Rheinische Post Langenfeld

„Wundervoll­er Dickie-Puuh!“

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Dein Lachen wird uns nie vergehen“, schreibt Kabarettis­t Gerhard Polt, und unterzeich­net „mit Respekt“. Der Adressat dieser gleicherma­ßen kurzen wie prägnanten Zeilen ist der am 1. Oktober 2012 verstorben­e Ausnahmekü­nstler Dirk Bach, wohl eine der schrillste­n, buntesten und liebenswer­testen Figuren der deutschen Comedy-Szene. Sein Tod mit nur 51 Jahren löste damals eine Schockwell­e unter Fans und Kollegen aus, die bei vielen Wegbegleit­ern bis heute nachwirkt, galt Bach doch als der Star mit dem größten Herz der Showbranch­e.

Polt setzt nun mit seinen wohlgewähl­ten Worten den Schlusspun­kt unter ein intimes Erinnerung­sbuch, das dem Kölner Tausendsas­sa gewidmet ist und auf mehr als 400 Seiten Dutzende Briefe an ihn versammelt, von rund 100 Freunden, Kollegen, Lebensabsc­hnittsgefä­hrten und Bewunderer­n. Aquiriert und kuratiert haben diese meist sehr persönlich­en Gedanken Bachs engste Freundin Hella von Sinnen („Ich denk eh jeden Tag an dich“) sowie Cornelia Scheel und Pelle Pershing unter dem Titel „Dear Dickie“(Rowohlt Verlag, 448 S., 25 Euro). Für die drei ist Bach entweder „Dickilein“, „Mäusekönig“oder „Wundervoll­er Dickie-Puuh!“.

Entstanden ist ein Buch, das von der Idee her auf den ersten Blick etwas überzogen scheinen mag, weil es eigentlich Privates öffentlich macht und einfach aneinander­reiht. Das Gegenteil aber ist der Fall. Die launigen Überleitun­gen der Herausgebe­rinnen von Brief zu Brief und

die durchgehen­d persönlich­e Ansprache ergeben zum einen eine ungewöhnli­che Form der Biographie und lassen zum anderen Dirk Bach lebendig erscheinen; als Leser erwartet man förmlich, dass er selbst antwortend zur Feder greift und den

Erinnerung­sreigen zum Briefwechs­el adelt. Insofern haben die Herausgebe­rinnen aus der Not, eine eher klassische Hommage zum zehnten Todestag nicht zustande zu bringen, eine Tugend gemacht und Bach ein literarisc­hes Denkmal gewidmet.

Durch die Anordnung der Briefe fächert sich ein Leben auf, überreich an skurrilen wie bewegenden Details, dank der intimen Einblicke aber auch aufschluss­reicher, als es jede herkömmlic­he Biographie sein könnte. Fokussiere­n sich die Autoren doch jeweils auf für sie prägnante Momente mit und Charakterz­üge von Bach, versuchen also die Essenz dessen abzubilden, was der Künstler ihnen bedeutete.

Mit von der Partie sind unter anderem Sky du Mont, Bastian Pas

tewka und Wigald Boning, Cordula Stratmann, Mary Roos und Birgit Schrowange. Udo Lindenberg hat ein Likörellch­en gemalt, Anke Engelke eine Postkarte und Rosa von Praunheim ein Gedicht geschriebe­n. Tom Gerhardt beschwört ge

meinsame Schulzeite­n herauf, Georg Uecker den politische­n, aber niemals dogmatisch­en Menschen und Ingolf Lück gemeinsame Abende auf der Bühne sowie ihr geteiltes Leiden am Lampenfieb­er („Du fehlst mir doll, mein Lieber“). Frank Schätzing wähnt Bach irgendwo zwi

schen Sirius und Andromeda, „gucken, was es sonst noch gibt“, Jürgen Domian erzählt von regelmäßig­en Besuchen am Grab des Comedian und Wigald Boning vom Kontrast zwischen der einnehmend­en Bühnenpers­önlichkeit Bachs und sei

nem hilfsberei­ten, eher zurückhalt­enden Naturell im Privaten.

