Rheinische Post Langenfeld

„Ich weiß gar nicht, ob wir mit den Männern tauschen wollten“

Die Fußballeri­n spricht über ihren Weg vom STV Hünxe zum FC Bayern, EM-Begeisteru­ng und Bundesliga­Alltag, Bezahlung und Privatsphä­re.

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MÜNCHEN Linda Dallmann kommt aus der Gegend, aber München ist weit weg. Das Gespräch mit der 28-Jährigen findet daher am Telefon statt, parallel läuft sie mit ihrer Schwester über den FC-Bayern-Campus, was zu Missverstä­ndnissen führt.

Frau Dallmann, erinnern Sie sich an Heinz Wittig?

DALLMANN (lacht) Ja.

Kurz vor dem EM-Finale hat er einem Kollegen erzählt, dass er Ihnen nach Siegen immer per Facebook gratuliert – und Sie immer antworten.

DALLMANN (lacht) Das stimmt.

Wittig hat Sie beim PSV Lackhausen in Wesel intensiv begleitet. Ist Ihnen wichtig, dass der Kontakt in die Heimat nicht abreißt? DALLMANN Auf jeden Fall. Mit dem PSV Lackhausen habe ich sehr, sehr positive Erinnerung­en. Dort hatte ich sehr gute Trainer, die mich auf meinemWeg nach oben besser gemacht haben. Dem Verein habe ich viel zu verdanken. Weil ich dort bei den Jungenmann­schaften mitspielen durfte, wurde ich sehr gefordert und dadurch gefördert. Die Leute dort – wie Heinz Wittig – haben mir sehr viel beigebrach­t.

Als Sie beim STV Hünxe angefangen haben zu spielen, wie alt waren Sie da?

DALLMANN So früh es ging, bei den Bambinis.

Wie sind Sie als junges Mädchen darauf gekommen, Fußball im Verein zu spielen? DALLMANN Durch meine vier älteren Brüder, die alle zu dem Zeitpunkt Fußball gespielt haben, da musste ich ja quasi mitspielen. Ich habe auch noch zwei jüngere Schwestern, die auch Fußball spielen. Die Leidenscha­ft hat sich über die Familie entwickelt.

Ich bin vier Jahre älter als Sie, wir haben in der Schule immer Fußball gespielt, da waren nie Mädchen dabei.

DALLMANN Ich kann mich auch nicht an so viele Mädchen erinnern, die da mitgespiel­t haben, das war in dem Alter zum Durchsetze­n das Beste. Aber ich habe jede Pause, jeden freien Nachmittag damit verbracht, Fußball zu spielen.

Und, wurden Sie akzeptiert? Oder gab es doch immer wieder mal dumme Bemerkunge­n?

DALLMANN Ich hatte immer das Glück, vier ältere Brüder zu haben, und das wussten auch alle in der Schule und in der Nachbarsch­aft. Die haben sich alle besser zurückgeha­lten mit doofen Bemerkunge­n. Sonst hätten meine Brüder hinter mir gestanden. Das ist auch ein Grund, warum ich immer ein Stück frecher war. Ich konnte mir das erlauben (lacht).

Wie haben Sie festgestel­lt, dass Sie ziemlich gut Fußball spielen?

DALLMANN Für mich war es erst richtig klar, als ich in der B-Jugend zu den anderen Mädchen gewechselt bin. Bei den Jungs bin ich nicht rausgestoc­hen. In der C-Jugend habe ich da auch mal Niederrhei­nliga gespielt, aber da war ich nicht die Auffälligs­te. Bei meiner Größe und den körperlich­en Voraussetz­ungen war es nicht einfach, mit den Jungs in der Niederrhei­nliga zu spielen.

1,58 Meter sind Sie.

DALLMANN Das ist meine Schwester!

Ach so, wieso steht das denn dann überall? Und wie groß sind Sie?

DALLMANN (lacht) Nein, nein, ich bin auch 1,58 Meter, meine Schwester aber auch.Wir sind hier nur gerade zusammen am Campus in München und sie wurde von den Köchen angesproch­en, da musste ich dazwischen grätschen.

Wie ist aus der guten Spielerin Linda Dallmann die Nationalsp­ielerin und Bayernspie­lerin geworden?

DALLMANN In der U17 in Duisburg und Leverkusen gab es viele, die ein ähnliches Niveau hatten wie ich, die auch sehr gut waren. Am Ende haben es aber diejenigen geschafft, die es auch am meisten wollten, die am meisten Leidenscha­ft hatten, an sich zu arbeiten. Solche Dinge sind dann ausschlagg­ebend.

Bei den Männern hat man es geschafft, wenn man beim FC Bayern gelandet ist. Würden Sie das auch über sich sagen? DALLMANN Wenn mir das jemand früher gesagt hätte, dann hätte ich auf jeden Fall gedacht, dass ich meinen Traum erfüllt habe. Ich bin sehr, sehr glücklich in München. Ich habe alles, was ich brauche, was ich mir erträumen kann. Von daher kann man das schon so sagen.

Nach der EM gab es vor einem Spiel der Männer in der Allianz Arena einen Empfang für die deutschen Nationalsp­ielerinnen in Ihrem Team.

DALLMANN Stimmt.

Sie haben Trainer Julian Nagelsmann begrüßt, das wirkte distanzier­t. Wie ist der Kontakt zu den Männern?

DALLMANN Wir sind räumlich getrennt, die Männer an der Säbener Straße und wir am FC-Bayern-Campus. Aber wo Sie gerade Julian ansprechen, den sehen wir zum Beispiel oft am Campus bei den Spielen, auch beim Training hat er uns schon besucht und beobachtet. Bei Marketingt­erminen treffen wir zudem auch öfter die Spieler. Die räumliche Entfernung verhindert einfach ein wenig, dass wir regelmäßig­eren Kontakt haben.

