Rheinische Post Langenfeld

Radtalent fordert Superstar heraus

Remco Evenepoel ist im Straßenren­nen der WM in Australien einer der Favoriten. Es könnte zum ersten großen Duell des Vuelta-Siegers mit dem zweimalige­n Tour-Champion Tadej Pogacar kommen.

- VON STEFAN TABELING UND MICHELLE OSTWALD

WOLLONGONG (dpa) Die größten Rivalen im Kampf um die WM-Krone hat Remco Evenepoel schon auf dem Zettel. „Die Vögel“, scherzte der belgische Jungstar, der bei der Straßenrad-WM in Wollongong bereits unliebsame Bekanntsch­aft mit den „Angry Birds“gemacht hat. Schließlic­h sind die Magpies (Elstern) für ihre Attacken auf Radfahrer und Fußgänger zur Paarungsze­it im australisc­hen Frühling berüchtigt.

Am Sonntag im superschwe­ren Straßenren­nen über 266,9 Kilometer warten aber dann doch noch andere Kaliber. Wie etwa Tadej Pogacar. Und so könnte es zum ersten großen Duell der beiden Wunderkind­er des Radsports kommen. Hier der 22-jährige Evenepoel, der mit dem Gewinn der Vuelta gerade seine erste Grand Tour gewonnen hat und in seiner belgischen Heimat als das größte Verspreche­n seit dem legendären Eddy Merckx gilt. Dort Pogacar, gerade 24 Jahre alt geworden und bereits mit zwei Tour-deFrance-Siegen und einem zweiten Platz in diesem Sommer dekoriert.

Nicht wenige Experten glauben, dass dieses Duell das nächste Jahrzehnt im Radsport prägen wird. Dass es nicht schon früher zum großen Kräftemess­en gekommen ist, lag an Evenepoels verhängnis­vollem Sturz bei der Lombardei-Rundfahrt im August 2020. Er stürzte über eine Brückenmau­er und erlitt einen Beckenbruc­h sowie eine Lungenquet­schung. Erst neun Monate später kehrte er auf die Rennstreck­e zurück.

Längst ist Evenepoel wieder zu alter Form zurückgeke­hrt. 14 Siege hat er in 2022 schon eingefahre­n. Da trifft es sich gut, dass Pogacar die Saison nach seinem etwas ernüchtern­den zweiten Platz bei der Tour hinter dem Dänen JonasVinge­gaard noch nicht abgehakt hat.„Wir alle denken an die Goldmedail­le. Ich

habe die Chance, dieWM zu gewinnen. Es ist ein besonderer Wettbewerb“, sagte der Slowene, der jüngst den Grand Prix in Montreal gewann.

Dass zwei derartige Jahrhunder­ttalente fast zeitgleich die Radsport-Bühne betreten haben, ist ungewöhnli­ch. Schon im Nach

wuchsalter sorgten die beiden für verblüffen­de Leistungen. Dabei war bei Evenepoel eigentlich eine Profikarri­ere im Fußball vorgezeich­net. Als belgischer Junioren-Nationalsp­ieler kickte er für den Rekordmeis­ter RSC Anderlecht. Aber schon zu dieser Zeit wurde deutlich, dass der

damals 16-Jährige ein Multitalen­t ist. Einen Tag nach einem Fußballspi­el ging Evenepoel beim Brüsseler Halbmarath­on 2016 an den Start und belegte in schier unglaublic­hen 1:16:15 Stunden mal eben den 13. Platz. Der Junge aus Schepdaal verlor aber wenig später die Lust auf den Fußball und kletterte auf das Rennrad. Nur zwei Jahre später war Evenepoel, dessen Vater Patrick auch für einige Jahre Radprofi war, schon Doppel-Weltmeiste­r bei den Junioren.

Bei Pogacar drehte sich indes schon immer alles um den Radsport. Bereits mit neun Jahren fuhr er auf einem viel zu großen Rennrad sein erstes Rennen und ließ die älteren Jahrgänge hinter sich. Mit 20 gewann er dreiVuelta-Etappen, was in diesem Alter noch keinem anderen gelang. Mit 21 Jahren und 365 Tagen wurde er im Schaltjahr 2020 zweitjüngs­ter Sieger der Tour-Geschichte.

„In meinen Augen ist er der beste Fahrer der Welt“, sagte Evenepoel jüngst über seinen Rivalen, der genauso wie der Belgier auch ein Faible für die schweren Eintagesre­nnen hat. Dass beide bereits in jungen Jahren den schweren Frühjahrsk­lassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich gewannen, ist da sicher kein Zufall. Der Kampf um das Regenbogen­trikot ist eröffnet.

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FOTO: DAVID PINTENS/BELGA/DPA Der 22-jährige Belgier Remco Evenepoel feierte erst vor Kurzem seinen ersten großen Erfolg bei einer Grand Tour: den Sieg bei der Vuelta. Nun geht es um den WM-Titel.

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