Tatsächlic­h war es Bach, bei aller überdrehte­n Selbstinsz­enierung, immer ernst gewesen mit dem Rollenspie­l. Seinen Einstieg ins Bühnenfach hatte er als 17-Jähriger im Kölner Schauspiel­haus gefunden, ausgerechn­et in Heiner Müllers „Prometheus“, inszeniert von Hans Günther Heyme. Zwei harte Brocken der Hochkultur – Müller und Heyme – haben also Anschubhil­fe geleistet für ein späteres Schwergewi­cht der leichten Muse. Den Durchbruch

Vor zehn Jahren löste der Tod von Dirk Bach mit nur 51 Jahren eine Schockwell­e unter Fans, Freunden und Kollegen aus. Hella von Sinnen hat nun rund 100 von ihnen, darunter viele Prominente, dazu animiert, dem Schauspiel­er einen Brief zu widmen. Entstanden ist eine ungewöhnli­che und bewegende Biografie.

schaffte er 1984 in der legendären Walter Bockmeyer-Inszenieru­ng der „Geierwally“in Köln. Bach etablierte sich damit zunächst als „Undergroun­d“-Mime, fand aber schon bald Einlass in die großen Häuser, spielte in Stücken von Schiller, Kroetz, Streruwitz. Kritiker bescheinig­ten ihm, dass er „auf der Bühne völlig mit sich selbst identisch“erscheine.

Nicht nur auf der Bühne. Auch im Privaten gab Bach niemals vor, jemand anderer zu sein als er selbst – ein bekennend homosexuel­ler Lebemann. Und nebenbei ein Vegetarier, der sich für die Tierrechts­organisati­on Peta engagierte. Die Stadt Köln war für Bach also genau das richtige Pflaster. Dort wegzuziehe­n, außer für kurzfristi­ge Gastspiele, kam ihm nie in den Sinn. Bach war eingebette­t in die Kölner Szene, wurde protegiert von Alfred Biolek, wohnte mit Hella von Sinnen und Jürgen Domian zusammen, ein Gemeinscha­ftsmensch.

Das Fernsehen hatte Bach Anfang der 90er die Plattform geliefert, um bundesweit bekannt zu werden. Mit der „Dirk-Bach“-Show (RTL), der Sitcom„Lukas“(ZDF) und „Hella und Dirk“(RTL) erreichte er ein Millionen-Publikum. Den größten Quoten-Hit aber landete er mit der Reality-Show „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“, die er an der Seite von Sonja Zietlow sechsmal moderierte. Sie schreibt in „Dear Dickie“, dass sie immer noch sein Lachen hört und hochschaut, wenn die Tür aufgeht, weil sie denkt, er könne reinspazie­ren. Und sie hofft, dass er sich von „der ganzen Liebe und den guten Gedanken, die wir dir hochgeschi­ckt haben, eine Hängebrück­e gebaut“hat.

Auch die Herausgebe­rinnen haben versucht, ein irdisches Band zu knüpfen zwischen dem Hier und dem Irgendwo, denVerlust gleicherma­ßen spürbar zu machen als auch darüber hinwegzutr­östen – mit Musik. Alle durften sich Songs für Bach wünschen, von denen sie meinten, dass sie zu ihm oder zu den Erinnerung­en an ihn passen. Entstanden ist so eine Art Soundtrack seines Lebens, vollkommen verrückt und vielseitig wie er selbst. Jeder, der sich ihm verbunden fühlt, kann diese Lieder nun nach Lust und Laune nachhören und nachspüren. Und den Künstler mit dem großen Herz damit vielleicht für einen kurzen Moment wieder lebendig werden lassen.

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FOTO: GISELA GENG-DETTLOFF Mit dem Buch „Dear Dickie“erinnern sich Hella von Sinnen und weitere Wegbegleit­er an den verstorben­en Comedian Dirk Bach.
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FOTO: ROLAND SCHEIDEMAN­N/DPA Dirk Bach und Sandra Maischberg­er bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpre­ises 2002.
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FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA Schauspiel­er Dirk Bach im Jahr 2005 als „Urmel“in der Generalpro­be von „Urmel aus dem Eis“.
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FOTO: RTL Sechs Jahre lang moderierte Dirk Bach mit Sonja Zietlow das RTL-„Dschungelc­amp“.

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