Nervt Sie der permanente Vergleich mit den Männern?

DALLMANN Ja, der Vergleich ist generell nicht angemessen, das macht man in anderen Sportarten doch auch nicht. Eine Tennisspie­lerin oder eine Boxerin wird nicht mit einem Tennisspie­ler oder einem Boxer verglichen. Das hat der Fußball irgendwie an sich, dass Frauen und Männer immer verglichen werden. Leider.Wir haben physisch ganz andere Voraussetz­ungen, es ist daher ein anderes Spiel. Bei uns ist das Spiel eher taktisch und technisch geprägt. Ich finde den Vergleich auch in Sachen Bezahlung nervig. Es kann ja nicht die gleiche Bezahlung geben, das muss auch nicht sein, und darum geht es uns Spiele

rinnen auch nicht.

Der Bundeskanz­ler hat sich für gleiche Bezahlung eingesetzt, jedenfalls bei den Prämien des DFB. Das ist sinnvoll, oder?

DALLMANN Gerade auf der Nationalma­nnschaftse­bene, wo wir Vergleichb­ares leisten wie die Männer, schon. Aber ich finde es schwer, mich als Spielerin dazu zu äußern.

Dass die Männer auf Vereinsebe­ne sehr viel Geld verdienen, gerade beim FC Bayern, das ist ja bekannt. In der Frauenbund­esliga müssen einige Spielerinn­en nebenbei arbeiten.

DALLMANN Wir beim FC Bayern haben in der Hinsicht keine Sorgen. Da gibt es andere Bundesligi­sten, die da sehr viel mehr Probleme mit Bezahlung haben. Da können wir uns beim FC Bayern nicht beschweren. Aber viele studieren hier natürlich nebenbei, was oft auch gut ist, um mal auf andere Gedanken zu kommen, mal einen Ausgleich zu haben. Es kann eine Entlastung sein, nicht ständig nur auf den Fußball fokussiert zu sein.

Sie studieren auch parallel?

Ja.

DALLMANN Was denn?

DALLMANN Sport- und Trainingsw­issenschaf­t, auch hier in München.

Das ist mit Blick auf die Zeit nach der Karriere wahrschein­lich sinnvoll.

DALLMANN Ich möchte gerne im Fußball bleiben, im Athletik- oder Trainerber­eich. Ich habe jetzt auch meine erste Trainerliz­enz begonnen. Für mich ist das Ziel, später im Fußball tätig zu sein.

Um noch einmal Heinz Wittig aus Wesel zu zitieren: „Die Frauenmann­schaften sehe ich lieber. Da gibt es weniger Fouls, da wird weniger gemeckert. Die Teams unternehme­n mehr zusammen und freuen sich auch mehr über einen Sieg.“Hat er recht? DALLMANN Ich glaube schon, dass bei den Frauen sehr, sehr viel Leidenscha­ft und sehr viel Echtes drinsteckt. In unserer Mannschaft beim FC Bayern sind wir füreinande­r da, unternehme­n viel zusammen, das ist etwas Spezielles. Weil die Männer jeder kennt und sie überall angesproch­en werden, wird ihnen in der Hinsicht viel Privatsphä­re genommen. Ich weiß gar nicht, ob wir da mit den Männern tauschen wollten.Wir können mit Fußball als Beruf und dem Leben nebenher sehr viel anfangen.

Während der EM hatte ich den Eindruck, offene, authentisc­he Spielerinn­en zu erleben. Sie wirkten wie echte Menschen, das kann man bei den Männern nicht immer behaupten.

DALLMANN Die EM hat schon gezeigt, dass wir während einem großen Turnier genauso sind wie im Alltag. Wir haben viel zugelassen und viel gezeigt, was die Leute sympathisc­h fanden. Das war authentisc­h. Bei den Frauen ist wenig Show, das Spiel ist flüssig, es geht oft weiter, gibt wenige Karten, das spiegelt die Authentizi­tät wider.

Im Wembley-Stadion waren beim EM-Finale knapp 90.000 Zuschauer. Trägt so ein Erlebnis Sie noch, trotz Niederlage? DALLMANN Ich habe jetzt nicht so das eine Spiel in Erinnerung, sondern das ganze Turnier und alles, was damit zusammenhä­ngt, in Erinnerung. Als wir in Frankfurt angekommen sind und der Empfang am Römer war, wirkte es so, als hätten wir das Turnier gewonnen. Das ist eine unvergessl­iche Erinnerung, eine tolle Erfahrung.

Geht die Euphorie in der Bundesliga weiter oder erleben Sie Rückkehr in den Alltag? DALLMANN Um ehrlich zu sein: Die Bundesliga hat es schwer, diese Euphorie hochzuhalt­en, zumindest in allen Vereinen und in allen Spielen. Man wird sehen, wie viel da überbleibt. Aber es liegt auch an uns Spielerinn­en, den attraktive­n Fußball beizubehal­ten und das Interesse hochzuhalt­en. Es liegt auch in unserer Hand, die Euphorie weiter anzufachen und die Leute ins Stadion zu bekommen.

Es werden keine 90.000 Zuschauer sein. Ist es schwierige­r, sich zu motivieren?

DALLMANN Wembley war sehr schön. Aber wir sind realistisc­h und wissen, dass wir da jetzt nicht jedes Mal drauf hoffen können. Wir hoffen einfach, dass mehr Zuschauer kommen als vorher, dann haben wir schon etwas erreicht. Vielleicht können wir einen draufsetze­n, indem wir gut spielen, und die Leute dann sogar öfter ins Stadion kommen.

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PSV Lackhausen in Wesel.
F: EMA Früher spielte Linda Dallmann beim PSV Lackhausen in Wesel.

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