Gastronomie versus Ordnungsamt
Jenny Hülsmann beklagt wie andere Wirte ständige Anwohnerbeschwerden. Fehlt die Toleranz für Restaurants und Kneipen?
DÜSSELDORF Der Streit um die DSchänke hat hohe Wellen geschlagen – und Gastronomie, Anwohner und Ordnungsamt geraten in Düsseldorf auch an anderen Stellen aneinander. Wirte berichten von häufigen Besuchen der städtischen Ordnungskräfte und besonders strikter Auslegung von Regelungen. Dabei könnte sich unter anderem der Trend zu einer Ausweitung der Außengastronomie bemerkbar machen – und möglicherweise auch eine geringere Toleranz nach der Coronakrise.
Zu denen, die regelmäßig das Ordnungsamt vor der Tür haben, gehört nach eigenem Bekunden die Gastronomin Jenny Hülsmann.„Mit unserem Hülsmann am Belsenplatz haben wir keine Probleme, wohl aber mit einer Familie, die im Nachbarhaus direkt oberhalb unseres Chez Lio am Barbarossaplatz wohnt“, sagt Hülsmann. Es hagele Anzeigen, denen das Ordnungsamt nachgeht. „Erst waren es unsere Öffnungszeiten, die diesen Anwohnern ein Dorn im Auge waren, dann Gäste, die draußen vor der Tür an einem Stehtisch auf einen Platz im Chez Lio gewartet haben. Angeblich war die Musik zu laut, das Bewegen der Stühle soll Krach gemacht und die Kühlhaustüren sollen geknallt haben – und das alles bei geschlossener Bistrotür.“
Hülsmann, die sich mit dem bretonischen Restaurant einen Traum erfüllte, ist tief enttäuscht. „Ich musste schon einen Mitarbeiter entlassen, 20 Familien hängen finanziell am Chez Lio, durch die Anzeigen weiß ich nicht, ob ich das Personal halten kann. Weil die Leute zum Beispiel draußen nicht mehr warten dürfen, gehen sie, das bedeutet für uns eine wahnsinnige Umsatzeinbuße.“Zeitweise seien jeden Tag OSD-Mitarbeiter vorbeigekommen, das habe sich jetzt zwar beruhigt, doch der „Terror“der Nachbarn hänge ihr noch nach, wie Hülsmann sagt. „Per Kurznachrichtendienst und Anrufen fühlte ich mich regelrecht belästigt.“
Grundsätzlich werde Beschwerden nachgegangen, teilt das Ordnungsamt zu diesem Fall mit. Falls sie sich bestätigten, erfolgten ordnungsbehördliche Maßnahmen. „Generell haben Wirte und Wirtinnen es durch ihr Verhalten selbst in der Hand, die Beschwerdehäufigkeit zu steuern“, sagt ein Stadtsprecher. Der benannte Bereich werde auch beschwerdeunabhängig regelmäßig kontrolliert.
Vor wenigen Wochen hatte der Fall aus Niederkassel für Aufsehen gesorgt: Dort hat es zahlreiche Beschwerden gegen die D-Schänke gegeben. Die Vorgänge beschäftigen jetzt auch die zuständigen Stadtteilpolitiker in der Bezirksvertretung 4: Der parteilose Abgeordnete Alexander Schmitt hat das Thema auf die Tagesordnung der nächstenVersammlung am 28. September gehoben. Er will unter anderem wissen, warum weder Bezirks- noch Oberbürgermeister bislang für Frieden sorgen konnten.
Anwohner hatten mehr als 300 Mal das Ordnungsamt gerufen, weil sie sich nach 22 Uhr von dem Biergarten in der Straße Alt-Niederkassel gestört fühlten. Vor einem Haus, aus dem der allergrößte Teil der Beschwerden kam, legten Unbekannte einen abgetrennten Schweinekopf ab. Eier flogen an die Hauswand, ein ausländerfeindlicher Spruch rief den Staatsschutz der Polizei auf den Plan. Auch die Bezirksregierung hat sich eingeschaltet. Sie teilt auf Anfrage mit, man mache sich aktuell ein Bild der verschiedenen Positionen. Federführend sei der Bereich Gewerberecht. Weitere Angaben machte die Behörde unter Verweis auf das laufende Verfahren nicht.
Auch die Gastronomen an der Schwerinstraße hatten einen unruhigen Sommer. Immer wieder hagelte es über die Sommermonate Beschwerden von Anwohnern, wenn die Terrasse in Kneipen wie dem Café a GoGo, aber auch den Restaurants in der Seitenstraße der Nordstraße nach 22 Uhr noch Gäste bewirtet hatten – und dann musste sofort alles eingeräumt werden. „Teilweise war es noch hell und du musstest den Gästen sagen, dass sie reinzugehen hätten, damit die Nachtruhe der Anwohner gewahrt
bleibe“, sagt ein betroffener Wirt.
Ob die Toleranz gegenüber der Gastronomie insgesamt abgenommen hat, ist schwer zu belegen. Klar ist: Durch den Siegeszug der Außengastronomie in den letzten Jahrzehnten ist das Konfliktpotenzial gestiegen. Die Corona-Krise und zuletzt auch der Hitzesommer haben den Trend zum draußen sitzen auch bis in den späten Abend verstärkt. Thorsten Hellwig, Sprecher des Branchenverbands Dehoga NRW, sagt, in verdichteten Räumen wie Düsseldorf sei ein Einhalten von Regeln und eine wechselseitige Rücksichtnahme erforderlich, damit das Miteinander gelingt. „Wir appellieren dabei an Gäste, Wirte und Anwohner.“