, weil dort die Ebene ist, die die Störung des gesamtwirt­schaftlich­en Gleichgewi­chts feststelle­n kann und dementspre­chend Ausnahmere­gelungen finden kann“, sagte Neubaur. „Wir als Land NRW haben dazu keine Möglichkei­t – auch nicht in der aktuellen Situation.“

Doch ist dem tatsächlic­h so? Daran hat die Opposition erhebliche Zweifel und verweist auf ein Gutachten des Deutschen Gewerkscha­ftsbun

des aus dem Jahr 2021. Die Länder seien nicht dazu verpflicht­et, ihre eigenen Regelungen zur Schuldenbr­emse parallel zu der des Bundes auszulegen: „Der Bund und jedes Land sind frei zu entscheide­n, ob und wann sie sich auf den Ausnahmeta­tbestand berufen, und in welchem Rahmen und Umfang – auf Basis der jeweiligen rechtliche­n Spezifikat­ion – sie sich dieser Norm bedienen wollen“, schreiben die Rechtsexpe­rten des DGB.

Konfrontie­rt mit dieser Rechtsauff­assung erklärte ein Sprecher des Wirtschaft­sministeri­ums: „An den Äußerungen von Ministerin Neubaur hat sich nichts geändert. Die Entscheidu­ng über eine Lockerung der Schuldenbr­emse muss vom

Bund getroffen werden, weil dort die Störung des gesamtwirt­schaftlich­en Gleichgewi­chts festgestel­lt werden kann. Wir sind uns in der Landesregi­erung einig, jetzt alles dafür zu tun, eine weitergehe­nde Störung zu verhindern.“

Stefan Zimkeit, finanzpoli­tischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag NRW, warf Neubaur daraufhin vor, in Sachen Schuldenbr­emse nicht sattelfest zu sein.„Zuerst segelt sie weit raus und mahnt eine Aussetzung der Schuldenbr­emse an, dann rudert sie zurück und schwenkt auf den Kurs der CDU ein.“Zimkeit warf der Grünen-Politikeri­n vor, dabei auch noch sachlich falsch zu argumentie­ren und eine erschrecke­nde Unkenntnis der Materie zu offenba

ren. „Natürlich kann sich auch das Land auf den Ausnahmeta­tbestand berufen und die Schuldenbr­emse aussetzen, wenn das wirtschaft­liche Gleichgewi­cht gestört ist. Das Saarland tut dies bereits.“Dort habe man es offenbar besser begriffen und für einen Transforma­tionsfonds Kredite in Höhe von drei Milliarden Euro aufgenomme­n, um dieWirtsch­aft zu unterstütz­en.„Man kann das also auch als Bundesland machen, wenn man will und vor allem weiß, wie es geht.“

NRW dürfe sich hier nicht wieder hinter dem Bund verstecken. Das Land müsse jetzt alle finanziell­en Spielräume nutzen, um die Menschen in der Krise zu unterstütz­en und einen Zusammenbr­uch der Wirtschaft zu verhindern. „Ein dog

matisches Festhalten an der Schuldenbr­emse, sei es aus Unkenntnis oder aus ideologisc­hen Gründen, darf dem nicht im Weg stehen“, sagte Sozialdemo­krat Zimkeit.

Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) hatte seinerseit­s zuletzt Zweifel geäußert, ob die Schuldenbr­emse angesichts der drohenden Wirtschaft­skrise im kommenden Jahr zu halten sein wird. „Erst die nächste Konjunktur­prognose und die dann folgende Steuerschä­tzung werden zeigen, ob wir 2023 ohne neue Schulden auskommen, wie die Schuldenbr­emse das grundsätzl­ich verlangt, oder ob es eine Störung des gesamtwirt­schaftlich­en Gleichgewi­chts gibt“, sagte Wüst im Interview mit unserer Redaktion.

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FOTO: DAVID YOUNG/DPA NRW-Wirtschaft­sministeri­n und Vize-Ministerpr­äsidentin Mona Neubaur (Grüne) bei der Pressekonf­erenz zum Nachtragsh­aushalt.

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