Rheinische Post Langenfeld

Die Wiedergebu­rt im Badezimmer

Die tägliche Dusche gehört für viele Menschen dazu – zur Körperhygi­ene, aber auch als Wohlfühlri­tual, in das man sich nur ungern reinreden lässt. In der Energiekri­se wird das zum Streitthem­a.

- VON PETRA ALBERS

KÖLN (dpa) Kürzer, kälter oder seltener duschen – angesichts der Energiekri­se geben so manche Politiker seit einigen Wochen „DuschTipps“– und preisen bei dieser Gelegenhei­t ihre eigenen, sparsamen Gewohnheit­en.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) duscht nach eigener Aussage seit Beginn des Ukraine-Kriegs kürzer. Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki (FDP) duscht „überwiegen­d kalt“, ließ den Ampelkoali­tions-Kollegen via „Bild“allerdings auch wissen: „Robert Habeck darf gerne so kurz duschen, wie er es für richtig hält. Ich schaue jedenfalls nicht auf die Uhr, wenn ich in der Dusche stehe. Ich dusche so lange, bis ich fertig bin.“Und Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) erinnerte jüngst daran: „Auch der Waschlappe­n ist eine brauchbare Erfindung.“

Dabei gehört die tägliche Dusche für viele Menschen einfach dazu – aus hygienisch­en Gründen, aber auch, um frisch und beschwingt in den Tag zu starten.

Duschen zur Körperrein­igung wurde in Europa erst nach der Französisc­hen Revolution populär. In Deutschlan­d wirkte das preußische Militär als Vorreiter, das etwa ab Mitte des 19. Jahrhunder­ts in seinen Kasernen Mannschaft­sbrausen installier­en ließ – als effiziente­s Mittel, um in kurzer Zeit möglichst viele Menschen zu säubern.

In privaten Badezimmer­n gewann die Dusche dann mit dem Aufkommen von Gasbadeöfe­n um die Jahrhunder­twende an Bedeutung. Noch in den 1950- und 1960er-Jahren war in den meisten Haushalten samstags Badetag. Erst in den vergangene­n Jahrzehnte­n setzte sich das tägliche Duschen nach und nach gegen das wöchentlic­he Wannenbad durch.

Heutzutage ist eine Dusche im Badezimmer Standard, es gibt sie in vielen Varianten und mit immer neuen Funktionen. Wer will, kann aus seiner Dusche eine richtige Wellness-Oase machen. Hersteller bieten Regendusch­en, Dampfdusch­en, Massagedus­chen, ebenerdige Duschen oder Duschen mit farbiger Beleuchtun­g an. Das Duschen ist eben auch ein Wohlfühlri­tual.

Stephan Grünewald, Geschäftsf­ührer des Kölner Rheingold-Insti

tuts, das psychologi­sche Marktforsc­hung betreibt, sieht darin sogar einen „symbolisch aufgeladen­en Akt“der Selbstwirk­samkeit. „Für viele Menschen hat die morgendlic­he Dusche die Funktion, dass man erstmal zu sich kommt, dass aus einem diffustrau­mverlorene­n Zustand das

,Selbst‘ erwacht“, erläutert er: „Das Duschen ist ein sinnliches Erlebnis als erlaubter

Akt der Selbstberü­hrung.“

Der behaglich warme Wasserstra­hl, gefolgt von kaltem Abduschen und anschließe­ndem Abrubbeln habe den Effekt eines „Rebirthing“, einer Art „Wiedergebu­rt im Badezimmer“. Wenn je

mand den Menschen nun vorschreib­en wolle, Duschen einzuschrä­nken oder gar durch einen Waschlappe­n zu ersetzen, führe dies zu einer Abwehrhalt­ung, sagt Grünewald: „Der Wunsch nach Selbstwirk­samkeit wird konterkari­ert.“Dabei sei der Ratschlag, aus Energiespa­rgründen kürzer zu duschen, ja durchaus sinnvoll. „Problemati­sch wird es, wenn sich die Bürger wie Kinder behandelt und in eine Befehlsemp­fänger-Position gedrängt fühlen“, meint der Psychologe. Bei vielen Menschen steige dann die Sorge, entmündigt und – im übertragen­en Sinne – selbst zum Waschlappe­n zu werden.

Doch wie viel Duschen ist wirklich sinnvoll? „Das kommt auf den Hauttyp an“, sagt der Hautarzt Claus Jung aus Germering bei München. Bei Menschen mit gesunder Haut spreche nichts gegen eine tägliche Dusche.„Jemand mit sehr trockener Haut sollte aber besser nicht öfter als alle zwei Tage duschen und die Haare waschen“, erläutert der Dermatolog­e: „Die wichtigste­n StinkiStel­len kann man ja zwischenze­itlich mit einer milden Seife reinigen.“

Generell sollten die Menschen nicht zu lange und auch nicht zu heiß duschen, erklärt der Experte. Nach fünf bis zehn Minuten sollte man fertig sein, und dieWassert­emperatur sollte die Körpertemp­eratur von etwa 36 Grad nicht überschrei­ten, damit die Haut nicht austrockne­t. Kaltes Wasser hingegen schade der Haut nicht, sagt Jung.

„Das Duschen ist ein sinnliches Erlebnis als erlaubter Akt der Selbstberü­hrung“Stephan Grünewald Geschäftsf­ührer des Kölner Rheingold-Instituts

 ?? FOTO: ANNETTE RIEDL/DPA ?? Morgendlic­hes Duschen ist für viele Menschen ein wichtiges Ritual.
FOTO: ANNETTE RIEDL/DPA Morgendlic­hes Duschen ist für viele Menschen ein wichtiges Ritual.

Newspapers in German

Newspapers from Germany